Alice Schwarzer: „Ein Name, der polarisiert“

Arbeit am Film Die filmische Reise durch Alice Schwarzers Leben erzählt, wie sich ihre Ansichten entwickelt haben – in Zeitdokumenten und aktuell gedrehtem Material. Das Team hinter der Kamera beschreibt, wie es die Dreharbeiten mit der Frauenrechtlerin erlebt hat
Das Team um den Dokumentarfilm „Alice Schwarzer“ mit der Protagonistin
Das Team um den Dokumentarfilm „Alice Schwarzer“ mit der Protagonistin

Foto: Bettina Flitner

Sabine Derflinger

Regie

Alice Schwarzer, ihre Bücher, ihre Frauenzeitung Emma für viele Frauen zündende Funken auf dem Weg zu Selbstbefreiung und Emanzipation. Mit ihrer unbeugsamen Haltung, Frauenrechte als Menschenrechte zu begreifen, hat sie sich aber auch Feinde und Feindinnen geschaffen. Neuerdings auch unter jungen Feministinnen. Was sie geprägt hat, wie sich ihre Ansichten im Laufe der Geschichte der zweiten Frauenbewegung entwickelt haben, erzählt diese filmische Reise zwischen Paris und Deutschland. In Dokumenten und aktuell Gedrehtem erleben wir die Fernsehikone in ihrer öffentlichen Wahrnehmung, bei ihrer Arbeit und ganz privat.

Lisa Zoe Geretschläger

Editorin

Alice Schwarzer – ich kenne kaum einen anderen Namen, der so sehr polarisiert. Die Montage dieses Dokumentarfilms zählt definitiv zu den prägendsten und informativsten Arbeiten meines bisherigen Schaffens. Wenn ich jemandem erzählt habe, dass ich an diesem Film arbeite, hatte die Person oft schon eine vorge- fertigte, gefühlt – unverrückbare Meinung über Alice Schwarzer – in den meisten Fällen eine negative.

Dass man voll und ganz in das zu behandelnde Thema oder Milieu eintauchen kann, ist einer der Gründe, warum ich Montage so liebe. Gerade bei diesem Dokumentarfilm war es eine sehr berührende, aufregende, wie auch nervenaufreibende Reise. Es ist beein- druckend zu sehen, wie diese Frau – selbst in den schwierigsten Situationen
– ihren Prinzipien treu bleibt, kompro- misslose Gleichberechtigung verkörpert und sich an vorderster Front für die Rechte der Frauen einsetzt. Das spürt man im umfangreichen Archivmaterial
(an Fernsehauftritten Schwarzers mangelt es ja nicht), wie auch im großartigen, eigens für diesen Film gedrehten Material: beruflich mit ihren Emma-Kolleginnen und privat mit ihrer Ehefrau.

Natürlich muss man Alice Schwarzer nicht in allem uneingeschränkt zustimmen. Anerkennen sollte man jedoch, dass sie über Jahrzehnte hinweg mit zahlreichen, meist kontroversen, Vorschlägen schlichtweg ihrer Zeit voraus war. Viele ihrer Forderungen sind mittlerweile Realität. Ihre Aussagen werden jedoch, damals wie heute, gerne auf eine Headline oder einen Tweet reduziert, und viele nehmen sich nicht die Zeit, etwas von ihr Geschriebenes zu lesen, um sich eine eigene, differenzierte Meinung zu bilden.

Mit diesem Film wollen wir zeigen, was sie zu der Person gemacht hat, die sie heute ist, was sie geprägt hat, was sie antreibt, wofür sie steht und warum. Ich möchte den Film wirklich allen ans Herz legen – egal, ob man etwas mit Alice Schwarzer anfangen kann oder nicht, egal, ob man gleicher oder anderer Meinung als sie ist. Er ist für den politischen Diskurs und im Kampf für Gleichberechtigung wesentlich und äußerst sehenswert.

Nora Czamler

Sounddesign

Feminismus ist ein großes Wort, dessen Bedeutung gerade heutzutage eine gewaltige Vielfalt an Ansichten und Weltanschauungen in sich zu vereinen versucht. Der Begriff wird durch die Medien überstrapaziert und als Marke missbraucht. Dabei wird alles, was sich nicht durch einen Hashtag einordnen lässt, unter den Teppich gekehrt. Ein Klima, in dem ein profunder, inhaltlicher Diskurs nahezu unmöglich ist.

In einer solchen medialen Situation ist es äußerst erfrischend, in einem Film einer Frau zuzusehen, die Zeit ihres Lebens für ihre feministischen Ideale eingetreten ist, nie eine inhaltliche Konfrontation gescheut hat und stets bereit war, sich mit ihrem Gegenüber auseinanderzu- setzen, egal mit wem sie es zu tun hatte. Befindlichkeiten und Popularitätswerte spielen dabei keine Rolle. Dafür genießt Alice Schwarzer meinen tiefsten Respekt.

Meine Arbeit an dem Film war u.a. geprägt vom Impuls, Personen und Sachverhalten, die dort ihre Erwähnung finden, nachzurecherchieren und der schmerzlichen Erfahrung, dass der feministische Diskurs, wie er heute geführt wird, zwar emotional äußerst aufgeladen ist, mich allerdings mit gewaltigen Wissenslücken, dessen Historie betreffend, zurückgelassen hat. Vielen Dank, Sabine Derflinger, für diese Klarstellung!

Bettina Slamanig

Recherche

Beim ersten Treffen mit Sabine erklärt diese den Arbeitsauftrag: Alles über Alice Schwarzer zu recherchieren, was man wissen muss. Gar keine leichte Aufgabe bei der Fülle an Themen, die Schwarzer geprägt haben, oder die sie mitgeprägt hat. Um nichts Wichtiges zu übersehen, fällt die Wahl auf eine chronologische Herangehensweise, beginnend mit Schwarzers Kindheit im Wuppertal, ihre Ausbildung und journalistische Tätigkeit in Paris, bis hin zu den Anfängen der Frauenbewegung der 70er Jahre. Zwischen stapelweiser Primär- und Sekundärliteratur, reihenweiser Interviews und Artikeln in den Printmedien, sowie im Fernsehen und Radio, erfolgt immer wieder eine Rücksprache mit Sabine, in der die recherchierten Themen besprochen und diskutiert werden.

Die Treffen dauern manchmal mehrere Stunden und werden stets von Kaffee und Kuchen begleitet. Als besonders spannend erweist sich dabei der Austausch zwischen den Generationen, und bald stellt sich heraus, dass die vielen Themen, die Schwarzer und ihre Mitstreiterinnen damals beschäftigt haben, auch heute brandaktuell sind.

Mein Resümee:
Der Film Alice Schwarzer zeichnet in sehr persönlicher und einfühlsamer Weise ein wertschätzendes Porträt der Errungenschaften dieser Frau. Er greift ihre großen Themen auf, lässt auch Gegenstimmen zu Wort kommen und blickt hinter die Kulissen Deutschlands bekanntester Feministin.

06.09.2022, 14:55

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