Wie ist die Idee zu „Kinder der Hoffnung“ entstanden?
Nachdem ich meinen letzten Film „Schnee von gestern“ fertiggestellt hatte, der sich mit den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs beschäftigte, war mir klar, dass es nun an der Zeit war, sich mit dem zu beschäftigen, was nach diesem Krieg kam – Israel. Ich wusste, dass es nicht einfach sein würde, den richtigen Weg zu finden, um sich diesem Thema zu nähern. Über Israel zu sprechen ist ein echtes Minenfeld. Es ist komplex, es sind viele Emotionen im Spiel, die Diskussion ist hitzig, es gibt so viele offene Wunden. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um den richtigen Weg zu finden. Was ist für mich besonders wichtig? Was will ich verstehen? Was wurde bisher noch nicht gesagt und aufgearbeitet? Und mir wurde klar, dass wir das sind. Die erste Generation, die in dieses Land hineingeboren wurde, frei von der Diaspora. Einerseits – ein wahr gewordener Traum, von dem Generationen von Juden vor uns nur geträumt haben. Andererseits – ganz normale Menschen aus der Mittelschicht, mittleren Alters, mitten in Israel, die eine gewisse Hoffnungslosigkeit entwickelt haben. Das ist genau die Art von Menschen, die man nie auf der Leinwand oder in den Nachrichten sieht. Aber wenn man Israel verstehen will, wenn man verstehen will, was es geworden ist, muss man sie, also uns, verstehen. Und man muss ihre ganz spezielle Hoffnungslosigkeit verstehen.
Aber Sie haben viele Jahre in Deutschland gelebt. In gewisser Weise erzählen Sie die Geschichte eines Landes, dem Sie nicht mehr wirklich angehören.
Viele Israelis würden dieser Aussage zustimmen. Aber ich denke, das stimmt nicht ganz. Ich denke, dass die physische Anwesenheit in einem Land nicht die einzige Möglichkeit ist, ein Teil davon zu sein. Die Rolle der Ausgewanderten ist ebenso Teil einer Gesellschaft wie die derer, die bleiben. Manche Dinge kann man nur von außen erfahren. Aber auch auf einer persönlicheren, emotionalen Ebene – wie ich im Film sage – gibt es bestimmte Orte, die man nie wirklich verlassen kann. Vor allem dann, wenn man so erzogen wurde wie wir, nämlich in dem Glauben, dass es unsere Verantwortung, unsere historische Rolle ist, in diesem Land zu bleiben und es weiter aufzubauen.
Hatten Sie vor den Dreharbeiten zu diesem Film Kontakt zu Ihren Klassenkamerad:innen? Wie haben Sie sie gefunden?
Ehrlich gesagt, nein. Ich habe die meisten von ihnen seit der Grundschule nicht mehr gesehen. Aber... nun ja. Soziale Medien. Bei meinen Nachforschungen wurde ich zu einer Art Stalker. Es gab eine, die ich online nicht finden konnte, weil sie nach der Heirat ihren Namen geändert hatte. Schließlich fragte ich meine Eltern, die damals noch in der alten Nachbarschaft wohnten, ob sie eine Ahnung hätten, was aus ihr geworden sei, und meine Mutter sagte sofort: ja. Sie habe die Mutter dieses Mädchens neulich im Supermarkt getroffen. Schließlich ist Israel ein sehr kleines Land und Petach Tikva, dort wo der Film spielt, ist eben noch kleiner.
Und wie war es? Ihre Klassenkamerad:innen nach so vielen Jahren wieder zu treffen?
Was mich wirklich erstaunt hat, ist, dass ich immer noch das Gefühl hatte, sie zu kennen, als wir uns wiedersahen. Wenn man jemanden schon seit so jungen Jahren seines Lebens kennt, entsteht eine seltsame Vertrautheit. Wir wissen Dinge übereinander, die selbst die Menschen, die uns jetzt am nächsten stehen, nicht wissen. Ich weiß, wie es in den Häusern ihrer Kindheit roch. Ich weiß, wie ihre Kinderzimmer aussahen. Ich erinnere mich an ihre Eltern. Wer sie waren, bevor das Leben begann. So gab es oft eine unmittelbare Nähe, die meiner Meinung nach auch in den Interviews sehr präsent ist, wenn sie vor der Kamera sitzen.
Aber dennoch, wenn Sie Ihre Klassenkamerad:innen im Film treffen, sprechen Sie kaum über die Vergangenheit.
Ja, es war mir sehr wichtig, keinen „Wiedersehensfilm“ zu machen. Ich wollte sehen, wer wir jetzt sind, wer wir geworden sind. Ich wollte nicht in Nostalgie verfallen. Die Vergangenheit kommt im Film nur durch meine Stimme vor. Und es wird von einer kollektiven Vergangenheit gesprochen. Ich spreche in der Wir-Form. „Wir wurden hineingeboren“, „Wir waren dazu bestimmt“, „Unsere Eltern“, „Unsere Großeltern“. Es war ganz natürlich für mich, es so zu erzählen. Ich weiß, das ist aus europäischer Betrachtung manchmal schwer zu glauben, aber in gewisser Weise haben wir gelernt, uns als ein Kollektiv zu betrachten. Wie Bienen in einem Bienenstock.
Diese „kollektive Vergangenheit“, wie Sie es nennen, kommt durch das Archivmaterial, das Sie als Begleitmaterial für Ihren Voice Over verwenden, noch stärker zum Ausdruck.
Für mich war es wichtig, dass das Archivmaterial eine Collage von Homevideos aus verschiedenen Familien ist. Es sollte aus so vielen verschiedenen Schnipseln bestehen, dass es nicht darum geht, zu erraten, wer wer ist. Ein bisschen wie in Alan Berliners „Family Album“. Das sind wir alle, das sind alle unsere Familien. So kann der Film ein größeres Bild zeigen und die Geschichte einer Generation erzählen, anstatt sich in den feinen Unterschieden zu verlieren.
Ist „Kinder der Hoffnung“ ein politischer Film?
Für mich ist es ein sehr politischer Film, obwohl er nur eine Seite des politischen Dramas zeigt. Aber eigentlich sind die anderen, die Palästinenser:innen, überall präsent, wie der Elefant im Raum, über den niemand spricht. So werden sie zu dieser Hauptsünde, die wir alle mit uns herumtragen. Dennoch war es mir wichtig, nicht in diese „Wir und die anderen“-Gleichung zu geraten. Ich wollte mich auf das „Wir“ konzentrieren und Israel zwingen, sich zu fragen, was aus uns geworden ist. Wer wollten wir sein? Wohin gehen wir?