Bedeutsame Einblicke in das „System Kruger“

Interview Naturschutz hat im Leben der Regisseurin schon immer eine große Rolle gespielt. Als sie in einem Artikel auf die rein weibliche Anti-Wilderei-Einheit der „Black Mambas“ im Kruger Nationalpark stieß, wusste sie sofort, dass das ihr neuer Film wird
Die überlebensgroße Statue von Paul Kruger im gleichnamigen Nationalpark in Südafrika
Die überlebensgroße Statue von Paul Kruger im gleichnamigen Nationalpark in Südafrika

Foto: jip film & verleih

Wie entstand die Idee, Ihren Film „Black Mambas“ zu machen und wann und wodurch haben Sie das erste Mal von den Black Mambas gehört?

Das Thema „Naturschutz“ hat mich immer schon sehr interessiert. In diesem Kontext bin ich zufällig auf einen Artikel über die südafrikanische Anti-Wilderei Einheit „Black Mambas“ in The Guardian gestoßen. In diesem Artikel ging es u.a. darum, dass in den lokalen Gemeinden rund um den Kruger Nationalpark etwa drei Millionen Menschen in 181 Dörfern und Städten leben. Von denen sind bis zu 80 % arbeitslos. Außerdem hat die lokale Bevölkerung in diesen Gegenden kaum einen Bezug zum Park, die wilden Tiere werden weiterhin als Erbe des „Weißen Mannes“ gesehen. Dieser Kontext hat mich sofort fasziniert und darüber wollte ich einen Film machen. Es wurde schnell klar, dass die „Black Mambas“ Rangerinnen perfekte Protagonistinnen für diesen Film sind: In ihrem Alltag erleben sie Konflikte und Widersprüche dieses sozialen Kontexts. Die Rangerinnen müssen einen Umweltpatriotismus in ihre Gemeinden bringen, die von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt sind und bis heute nicht von der Wildtierwirtschaft des Kruger Nationalparks profitieren konnten. Außerdem kommen die meisten „Bushmeat“- Wilderer aus denselben Dörfern und Städten, wo auch die „Black Mambas“ Rangerinnen herkommen. In ihrer Arbeit werden sie täglich mit einem großen moralischen Dilemma konfrontiert.

Wie wurden Sie dort innerhalb der Gesellschaft und innerhalb der „Black Mambas“ aufgenommen?

Black Mambas Rangerinnen arbeiten fast wöchentlich mit internationalen Media Crews und sehen es als Teil ihres Jobs. Diese Crews drehen meistens an 1-2 Tagen eine bereits final entwickelte Geschichte über die Frauenbrigade. In diesem Kontext war es uns sehr wichtig, unsere Arbeit von diesen kurzen journalistischen Formaten abzugrenzen. Schnell wurde klar, dass noch kein anderes Filmteam daran interessiert war, tiefer in die Geschichten der Black Mambas Rangerinnen einzusteigen. Uns ging es darum, zusammen mit unseren Protagonistinnen und über eine längere Zeit ihre „wahre“ Geschichte zu erzählen. Mit diesem Ansatz konnten wir sehr schnell ihr Vertrauen gewinnen. Dank dieses Vertrauenszuschusses konnten wir auch problemlos in den Gemeinden der Black Mambas Rangerinnen drehen.

Weshalb haben Sie sich gerade für diese drei Protagonistinnen entschieden?

Nkateko, Qolile und Naledi könnten nicht unterschiedlicher sein. Nkateko möchte Karriere im Naturschutz machen und träumt davon, Safari-Guide zu werden. Qolile arbeitet als Hundeführerin um ihre beiden Kinder zu versorgen, denn ihr Freund sucht vergeblich nach einem Job. Die junge Naledi möchte nicht wie ihre Mutter in einer Mine arbeiten und sieht ihre Arbeit bei den Black Mambas als Inbegriff der Frauen-Emanzipation. Nkateko und Qolile arbeiten in der Frauenbrigade seit ihrer Gründung, Naledi fängt während unserer Recherchereise ihre Arbeit bei den Black Mambas an. Diese unterschiedlichen Hintergründe unserer Protagonistinnen passten perfekt zu unserem Ziel, den sozialen Kontext durch die Lebenssituationen der Black Mambas abzubilden.

War es von Beginn an ein Ziel, die immer noch bestehenden postkolonialen Machtverhältnisse aufzudecken oder entwickelte sich dies erst im Laufe der Produktion?

Das Verhältnis zwischen dem „System Kruger“ und der lokalen Bevölkerung war von Anfang an ein zentrales Thema in unserem Film. Die Art es zu erzählen, entwickelte sich im Laufe der Produktion. „Black Mambas“ ist ein beobachtender und szenisch erzählter Dokumentarfilm. Das bedeutet, dass wir den Kontext nicht über Archiv-Material oder Interviews erzählen wollten. Am Anfang der Projektentwicklung dachten wir, dass die Konflikte des Films hauptsächlich durch Konfrontationen zwischen den Black Mambas Rangerinnen und den Wilderern oder ihren Familienangehörigen erzählt werden. Erst während der Dreharbeiten wurde uns klar, was für eine große Rolle die weißen Vorgesetzten im Film spielen werden.

Inwiefern wurde Ihre Produktion durch die Coronapandemie beeinflusst und ist nun der finale Film vielleicht auch anders als erwartet?

Die Coronapandemie hatte vor allem große logistische Auswirkungen auf den Film. „Black Mambas“ wurde mitten in der Coronapandemie über 2 Jahre hinweg an insgesamt 50 Drehtagen und in 4 Drehblöcken im Kruger Nationalpark und in den umliegenden Dörfern gedreht. Die Drehblöcke fanden zwischen den „Corona-Wellen“ in Südafrika statt. Die Dreharbeiten mussten mehrfach verschoben werden und konnten bei einer vollen Team-Bereitschaft jeweils erst 24 Stunden vor dem Abflug bestätigt werden. Auf bestimmte Erzählstränge musste außerdem verzichtet werden. Beispielsweise konnten wir keine Trophy Hunting oder Safari Touristen im Park mit der Kamera begleiten, da der Tourismus während unserer Dreharbeiten fast komplett eingestellt wurde.

Welche weiteren Herausforderungen hatten Sie während des Drehs?

Eine weitere große Herausforderung war es, den Film komplett in Originalsprachen zu drehen. Obwohl die Protagonistinnen gut Englisch sprechen, fühlte es sich für sie authentischer an, ihre Muttersprachen im Film zu verwenden. Einige Szenen mussten dadurch intuitiv, ohne Übersetzung, gedreht werden. Nach jedem Drehblock wurde das gesamte Material übersetzt und in den Drehpausen wurden geschnitten. So konnten wir gut auf das Material reagieren und die weiteren Drehblöcke entsprechend vorbereiten.

Ist Naturschutz etwas, das Ihnen persönlich sehr am Herzen liegt? War es für Sie ein Anliegen, das Thema „Nationalpark“ auch aus einer anderen Perspektive zu beleuchten?

Ich habe mich schon als Kind sehr für Naturschutz interessiert, wie ganz viele in den Ländern des „globalen Nordens“. Dabei sprechen wir, meiner Meinung nach, viel zu wenig über die post- kolonialen Aspekte des Naturschutzes. Der südafrikanische Kruger Nationalpark ist ein gutes Beispiel dafür. Denn die Geschichte des Parks fußt von jeher auf der Exklusion der schwarzen Bevölkerung. Als Teil eines politischen Versuchs eine nationale Identität zu formen, wurde er 1926 gegründet, um die afrikaans- und englischsprachige Bevölkerung zu vereinen. Doch die lokalen Gemeinden zahlten einen hohen Preis. Einige Stämme wurden zwangsumgesiedelt, um mehr Platz für die Tiere zu schaffen. Zudem wurde bis zum Sturz des Apartheid-Regimes 1994, für die lokale Bevölkerung der Besuch oder eine Beschäftigung im Park stark eingeschränkt. Diese Widersprüche wollten wir im Film aufzeigen, mit der Hoffnung, dass die ZuschauerInnen mehr Empathie für die lokale Bevölkerung, die sich vom Naturschutz nicht angesprochen fühlt, entwickeln.

Warum war es Ihnen wichtig, in Ihrem Film verschiedene Perspektiven darzustellen, auch die der Wilderer?

Unser Ziel war es, mit dem Film ein Gefühl für das ambivalente und postkoloniale „System Kruger“ zu geben. Dafür was es notwendig, diverse Perspektiven darzustellen. Die erste dramaturgische Ironie des Films liegt daran, dass Black Mambas Rangerinnen und Wilderer von der gleichen Seite des Zauns kommen. Der Leiter der Black Mambas äußert sich kritisch zum Nationalpark und nennt diesen „die letzte Bastion der alten weißen Kolonialmentalität“. Ironischerweise entspricht diese Meinung der eines schwarzen Wilderers, der im Film sagt, die Gründer des Parks hätten nicht daran gedacht, ob die schwarzen Menschen etwas zu essen haben. Es ist so, als ob alle ProtagonistInnen im Film eigentlich einer Meinung darüber sind, wo die Probleme liegen, an dem festgefahrenen System können sie aber nichts ändern.

17.11.2022, 08:19

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