Leseprobe : Game Over, Democracy?

Der Medienwissenschaftler Martin Andree enthüllt, wie Dark Tech, Donald Trump und Rechtspopulisten mithilfe digitaler Monopole nach autokratischer Macht greifen – und warum unsere Demokratie dabei ist, den entscheidenden Kampf zu verlieren.

Autokraten auf dem Vormarsch: Wladimir Putin mit Donald Trump (r.)

Foto: Andrew Harnik/Getty Images

Zum Kommentar-Bereich
Krieg der Medien

Krieg der Medien

Martin Andree

Hardcover, gebunden

256 Seiten

28 €

In Kooperation mit Campus Verlag 2025

Krieg der Medien

„Bürgerkrieg ist unvermeidlich“

Diese Worte schrieb Elon Musk am 4. August 2024 auf X zu den Unruhen in Großbritannien, bei denen es unter anderem zu rassistischen Übergriffen, Brandstiftung und Plünderungen kam. Mehr als fünfzig Polizisten wurden verletzt, es kam zu Hunderten Festnahmen. In der Folge postete Elon Musk mehrfach Inhalte auf X, die dazu anstachelten, die angeblich tyrannische britische Regierung zu stürzen.

Aber wie würde er denn aussehen, dieser Bürgerkrieg, den Musk sich offenbar herbeiwünscht und den er aktiv auf seiner Plattform X anheizen will? Musk unterstützt nicht nur die AfD in Deutschland, er unterhält auch beste Kontakte zu rechtspopulistischen Bewegungen in anderen europäischen Ländern. In Großbritannien hatte sich schon Nigel Farage, einer der Architekten des Brexits mit engem Draht zu Donald Trump, in Position gebracht – und er war so kurz vor seinem Ziel. Am 16. Dezember 2024 hatte Elon Musk ihn noch in Trumps Anwesen Mar-a-Lago empfangen, Medienberichten zufolge gab es Pläne, wonach Musk seine Partei (Reform UK, zuvor UKIP) mit 100 Millionen US-Dollar unterstützen wolle.

Doch der Deal kam nicht zustande. Musk ließ Farage fallen, weil der »nicht das Zeug zum Parteichef habe«. Farage war Musk offenbar nicht radikal genug, er bevorzugte Tommy Robinson– einen britischen Rechtsextremen, dessen Biografie gepflastert ist mit Gewalttaten und Körperverletzungen, Beteiligung an Hooligankrawallen, Gewaltandrohungen, Stalking, Doxxing, Finanzbetrug, Drogenbesitz, Verleumdung, Hassrede, Volksverhetzung, Rassismus, Diskriminierung und so fort. Als überführter Straftäter hat Robinson schon diverse Male im Gefängnis gesessen. Das Muster seines Vorgehens ist immer dasselbe: Erst wie ein Hooligan alles verbal kurz und klein schlagen, immer wieder neue kommunikative Brandstiftung betreiben, und sich dann bei Verurteilungen als Opfer darstellen. Ein Megatroll also.

Seine Autobiografie nannte er stolz ENEMY OF THE STATE, »höhöhö, schaut mal, Leute, ich bin Feind des Staates, krass oder????« Nach einer seiner diversen Verurteilungen veröffentlichte er 2023 das passende Opfervideo dazu: SILENCED, also quasi »Wie schrecklich, SNIFF, die böse Staatsgewalt hat mich jetzt doch echt ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT!!« Und jetzt wird es wirklich absurd: Seit Jahren kämpft Tommy Robinson als vermeintlicher Journalist für die Meinungsfreiheit, die ja ganz schlimm in Gefahr sei. 2019 bat er im Kontext einer Verurteilung in den USA bei Trump um Asyl, der Arme (nee klar, man darf echt nichts mehr sagen in Großbritannien). Das alles fand Musk nun offenbar so toll, dass er nicht nur einen Link zum Video Silenced auf X teilte, sondern auch noch gleich dazu aufforderte: »Free Tommy Robinson«, und kurz später die Frage nachschob: »Warum sitzt Tommy Robinson in Einzelhaft – obwohl er die Wahrheit sagt?« Ja, Elon, warum bloß?

Die gewalttätigen Krawalle im August 2024 hatte Robinson durch seine Posts auf X befeuert, Menschen skandierten Tommy Robinsons Namen. Und Musk schrieb: »Bürgerkrieg ist unvermeidlich.«

Der Krieg der Medien, um den es hier geht, ist kein abstraktes Theoriegebilde, sondern führt spätestens seit dem Sturm aufs US-Kapitol 2021 zu sehr realen Krawallen und Gewalttaten. Es ist ein Krieg, bei dem sich die Macht der Big-Tech-Plattformen mit populistischen Kräften verbündet hat. Steve Bannon, Vordenker der globalen Rechten, sagt dazu:

»Geld und Informationen sind die beiden taktischen Nuklearwaffen der modernen Politik – und Elon Musk kann beide in noch nie dagewesenem Ausmaß einsetzen [...]. Er hat gerade eine Viertelmilliarde Dollar ausgegeben, damit Trump gewählt wird. Wenn er die gleiche Summe in ganz Europa investiert, die er in Trump gesteckt hat, wird er jede Nation auf eine populistische Agenda umstellen. Es gibt keine zentristische linke Regierung in Europa, die in der Lage sein wird, diesem Ansturm standzuhalten.«

Europa ist gerade dabei, den Krieg der Medien zu verlieren. Wir verlieren ihn, und wir verlieren dabei unsere Demokratie. Und das alles kann nur geschehen, weil wir als Gesellschaft bis heute nicht einmal genau verstanden haben, was hier überhaupt passiert. Worum genau geht es also?

Articles & Services

Ausgezeichneter Autor

Ausgezeichneter Autor

Prof. Dr. Martin Andree ist Medienwissenschaftler und forscht seit über 15 Jahren zur Macht von Big Tech. Autor von »Atlas der digitalen Welt« und »Big Tech muss weg«, ausgezeichnet mit dem Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte

Die Macht der Tech-Milliardäre

Die Macht der Tech-Milliardäre

Aus dem Netz: „Fachleute sehen eine wachsende Bedrohung für liberale Demokratien, weil die Plattformen offenbar rechtspopulistische oder extreme Positionen bevorzugen – und Wahlen massiv beeinflussen können.“

Big Tech muss weg | Martin Andree

Vortrag von dem Medienwissenschaftler Dr. Martin Andree (Universität zu Köln) auf der Dreikönigstagung am 11. Januar 2023 in Zürich

Cyber-Libertarismus | Martin Andree

Aktuelle demokratiefeindliche Bewegungen werden stark durch Cyber-Libertarismus getragen – David Golumbia hat die Grundlagen dieses Denkens rekonstruiert. Aufgrund seiner Krebserkrankung hat er die Veröffentlichung nicht erlebt...

Voice of Digital | Martin Andree

Jeder spürt, wie sich die Macht im Internet auf wenige Plattformen konzentriert. Das freie Internet, wie es die Pioniere eigentlich im Sinn hatten, gerät mehr und mehr zur Illusion. Welche Folgen hat das für unsere demokratischen Grundstrukturen?

Heikle Nähe zu Musk, Zuckerberg und Co | ZAPP

„Nur, wer sich dem Fortschritt nicht verweigert, wird überleben“, verkündet Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner. Das Ziel: Den Verlag zum Technologiekonzern umbauen. Dafür pflegt er enge Kontakte zu US-Tech-Giganten wie Elon Musk und Mark Zuckerberg