Wie in den meisten seiner Filme ist der Regisseur Suleiman auch in seinem neuesten Film „Vom Gießen des Zitronenbaums“ beides – Protagonist und Erzähler. Ein Wanderer zwischen den Welten. Er erzählt von seinem Staunen über das So-Geworden-Sein der Welt: Ein Mann zieht von Nazareth erst nach Paris, dann nach New York. Er betrachtet seinen Nachbarn in Nazareth, der verdächtig oft um seinen
Zitronenbaum schleicht, mit dem gleichen offenen Blick, mit dem er auch die französischen Polizisten in Paris betrachtet, die das Café vermessen, in dem er gerade seinen Kaffee trinkt. Durch sein Erstaunen über die alltäglichen Dinge des Lebens sieht der Zuschauer auf seine eigene, sonst so vertraute Umgebung mit anderen Augen.
Suleiman hat ein großes Talent, die kleinen Feindseligkeiten und Egoismen des Alltags, die unter der Decke der anerzogenen Umgangsformen beharrlich ihr Eigenleben führen, in ihrer Absurdität freizulegen. Der Verzweiflung, die dabei aufkommen mag, begegnet der Regisseur mit stillem Spott und feinem Humor. Elia Suleiman gelingt mit jedem seiner Filme das Wunder, inmitten der brutalen Unversöhnlichkeiten des Lebens sanfte Tränen und befreiendes Gelächter zu erzeugen.
Die Panzer, die durch das romantische Paris rollen, sind am Ende kein Traum, sondern Bilder einer Militärparade. Beruhigend. Wirklich beruhigend? Suleiman sagt über seinen aktuellen Film, dass er sein lustigster ist – und fügt hinzu: Das sagt viel über den Zustand der Welt aus.
Elia Suleiman wurde 1960 in Nazareth geboren und lebte von 1981 bis 1993 in New York, wo seine Filmkarriere begann. Seine ersten, dort realisierten Kurzfilme gewannen mehrere Preise. 1994 zog er nach Jerusalem, um dort im Auftrag der EU die Film- und Medienabteilung an der Birzeit-Universität aufzubauen. Suleimans erster Spielfilm CHRONIK EINES VERSCHWINDENS wurde 1996 auf dem Filmfestival in Venedig ausgezeichnet.
2002 gewann GÖTTLICHE INTERVENTION – EINE CHRONIK VON LIEBE UND SCHMERZ in Cannes den Preis der Jury und den Europäischen Filmpreis für den besten nicht-europäischen Film. THE TIMES THAT REMAINS lief 2009 im Wettbewerb von Cannes. Der Episodenfilm 7 TAGE IN HAVANNA, zu dem neben Elia Suleiman sechs weitere hochkarätige Regisseure eingeladen waren, einen Kurzfilm beizusteuern, feierte 2012 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes seine Weltpremiere in der Sektion Un Certain Regard.
„Vom Gießen des Zitronenbaums“ feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb von Cannes 2019 und wurde mit dem FIPRESCI-Preis für den Besten Spielfilm sowie mit einer lobenden Erwähnung der internationalen Wettbewerbsjury ausgezeichnet. Der Film ist der palästinensische Kandidat im Rennen um die Oscar®- Nominierung als Bester Internationaler Film.