Erfolgreiche Koproduktion

Schwerpunkt Nachdem es wenige Tage nach der Premiere in Berlin zum ersten Corona-Lockdown kam, kommt „Decamerone(Декамерон)“ jetzt – mehr als 1,5 Jahre später – zurück auf die Bühne des Deutschen Theaters und ist während „Radar Ost“ an vier Terminen zu erleben
Decamerone | mit Filipp Avdeev, Victoria Miroshnichenko
Decamerone | mit Filipp Avdeev, Victoria Miroshnichenko

Foto: Ira Polyarnaya

Es gilt als die Bibel des Erzählens schlechthin und eines der großen Geschichtenarsenale der Weltliteratur: Giovanni Boccaccios Decamerone (Декамерон), verfasst in den Jahren zwischen 1349 und 1353. Seine Rahmenhandlung setzt mit der Pest in Florenz ein, vor der zehn junge Frauen und Männer auf einen Landsitz vor der Stadt fliehen. Dort erzählen sie sich zehn Tage lang jeweils zehn Geschichten (Decamerone heißt übersetzt: „Zehn-Tage-Werk“). Es sind allesamt Überlebenserzählungen, die die leidenschaftliche Liebe feiern. Aus den insgesamt 100 Novellen hat der russische Regisseur Kirill Serebrennikov zehn Geschichten für zehn deutsche und russische Spieler:innen ausgewählt und ins Heute übertragen. Nicht auf einem toskanischen Landgut, sondern in einem profanen Gymnastikraum treffen Figuren unterschiedlichen Alters und sozialer Herkunft aufeinander. Hier trainieren auch fünf alte Frauen ihre Körper – Routinen gegen das Altern, den Tod. Die Bedrohung ist nicht in einem Außen verortet, sondern in der vergänglichen und verletzlichen Physis. Damit verschiebt Kirill Serebrennikov den Fokus von der antiklerikalen, subversiv erotischen Ausrichtung hin zu einer unheimlichen, existentiellen Körper- und Zeitbetrachtung, musikalisch strukturiert durch den Wechsel der Jahreszeiten. Die Musik stammt von Daniel Freitag, der Textpassagen eigens für die Inszenierung musikalisch vertont hat. Was hat noch Bedeutung angesichts der Vergänglichkeit? Die Liebe. Das gesprochene Wort.

Decamerone (Декамерон) ist eine deutsch-russische Koproduktion von Deutschem Theater und dem Moskauer Gogol Center und das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit unter schwierigen Bedingungen. Bereits für die Spielzeit 2018/19 war die Inszenierung am DT geplant, es sollte Kirill Serebrennikovs erste Schauspielinszenierung in Deutschland werden. Doch das Vorhaben scheiterte aufgrund eines Strafprozesses gegen den international bekannten Theater- und Filmregisseur. Von 2017 bis 2019 war er von den russischen Behörden unter Hausarrest gestellt worden. Die kurze Hoffnung, dass mit Ende des Hausarrestes endlich die Proben in Deutschland starten könnten, wurde von einem erneuten Ausreiseverbot zerstört. Kurzerhand entschieden das DT und das Moskauer Gogol Center zu kooperieren und die Proben mit einem deutsch-russischen Ensemble nach Moskau zu verlegen. Im März schließlich feierte Decamerone (Декамерон) seine erfolgreiche Premiere am Deutschen Theater. Wenige Tage später kam es im Zuge der Corona-Pandemie zum ersten Lockdown und weitere Auftritte oder gar die Premiere in Moskau wurden unmöglich. Jetzt, mehr als 1,5 Jahre später, konnte nicht nur die Premiere in Moskau nachgeholt werden, Decamerone kommt auch wieder zurück auf die Bühne des Deutschen Theaters und ist während Radar Ost an vier Terminen zu erleben.

28.09.2021, 17:53

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