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Leseprobe Bolton enthüllt Trumps erschreckende Inkompetenz in Außenpolitik- und Verfassungsfragen: Der Präsident bietet Diktatoren seine persönlichen Dienste an, lobt chinesische Internierungslager und überlegt laut, mehr als zwei Wahlperioden zu regieren
US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump

Foto: TIM WATSON/AFP via Getty Images

Amerika befreit sich

Kapitel 3

Ich fuhr mit den Vorbereitungen für Trumps Gipfeltreffen mit dem japanischen Premierminister Shinzō Abe fort, wobei der Schwerpunkt auf Nordkoreas Kernwaffenprogramm lag, dem Hauptzweck von Abes Reise. Selbst die einfache Aufgabe, Trump für Abes Besuch vorzubereiten, erwies sich als mühsam; das ließ darauf schließen, wie sich die Dinge entwickeln würden. Wir organisierten zwei Briefings, eines über Nordkorea und Sicherheitsfragen im weiteren Sinne und eines über Handels- und Wirtschaftsfragen, entsprechend dem Zeitplan der Treffen zwischen Abe und Trump. Obwohl das erste ihrer Treffen politischen Fragen gewidmet war, füllte sich unser Briefing-Raum mit Handelsexperten, die von dem Briefing gehört hatten und hereinspaziert waren. Abe war spät dran, also schlug ich vor, eine kurze Diskussion zu Handelsfragen zu führen und uns dann Nordkorea zuzuwenden. Das war ein Fehler. Provoziert von der Bemerkung, dass wir keinen besseren Verbündeten als Japan hätten, beschwerte sich Trump schrill über Japans Angriff auf Pearl Harbor. Von da an ging es bergab. Es dauerte nicht lange, bis Abe eintraf und die Sitzung endete. Ich nahm Kelly zur Seite, um dieses fruchtlose »Briefing« zu besprechen, und er sagte: »Dieser Job wird Sie sehr frustrieren.« Ich antwortete: »Nein, das wird er nicht, wenn es nur den Ansatz einer Geschäftsordnung gibt. Das ist kein Trump-Problem; das ist ein Problem der Mitarbeiter des Weißen Hauses.« »Ich brauche keine Belehrung von Ihnen«, schoss Kelly zurück, und ich erwiderte: »Ich belehre Sie nicht, ich gebe Ihnen die Fakten, und Sie wissen, dass es wahr ist.« Kelly hielt inne und sagte: »Es war ein Fehler, sie [die Handelsleute] hereinzulassen«, und wir kamen überein, das Problem beim nächsten Mal zu beheben. Aber in Wahrheit hatte Kelly recht und ich unrecht. Es war ein Trump-Problem, und es wurde nie behoben.
Abe und Trump hatten zunächst ein Einzelgespräch, dann trafen sie und ihre Delegationen um drei Uhr nachmittags im Weißen und Goldenen Ballsaal von Mar-a-Lago zusammen, der wirklich sehr weiß und sehr golden war. Abe begrüßte mich mit den Worten: »Willkommen zurück«, denn wir kannten uns seit über fünfzehn Jahren. Wie bei solchen Treffen üblich, stürmte dann der Pressemob herein, die Kameras liefen. Abe erklärte, er und Trump hätten während des Vier-Augen-Gesprächs »ein gegenseitiges Einvernehmen [darüber] geschaffen«, dass in Bezug auf Nordkorea alle Optionen auf dem Tisch lägen, wo wir »maximalen Druck« und die Androhung einer überwältigenden militärischen Macht benötigten.1 Gewiss war ich derselben Ansicht, obwohl Pompeo genau in diesem Moment damit beschäftigt war, auszuhandeln, wo Trumps Gipfeltreffen mit Kim Jong-un stattfinden würde. Der Besuch von Abe kam genau zum richtigen Zeitpunkt, um Trumps Entschluss zu bestärken, nicht klein beizugeben. Nachdem sich die Medienvertreter widerwillig aus dem Staub gemacht hatten, führten Abe und Trump eine lange Diskussion über Nordkorea und wandten sich dann Handelsfragen zu.
Während dieses Treffen weiterging, explodierte die Presse wegen einer anderen Sache. In den hektischen Stunden vor dem Militärschlag auf Syrien hatte Trump zunächst zugestimmt, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Moskaus Präsenz in Syrien war entscheidend dafür, um Assads Regime zu stützen und vielleicht chemische Waffenangriffe und andere Gräueltaten zu erleichtern (oder zumindest zuzulassen). Danach änderte Trump jedoch seine Meinung. »Wir haben unseren Standpunkt klargemacht«, sagte Trump am frühen Samstagmorgen zu mir, und wir könnten »sie später, wenn nötig, noch viel härter treffen«. Darüber hinaus hatten die USA am 6. April gerade erhebliche Sanktionen gegen Russland verhängt, wie im »Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act«2 gefordert, den Trump verabscheute, weil er Russland zum Ziel hatte. Trump glaubte, dass die Anerkennung der Einmischung Russlands in die US-Politik oder in die vieler anderer Länder in Europa und anderswo implizit auch eingestehen würde, dass er in seinem Wahlkampf 2016 mit Russland konspiriert hatte. Diese Ansicht ist sowohl aus logischer als auch aus politischer Sicht falsch; Trump hätte eine stärkere Hand im Umgang mit Russland haben können, wenn er die russischen Bemühungen um Wahlsubversion angegriffen hätte, anstatt sie zu ignorieren, zumal die konkreten Maßnahmen seiner Regierung, wie z. B. Wirtschaftssanktionen, eigentlich recht robust waren. Was seine Einschätzung von Putin selbst betrifft, so hat er, zumindest vor mir, nie eine Meinung abgegeben. Ich habe Trump auch nie danach gefragt, vielleicht aus Angst vor dem, was ich hören könnte. Seine persönliche Haltung gegenüber dem russischen Staatsoberhaupt blieb ein Rätsel.
Ich versuchte, ihn davon zu überzeugen, mit den neuen Sanktionen fortzufahren, aber es hatte keinen Zweck. Ich sagte, Mnuchin und ich würden dafür sorgen, dass das Finanzministerium keine Erklärung abgab. Da viele hohe Beamte mit dem Auf und Ab der Regierungsentscheidungen nur allzu vertraut waren, gab es glücklicherweise eine eingebaute Pause, bevor Trumps ursprüngliche Genehmigung der neuen Sanktionen tatsächlich durchgeführt wurde. Am Samstag sollte eine endgültige Entscheidung getroffen werden, also sagte ich Ricky Waddell, der als McMasters Stellvertreter immer noch an Bord war, er solle die Nachricht weiterverbreiten, damit jede weitere Vorwärtsbewegung gestoppt wurde. Die NSC-Mitarbeiter informierten zuerst das Finanzministerium, dann alle anderen, und das Finanzministerium stimmte zu, dass es ebenfalls alle über die Aufhebung der Sanktionen informieren würde.
In den Talkshows am Sonntagmorgen sagte Haley jedoch, das Finanzministerium werde am kommenden Montag Sanktionen gegen Russland ankündigen. Sofort gingen alle Alarmglocken an. Jon Lerner, Haleys politischer Berater, sagte Waddell, dass die US-Mission bei der UNO in New York die Befehle bezüglich der Russland-Sanktionen kenne, und sagte: »Das war ein Ausrutscher von ihr [Haley]« – eine atemberaubende Untertreibung. Die magnetische Anziehungskraft von Fernsehkameras, ein häufiges politisches Leiden, hatte das Problem geschaffen, aber es war auch ein Verfahrensfehler: Die Sanktionen mussten vom Finanzministerium verkündet werden. Die UN-Botschafterin hatte darin keine Rolle, außer, wie in diesem Fall, versehentlich das Rampenlicht zu stehlen. Trump rief mich um 18.30 Uhr an, um zu fragen, wie die Sonntagssendungen gelaufen waren, und ich erzählte ihm von dem Fehler und was wir gerade taten, um ihn zu beheben. »Ja, was ist da los?«, fragte Trump. »Das ist zu viel.« Ich erklärte, was Haley getan hatte, und Trump sagte: »Sie ist keine Studentin, wissen Sie. Rufen Sie die Russen an und sagen Sie es ihnen.« Kurz darauf rief ich den russischen US-Botschafter, Anatoli Antonow, an, den ich noch aus meiner Zeit bei der Regierung George W. Bushs kannte. Ich wollte ihm nicht sagen, was tatsächlich passiert war, also sagte ich einfach, Haley habe einen bedauerlichen Fehler gemacht. Antonow war ein einsamer Mann, da die Menschen in Washington nun Angst hatten, im Gespräch mit Russen gesehen zu werden, also lud ich ihn zu einem Treffen ins Weiße Haus ein. Trump war angetan, als ich ihm später davon berichtete, denn jetzt konnten wir anfangen, über das von ihm gewünschte Treffen mit Putin zu sprechen. Ich informierte Pompeo auch über Haley und die Ereignisse des Tages in Bezug auf Russland, und ich konnte am Telefon spüren, dass er vor Bestürzung den Kopf schüttelte.
[…]
Und überhaupt, warum sollte unsere UN-Botschafterin die Ankündigung machen? Waddell sprach erneut mit Haleys Berater Jon Lerner, der sagte: »Sie hätte es nicht tun sollen … es war ein Versprecher.« In der Zwischenzeit nörgelte Trump darüber, dass die Presse es so darstellte, als vollzöge er eine politische Kehrtwende, weil er befürchtete, dass dies ihn in Bezug auf Russland schwach erscheinen ließ.
Das Lauffeuer war jedoch im Begriff, an einer anderen Front auszubrechen, als Larry Kudlow die Presse über die Diskussionen zwischen Trump und Abe informierte. Sanders wollte, dass ich mich Kudlow anschloss, aber ich entschied mich dagegen, aus dem gleichen Grund, aus dem ich es ablehnte, an den Talkshows am Sonntag teilzunehmen: Ich sah keinen Sinn darin, gleich in meiner ersten Arbeitswoche ein TV-Star zu sein. In der Live-Berichterstattung über Kudlows Briefing, in der die unvermeidliche Frage nach den Sanktionen gegen Russland gestellt wurde, sagte Kudlow, dass es kurzzeitig einige Verwirrung gegeben habe, und legte dann die Punkte dar, die Trump Sanders an Bord der Air Force One diktiert hatte. Haley feuerte sofort eine Botschaft an Dana Perino von Fox ab: »Bei allem Respekt, ich bin nicht verwirrt«, und, bumm, ging der Krieg wieder los, zumindest für eine Weile. Haley holte aus dem Vorfall einen guten Buchtitel heraus. Aber, bei allem Respekt: Haley war nicht verwirrt. Sie hatte einfach nur unrecht.
Nachdem Trump und Abe am Mittwochmorgen Golf gespielt hatten, gab es ein Arbeitsessen, hauptsächlich zu Handelsfragen, das erst um 15 Uhr begann. Die beiden Staatschefs hielten eine gemeinsame Pressekonferenz ab, und ein Abendessen zwischen den beiden Delegationen begann um 19.15 Uhr – viel Essen in kurzer Zeit. Ich flog mit dem Flugzeug der First Lady zurück nach Washington und betrachtete diesen Gipfel als einen echten Erfolg in wesentlichen Fragen wie Nordkorea.
Ich konzentrierte mich jetzt jedoch auf den Iran und die Gelegenheit, die sich durch die nächste Entscheidung über die Aufhebung der Sanktionen am 12. Mai bot, die Frage des Rückzugs zu erzwingen. Pompeo hatte mich am Dienstagabend in Florida angerufen, um zu besprechen, wie es mit dem iranischen Atomabkommen weitergehen sollte. Es war schwer zu sagen, ob er nach seinem schwierigen Bestätigungsverfahren immer noch aufgekratzt war, was völlig verständlich wäre, oder ob er von Leuten im Außenministerium beeinflusst wurde, die zunehmend aufgeregt darüber waren, dass wir uns vielleicht endlich zurückziehen würden. Nach einem schwierigen, manchmal gereizten Hin und Her über die unvermeidliche Kritik von Seiten der Hochgesinnten, die ein Rückzugsbeschluss auslösen würde, sagte Pompeo, er werde im Außenministerium gründlich darüber nachdenken lassen, was aus unserem Ausstieg folgen würde, etwas, wogegen man sich bisher hartnäckig gewehrt hatte. Ich befürchtete, dass Pompeos offensichtliche Nervosität darüber, den Atomdeal mit dem Iran platzen zu lassen, zu einer noch größeren Verzögerung führen könnte. Da ich wusste, dass die Bürokratie des Außenministeriums diese Unentschlossenheit aufgreifen würde, um den Untergang eines weiteren geheiligten internationalen Abkommens zu verhindern, könnte ein Zögern auf der politischen Ebene der Regierung tödlich sein.
Trump blieb für den Rest der Woche in Florida; ich war zurück in Washington und konzentrierte mich auf den Iran. Ich war seit langem der Meinung, dass die nukleare Bedrohung durch den Iran zwar operativ nicht so weit fortgeschritten war wie jene, die von Nordkorea ausging, dass sie aber genauso gefährlich war, möglicherweise sogar noch gefährlicher wegen der revolutionären theologischen Obsessionen, die seine Führer motivieren. Teherans Nuklearprogramm (ebenso wie seine Arbeit an chemischen und biologischen Waffen) und seine Kapazitäten im Bereich ballistischer Raketen machten es sowohl zu einer regionalen als auch zu einer globalen Bedrohung.
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Ich traf mich mit dem Briten Mark Sedwill, dann mit meinem deutschen Amtskollegen Jan Hecker und telefonierte ausführlich mit dem Franzosen Philippe Étienne. Ich wiederholte zwar mehrfach, dass keine endgültige Entscheidung getroffen worden sei, versuchte aber auch auf jede erdenkliche Weise zu erklären, dass es keinen Weg gebe, das Abkommen »in Ordnung zu bringen«, wie es das Außenministerium seit mehr als einem Jahr forderte. Für alle drei meiner Amtskollegen und ihre Regierungen war dies eine schwer verdauliche Botschaft. Deshalb wiederholte ich sie immer wieder, in dem Wissen oder zumindest in der Hoffnung, dass Trump sich innerhalb weniger Wochen aus dem Abkommen zurückziehen würde. Die Nachricht würde ein Donnerschlag sein, und ich wollte sicher sein, dass ich alles Mögliche tat, damit unsere engsten Verbündeten nicht überrascht wurden. Angesichts der bevorstehenden Besuche von Macron und Merkel im Weißen Haus gab es reichlich Gelegenheit für eine umfassende Diskussion dieser Fragen, aber sie mussten im Voraus wissen, dass Trump diesmal wirklich aussteigen wollte. Wahrscheinlich.
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Während dieser hektischen ersten beiden Wochen nahm ich auch an mehreren handelsbezogenen Treffen und Telefonaten teil. Ich war Anhänger des Freihandels, aber ich stimmte Trump zu, dass viele internationale Abkommen nicht den wahren »Freihandel« widerspiegelten, sondern den Handel steuerten und für die USA alles andere als vorteilhaft waren. Insbesondere stimmte ich zu, dass China das System ausgespielt hatte. Es verfolgte in der angeblich freihandelsorientierten Welthandelsorganisation (WTO) eine merkantilistische Politik, während es gleichzeitig geistiges Eigentum der USA stahl und erzwungene Technologietransfers betrieb, die uns über Jahrzehnte hinweg Kapital und Handelsverkehr in unkalkulierbarem Maße raubten. Trump verstand, dass eine starke US-Binnenwirtschaft entscheidend für eine wirksame Projektion der politischen und militärischen Macht der USA war (nicht dass er, wie ich zu verstehen begann, allzu viel projizieren wollte), ein Grundsatz, der für China und alle anderen galt. Und ich hatte rein gar nichts mit Entscheidungsfindungs- und Zuweisungsprozessen der WTO zu tun, die die nationale Entscheidungsfindung dominieren sollten. In diesem Punkt stimmte ich völlig mit dem US-Handelsbeauftragten Bob Lighthizer überein, einem ehemaligen Kollegen von mir, mit dem ich Mitte der siebziger Jahre bei Covington & Burling zusammengearbeitet hatte.
Unter Trump war die Entscheidungsfindung in Handelsfragen jedoch qualvoll. Es hätte einen geordneten Weg geben können, indem man die interinstitutionelle Struktur des NSC genutzt hätte, in gemeinsamer Führung mit dem Nationalen Wirtschaftsrat von Kudlow, um handelspolitische Optionen zu entwickeln, jedoch hielt das nur eine Person für eine gute Idee: ich. Stattdessen wurden die Themen in wöchentlichen Sitzungen unter dem Vorsitz von Trump im Roosevelt Room oder im Oval diskutiert, die eher einer Essensschlacht unter College-Studenten ähnelten als sorgfältiger Entscheidungsfindung. Nie wurden auf den niedrigeren Ebenen zwischen den Behörden Anstrengungen unternommen, die Themen und Optionen zu klären. Hätte ich an Yoga geglaubt, hätte ich es wahrscheinlich nach diesen Sitzungen gut gebrauchen können. Ende April nahm ich an meinem ersten Treffen zu Handelsfragen teil, zur Vorbereitung einer Reise von Mnuchin und Lighthizer nach Peking. Trump warf ein, dass »Zölle der beste Freund des Menschen sind«, was mich erschauern ließ, aber immerhin sagte er zu Mnuchin: »Sie gehen nach China, um denen in den Arsch zu treten.« Das wiederum gefiel mir. Trump sah mich an und sagte, dass China Sanktionen gegen Nordkorea rigoros vollstreckte, weil man einen Handelskrieg mit uns befürchtete, was nur teilweise richtig war: Meiner Ansicht nach setzte China die Sanktionen nicht rigoros durch.3 Mnuchin und Kudlow sagten eine globale Wirtschaftskrise voraus, falls ein echter Handelskrieg ausbräche, aber Trump tat ihre Bedenken ab: »Den Chinesen sind wir scheißegal; sie sind kaltblütige Killer [im Handel].« Ich konnte ahnen, dass es bei den Handelsfragen wild zugehen würde.
Macron traf am 24. April zum ersten Staatsbesuch der Trump-Regierung ein, empfangen mit einer Zeremonie, die selbst die Franzosen beeindruckt haben muss. Zum Bedauern der Presse ging nichts schief.
[…]
Vor dem Einzelgespräch zwischen Macron und Trump im Oval kam der Pressemob für die üblichen Fotos und Fragen hereingeschlurft. Trump bezeichnete den Iran-Deal als »verrückt«, »lächerlich« und Ähnliches.4 Ich fragte mich, ob die Leute es diesmal ernst nehmen würden. Nachdem die Presse aus dem Oval entlassen worden war, sprachen Trump und Macron viel länger als erwartet unter vier Augen. Während des Gesprächs erklärte Trump Macron in erster Linie, wie Trump mir später erzählte, dass wir aus dem Iran-Deal aussteigen würden.5 Macron versuchte Trump davon zu überzeugen, nicht auszusteigen, scheiterte aber. Stattdessen bemühte sich Macron darum, Trump in einen größeren Verhandlungsrahmen aus »vier Säulen« einzubinden, der in der erweiterten Sitzung im Cabinet Room nach dem Einzelgespräch erörtert wurde (die vier Säulen waren: der jetzige Umgang mit dem iranischen Atomprogramm, der zukünftige Umgang damit, Irans Raketenprogramm sowie regionaler Frieden und Sicherheit).6 Macron war ein cleverer Politiker, der versuchte, aus einer klaren Niederlage etwas zu machen, das aus seiner Sicht zumindest etwas positiv klang. Während des Treffens sprach er fast ausschließlich auf Englisch, und er äußerte sich unmissverständlich zu dem Abkommen: »Niemand hält den Deal für ausreichend«7 und argumentierte, wir sollten auf der Grundlage der vier Säulen auf »ein neues, umfassendes Abkommen« hinarbeiten. Während des Treffens fragte Trump mich nach meiner Meinung über das Iran-Abkommen. Ich sagte, dass es den Iran nicht davon abhalten würde, Atomwaffen zu bekommen, und dass es keine Möglichkeit gäbe, die grundlegenden Mängel des Abkommens zu »beheben«. Da ich Trumps Neigung kannte, Deals über alles Mögliche zu machen, erwähnte ich Eisenhowers berühmte Bemerkung »Wenn du ein Problem nicht lösen kannst, dann erweitere es« und sagte, auf mich wirke es so, als täte Macron genau das. Dem konnten wir uns nach der Rücknahme und Wiedereinführung der US-Sanktionen zuwenden, wozu wir, wie Mnuchin bekräftigte, »völlig bereit« waren.
Trump, der Baumeister, sagte: »Man kann nicht auf einem schlechten Fundament bauen. Kerry hat einen schlechten Deal gemacht. Ich sage nicht, was ich tun werde, aber wenn ich den Deal beende, bin ich offen dafür, einen neuen Deal zu machen. Ich würde lieber versuchen, alles zu lösen, als es so zu lassen, wie es ist.« Wir sollten, so sagte er, »lieber einen neuen Deal aushandeln, als einen schlechten Deal zu reparieren«8 (Macron sagte Trump in einem späteren Anruf, dass er sich beeilen wolle, einen neuen Deal zu finden, was bei Trump keinerlei Resonanz hervorrief). Das Treffen wandte sich dann dem Handel und anderen Themen zu und brach um 12.25 Uhr ab, um die gemeinsame Pressekonferenz vorzubereiten. Bei dieser Veranstaltung sagte keiner der beiden Staatschefs viel Neues oder Anderes über den Iran, obwohl Trump an einer Stelle bemerkte: »Niemand weiß, was ich tun werde … obwohl Sie, Herr Präsident, eine ziemlich gute Vorstellung davon haben.«9 Das Staatsbankett in Abendgarderobe später war sehr schön, zumindest wenn man gerne bis 22.30 Uhr isst. Gretchen und ich ließen das anschließende Unterhaltungsprogramm aus, ebenso wie John Kelly und seine Frau Karen, die wir trafen, als wir alle auf dem Heimweg Aktenkoffer und Arbeitskleidung aus unseren Büros holten.
Die Vorbereitungen für den Ausstieg aus dem Abkommen machten einen Riesenschritt nach vorn, als Mattis am 25. April zustimmte: »Wenn Sie sich zum Rückzug entschließen, kann ich damit leben.« Enthusiastische Unterstützung sah anders aus, aber immerhin signalisierte dies, dass Mattis sich deswegen nicht die Haare ausreißen würde. Dennoch wiederholte Mattis bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass er gegen den Ausstieg war, worauf Trump einige Tage später entschlossen erwiderte: »Ich kann nicht drin bleiben.« Das war die endgültige Aussage, dass wir aussteigen würden. Später, am Morgen des 25. April, betonte Trump mir gegenüber noch einmal, dass er wollte, dass Mnuchin mit »den schärfstmöglichen Sanktionen« bereitstand, wenn es so weit war. Ich traf mich an diesem Morgen auch mit Étienne, und mein klarer Eindruck war, dass Macron die französische Seite nicht vollständig über das Einzelgespräch mit Trump informiert hatte. Das war eine ausgezeichnete Nachricht, denn es bedeutete, Macron hatte voll und ganz verstanden, dass Trump ihm gesagt hatte, dass wir im Begriff waren, uns zurückzuziehen.
Der Gipfel von Trump und Merkel am 27. April war eher ein »Arbeitsbesuch« denn ein »Staatsbesuch«, also nicht so prunkvoll wie der von Macron. Trumps Einzelgespräch mit Merkel dauerte nur fünfzehn Minuten und fand vor der größeren Sitzung im Cabinet Room statt, die er eröffnete, indem er sich darüber beklagte, dass Deutschland »die Bestie« (d. h. Russland) durch die Nord-Stream-2-Pipeline »fütterte«, und dann zur Europäischen Union überging, von der er meinte, dass sie die USA schrecklich behandelte. Für mich war klar, dass Trump Deutschland für Russlands Gefangenen hielt. Trump benutzte auch einen Spruch, den ich später unzählige Male hörte, nämlich: »Die EU ist noch schlimmer als China, nur kleiner«10, und fügte hinzu, dass die EU gegründet wurde, um die USA auszunutzen, was Merkel bestritt (auf Englisch, wie das gesamte Treffen). Sie bat auch um einen drei- bis viermonatigen Aufschub bei der Einführung weltweiter Zölle auf Stahl und Aluminium, die Trump in Erwägung zog, damit die EU mit den USA verhandeln konnte. Trump antwortete, dass er nicht mit der EU verhandeln wolle. Schade, dass er gegenüber Nordkorea nicht so empfand, dachte ich im Stillen.11
Trump hatte sich bereits dem nächsten Thema zugewandt, dem Scheitern Deutschlands bei der Erfüllung seiner NATO-Verpflichtung, die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, und bezeichnete Merkel als eine der großen Stepptänzerinnen in Bezug auf die NATO, was sie nun auch im Handel tue.12 Merkel drängte weiterhin auf einen Aufschub der Zölle, wenn auch nur um zwei Monate, aber Trump sagte, es wäre eine Zeitverschwendung, genau wie die NATO. Er fragte, wann Deutschland 2 Prozent erreichen würde, und Merkel antwortete ganz unschuldig: 2030, was sogar die Deutschen zum Lächeln brachte, und Trump meinte, sie sage das nun schon seit sechzehn Monaten. Zu den Zöllen sagte Merkel schließlich, er könne tun und lassen, was er wolle, weil er ein freier Mann sei.
Der Iran wurde nur flüchtig angesprochen. Merkel bat uns, am Abkommen festzuhalten, und Trump reagierte gleichgültig. Auf der Pressekonferenz sagte Trump über den Iran: »Sie werden keine Atomwaffen machen«, und das war es auch schon. Mehr Abwechslung brachte da ein weiterer mutmaßlicher Angriff Israels auf iranische Stellungen in Syrien am darauffolgenden Tag,13 von dem Mattis und andere im Pentagon befürchteten, er könne iranische Vergeltungsmaßnahmen (wahrscheinlich stellvertretend durch schiitische Milizen im Irak) gegen US-Streitkräfte auslösen. Nichts davon trat ein, und Trump schien jedenfalls nicht beunruhigt. Trump informierte Netanjahu von seinen Iran-Plänen und sagte, dass das ganze Abkommen auf Lügen basiere, dass der Iran die Vereinigten Staaten zum Narren gehalten habe und dass es Israel freistehe, das Abkommen öffentlich in der Luft zu zerreißen, was Netanjahu natürlich bereits eifrig tat.
[…]
Pompeo, Mattis und ich hatten unser erstes wöchentliches Frühstück im Pentagon am 2. Mai um sechs Uhr morgens, und Mattis führte seine Argumente gegen den Ausstieg weiter aus. Es war klar, dass Trump zu einem Entschluss gekommen war. Im Laufe des restlichen Tages und der Woche sowie während des Wochenendes verdichteten sich die Vorbereitungen zur Ankündigung des Rückzugs, insbesondere die Ausarbeitung des offiziellen Entscheidungsdokuments des Präsidenten, um sicherzustellen, dass es keine Schlupflöcher gab, durch die Anhänger des Abkommens zurückkriechen konnten. Stephen Miller und seine Redenschreiber arbeiteten auch bereits an Trumps Rede, mit der es gut voranging. Trump hatte noch viel hinzuzufügen, so dass der Entwurf so lange verändert wurde, bis der Text für die Teleprompter vorbereitet werden musste. Ich hatte Trumps Ankündigung für den 7. Mai angestrebt, erfuhr jedoch von Sanders, dass die First Lady an diesem Tag eine Veranstaltung geplant hatte, so dass wir den Ausstieg auf den 8. Mai verschoben. So wird mit gewichtigen Staatsangelegenheiten umgesprungen. Und in der Tat war Trump auch hier unschlüssig, zog erst das eine, dann das andere Datum in Erwägung, buchstäblich bis fast zur letzten Minute.
Am Samstag, dem 5. Mai, fand ein letztes routinemäßiges Telefonat zwischen Trump und May zu Iran und anderen Themen statt,14 und Außenminister Boris Johnson traf am Sonntagabend zu weiteren Gesprächen in Washington ein. Am selben Abend schickte Mattis mir ein geheimes Dokument nach Hause, in dem er sich erneut gegen den Ausstieg aussprach, aber immer noch nicht um ein Treffen auf höchster Ebene bat, um dieses Thema zu erörtern. Mir war danach, zu sagen, dass seine Position nun für die Nachwelt sicher verwahrt und gut vorbereitet sei, aber ich hielt mich zurück. Das Pentagon sagte uns immer noch nicht, was es operativ zu tun gedachte, wenn die USA sich zurückziehen würden, nachdem man dort von unverhohlenem Widerstand zum Guerillakrieg übergegangen war. Es hat uns nicht aufgehalten.
Ich traf Johnson am Montag um neun Uhr morgens in meinem Büro – zum ersten Mal war ich ihm 2017 in London begegnet –, und wir sprachen ausführlich über den Iran und Nordkorea, Trumps jüngste Treffen mit Macron und Merkel sowie Macrons »Vier-Säulen«-Idee. Johnson sagte, sie hätten in Großbritannien in eine ähnliche Richtung gedacht, woraufhin ich erwiderte, ich würde mich freuen, die Idee »Johnsons vier Säulen« zu nennen, und alle lachten zustimmend. Er betonte, wie auch schon Macron, dass Großbritannien die Schwächen des bestehenden Abkommens voll und ganz verstehe, die viele Anhänger, die es immer noch als heilig ansahen, überrascht hätten.15 Ich erklärte, warum die Ankündigung in Kürze bevorstand, obwohl ich, da ich Trump kannte, nicht sagte, dass sie am nächsten Tag erfolgen würde. Wir würden daraufhin nicht einfach in Untätigkeit verfallen, sondern alle US-Sanktionen in Bezug auf das Nuklearprogramm, die das Abkommen auf Eis gelegt hatte, wieder in Kraft setzen. Als wir uns trennten, erinnerte ich Johnson daran, dass ich ihm im Sommer zuvor gesagt hatte, ich wolle beim Brexit helfen, und das sei immer noch der Fall, aber wir hatten kaum Gelegenheit, darüber zu sprechen. Später sprach ich mit Sedwill über diese Unterhaltung, und telefonierte gerade mit Étienne, als dieser ausrief, Trump habe soeben getwittert:
Ich werde meine Entscheidung über den Iran-Deal morgen um 14 Uhr vom Weißen Haus aus bekannt geben.
Da gab es keinen Raum mehr für Spannung. Étienne hatte die Tweets von Trump genauer verfolgt als ich! Es gab kaum Zweifel daran, was kommen würde; dies bestätigte ich auch dem israelischen Botschafter Ron Dermer und einigen anderen, nicht dass ich irgendwem noch viel hätte erklären müssen.
Am »D-Day« selbst rief Trump den chinesischen Präsidenten Xi Jinping um 8.30 Uhr an, um über verschiedene Themen zu sprechen, darunter auch Nordkorea. Trump sagte, er werde in Kürze eine Erklärung zum Iran abgeben, und fragte Xi auf fast kindliche Art, ob er wissen wolle, was er sagen würde. Xi sagte, es klinge ganz so, als wolle Trump es ihm erzählen, womit er ins Schwarze traf. Trump, in einem seiner »Warum nicht?«-Momente, sagte, er fühle sich sicher dabei, Xi ins Vertrauen zu ziehen; er werde den Atomdeal beenden, was schlecht sei, man werde sehen, was passierte. Xi sagte, er werde die Nachricht vertraulich behandeln, und fügte schlicht hinzu, dass die USA die Position Chinas kannten, was bedeutete, dass Xi nicht plane, daraus eine bedeutende bilaterale Angelegenheit zu machen. Macron rief an und fragte, was Trump über den Iran zu sagen gedenke, aber Trump wollte sicher sein, dass Macron sich zurückhalten würde. Er ermahnte Macron, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, und bat ihn um sein Wort. Macron sagte zu und war der Meinung, der Iran solle nicht aus dem Abkommen aussteigen, ebenso wenig wie Frankreich, während man sich um ein umfassendes neues Abkommen bemühte, wie es die beiden Staatschefs zuvor besprochen hatten. Trump glaubte nicht, dass der Iran aussteigen würde, da sie mit dem Deal zu viel Geld verdienten. Trump überlegte, dass er sich irgendwann mit dem iranischen Präsidenten Rohani treffen sollte, schmeichelte Macron, indem er ihn als den besten der Europäer bezeichnete, und sagte, er solle Rohani ausrichten, dass Trump recht habe.
Trump hielt die Rede um etwa 14.15 Uhr, die nach Drehbuch ablief, wobei Pence, Mnuchin, Ivanka, Sanders und ich anwesend waren. Danach gingen wir alle ins Oval Office zurück und hatten das Gefühl, dass alles wie geplant verlaufen war und dass die Rede gut aufgenommen werden würde. Einige Minuten nach halb drei hielt ich ein Treffen mit Reportern im Besprechungszimmer des Weißen Hauses ab, bei dem ich offizielle Erklärungen abgab; Kameras waren jedoch nicht gestattet, damit auf den Medienfotos der Präsident bei seiner Rede zu sehen war. Dann waren wir fertig.
[…]

04.08.2020, 19:42

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