„Ohne Tiere kommen keine Tourist:innen“

Regiekommentar „Black Mambas“ ist eine Reflexion über Werte: Werte von Menschen und Tieren in der Gesellschaft. Mit ihrer Dokumentation zeichnet Lena Karbe das komplexe Bild von Tier- und Naturschutz, Ökonomie und wirtschaftlichen Interessen im Kruger Nationalpark
Das Team und die Protagonistinnen von „Black Mambas“
Das Team und die Protagonistinnen von „Black Mambas“

Foto: jip film & verleih

Die Wildtierwirtschaft generiert nur Gewinne für lebende Tiere. Wenn es keine Tiere im Park mehr gibt, werden auch keine Touristen mehr kommen. Somit ist der Tierschutz der kommerzielle Motor der Ökonomie des Kruger Nationalparks. Tiere fungieren dabei oft auch als Projektionsfläche für die Touristen. Daher definieren die Autoritäten des Nationalparks den Unterschied zwischen „jagen“ und „wildern“ sehr genau: Wenn ein mit Spenden geschütztes und zum Seelenpartner verklärtes Wildtier getötet wird, ist der Jäger ein Mörder. Daher werden die lokalen „Wilderer“, vor allem im Netz, mit rassistischen Hassbotschaften der weißen Tierschützer überzogen. Wird stattdessen von einem Touristen eine Jagdlizenz für ein Wildtier gekauft, wird das Tier von den Rangern so lange geschützt, bis es auf einer Trophy-Safari erschossen wird. Gleichzeitig werden auch Menschen im Rahmen des Tierschutzes instrumentalisiert. „Black Mambas“ erzählt von den Auswirkungen, die Naturschutzmaßnahmen auf Menschen haben, wenn Ranger und Wilderer – ironischerweise – von der gleichen Seite des Zauns kommen.

Die Welt des Naturschutzes faszinierte mich schon als Kind. Erst später im Leben habe ich die Helden meiner Kindheit, wie Gerald Durrell oder George Adamson und ihre Taten jedoch in Frage gestellt. Waren diese weißen Männer wirklich MEINE Helden? „Black Mambas“ hinterfragt dieses archetypisch patriarchale Bild des Naturschützers: Können die Black Mambas Rangerinnen die Zukunft des Naturschutzes werden?

Es wäre zu leicht, jede Form des Naturschutzes als moralisch gut anzusehen. Nicht immer heiligen die Mittel den Zweck und so kann auch Naturschutz zu Kollateralschaden führen. Die Gründung des Kruger Nationalparks ist ein Beispiel dafür. Im Namen des Naturschutzes wurde die lokale Bevölkerung bewusst ausgeschlossen und fortan wurde ihnen der Zugang zu ihren Naturressourcen verwehrt. „Black Mambas“ interessiert sich für diese Ambivalenz des Naturschutzes. Hinter der Fassade der Black Mambas Anti-Wilderei-Einheit entdeckt man post-kolonialistische Machtdynamiken und Misogynie. Ungeachtet dessen profitieren die Protagonistinnen von der finanziellen Unabhängigkeit und dem Ansehen, die diese Arbeit mit sich bringt.

Am Ende des Films sollen die Zuschauer:innen sich selbst die Frage stellen: Handelt es sich hierbei um eine Form der Ausbeutung oder um Empowerment? Kann eine Ausbeutung zu Empowerment führen oder schließt sich beides systematisch aus? Schlussendlich soll die Ambivalenz der Black Mambas dazu inspirieren, unsere persönlichen Definitionen von Ausbeutung und Empowerment zu hinterfragen: Was meinen wir, wenn wir von Ausbeutung sprechen und welchen Preis können und wollen wir für ein selbstbestimmtes Leben zahlen?

17.11.2022, 08:19

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