»Das Leben und Schaffen des Künstlers ist ein lebendiges Symbol für den schöpferischen Menschen.
Sein Werk ist der Frieden, den er mit der Natur schließt.«
– Heinrich Vogeler
Der Neue Mensch – Die Ausstellung
2022 jährt sich der Geburtstag Heinrich Vogelers zum 150. Mal. Dies allein als Anlass für eine große Sonderausstellung zu nehmen, wäre nur Routine. Leben und Werk des Worpsweder Künstlers detailliert und in allen Facetten zu betrachten, lohnt sich aber, weil sie über das Einzelschicksal hinausweisen. Denn die für den Jugendstil typische, später enttäuschte Hoffnung, mit einer Ästhetisierung seines Lebensumfeldes auch den Menschen verbessern zu können, spiegeln sich ebenso im Leben und Werk Vogelers wider wie die späteren politischen Tragödien des 20. Jahrhunderts.
Die vier Worpsweder Museen – Barkenhoff, Große Kunstschau, Haus im Schluh und Worpsweder Kunsthalle – zeigen in ihrer Gemeinschaftsausstellung Heinrich Vogeler. Der Neue Mensch seine Entwicklung vom träumerischen Jugendstilmaler und Gestalter für das Bürgertum hin zum Pazifisten und Kommunisten, der seine Kunst in den Dienst seiner politischen Überzeugungen stellt – in der Hoffnung, am Aufbau einer neuen, besseren Gesellschaft mitwirken zu können. Das macht Vogeler so bedeutsam für unsere Zeit, denn auch wir stehen vor großen Herausforderungen, denkt man etwa an den Klimawandel oder die weltweiten Fluchtbewegungen. Bei der Planung des Projekts, wusste noch niemand, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Vogelers Einsatz gegen den Krieg, sein Friedensappell an den Deutschen Kaiser Wilhelm II. im Januar 1918 sind von einer erschreckenden Aktualität.
Die Fragen, welche besondere Rolle Kunst und Kultur in gesellschaftlichen Umbruchzeiten spielen und welchen Beitrag sie zur Gestaltung unserer Wirklichkeit leisten können, stehen im Mittelpunkt des großen Ausstellungs, Kunst und Forschungsprojektes ZEITENWENDE. Kunst im Aufbruch in einer Welt im Umbruch, das die Worpsweder Museen für die Jahre 2022 bis 2027 geplant haben. Das Vogeler-Jubiläum 2022 bildet den Auftakt dazu.
Mit der Doku-Fiktion HEINRICH VOGELER – Aus dem Leben eines Träumers widmet sich zum ersten Mal seit fast 40 Jahren ein Film diesem so vielseitig begabten Künstler. Der mit Florian Lukas in der Titelrolle und mit Anna Maria Mühe als Martha Vogeler, mit Samuel Finzi, Alice Dwyer und Johann von Bülow neben anderen prominent besetzte Film zeigt Schlüsselmomente aus dem Leben Vogelers, die anschaulich zum Verständnis des Menschen, seiner Zeit und seiner Arbeit beitragen. Der Film startet am 12. Mai 2022 bundesweit in den Kinos.
Die Worpsweder Museen laden die Besucher:innen ein, nach Worpswede zu kommen, um sich begeistern zu lassen von der Schönheit des Ortes und seiner Umgebung, so wie die Künstlerinnen und Künstler, die Ende des 19. Jahrhunderts ins Teufelsmoor kamen: die akademische Malerei hinter sich lassend und das Echte in der Natur und den dort lebenden Menschen suchend. Erleben Sie Vogelers Barkenhoff und entdecken Sie den ganzen Vogeler aller Schaffensperioden. Die Gemeinschaftsschau der Worpsweder Museen blickt nicht nur zurück, sie schlägt auch eine Brücke in die Gegenwart und zeigt zeitgenössische Positionen zu Themen, die schon Vogeler beschäftigten.
Zum Programm der Gemeinschaftsausstellung Heinrich Vogeler. Der Neue Mensch der Worpsweder Museen
Heinrich Vogeler – Stationen eines Lebens
1872 Am 12. Dezember wird Heinrich Vogeler in Bremen geboren.
1890 Vogeler studiert an der Düsseldorfer Kunstakademie.
1894 – 1895 Vogeler besucht Worpswede.
1895 beendet er sein Studium. Der von Hans am Ende, Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Carl Vinnen und ihm gegründete ›Künstlerverein, Worpswede‹ stellt auf der ›Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen‹ im Münchner Königlichen Glaspalast aus, wo ihre Exponate begeistert aufgenommen werden. Im Oktober erwirbt Vogeler ein mit Stroh gedecktes Rauchhaus mit Flett in Worpswede-Ostendorf.
1896 Vogeler gibt seinem Wohnsitz den Namen ›Barkenhoff‹ (Birkenhof ).
1900 Von Ende August bis Anfang Oktober ist Rilke zu Gast bei Vogeler. Der Barkenhoff wird zum Mittelpunkt eines Freundeskreises aus Künstlern und Intellektuellen.
1901 Im März heiratet Vogeler die Worpsweder Lehrertochter Martha Schröder; Ende des Jahres wird die erste von drei Töchtern geboren.
1904 Beginn der Arbeiten an der Güldenkammer des Bremer Rathauses.
1910 Vogeler betätigt sich vermehrt als Architekt und entwirft u. a. die Bahnhöfe entlang der Strecke Bremervörde – Osterholz, auch den Worpsweder Bahnhof.
1914 Vogeler meldet sich nach Kriegsbeginn zum freiwilligen Militärdienst.
1915 – 1918 Vogeler wird in Südost- und Osteuropa eingesetzt, wo er hauptsächlich als Militärmaler arbeitet.
1918 Am 23. Januar veröffentlicht Vogeler unter dem Titel Das Märchen vom lieben Gott einen Protestbrief und Friedensappell an den deutschen Kaiser Wilhelm II. Daraufhin wird er in die Bremer Psychiatrie eingewiesen.
Vogeler wird in den Arbeiter und Soldatenrat Osterholz gewählt und pflegt enge Kontakte zur Bremer Räterepublik.
1919 Vogeler gründet auf dem Barkenhoff eine Siedlungskommune, die dem Ideal der Selbstversorgung folgt.
1920 Martha Vogeler und die Töchter verlassen den Barkenhoff.
1923 Die Barkenhoff-Kommune scheitert. Mit Sonja Marchlewska, Tochter des polnischen Kommunisten und Begründers der ›Internationalen Roten Hilfe‹, Julian Marchlewski, reist Vogeler in die Sowjetunion. Im Oktober wird der gemeinsame Sohn Jan Jürgen in Moskau geboren.
1924 Der Barkenhoff geht in die Trägerschaft der ›Roten Hilfe Deutschland‹ über, die ihn als Erholungsheim für Kinder inhaftierter oder im Ersten Weltkrieg gefallener Kommunisten nutzt.
1926 Heinrich und Martha Vogeler lassen sich scheiden. Im Herbst heiratet der Künstler Sonja Marchlewska.
1931 Vogeler übersiedelt nach Moskau.
1933 Er verfasst Berichte über zahlreiche Reisen, die ihn in staatlichem Auftrag in die Sowjetrepubliken führen, um dort das landwirtschaftliche und industrielle Leben malerisch zu dokumentieren.
1934 Der Künstler engagiert sich verstärkt gegen die NS-Diktatur in Deutschland.
1941 Nach dem deutschen Überfall auf Russland tritt Vogeler in die Propagandaabteilung der Roten Armee ein. Der Künstler wird nach Kasachstan (Gebiet Karaganda/Korneewka) zwangsevakuiert.
1942 Am 14. Juni stirbt Vogeler entkräftet und mittellos in der Krankenstation eines Kolchos. Die genaue Grabstelle auf dem örtlichen Friedhof ist unbekannt.