Bilder großer Einsamkeit

Zum Film Ort totaler Isolation: In seinem einzigartigen Dokumentarfilm „Wettermacher“ fängt der preisgekrönte Regisseur Stanislaw Mucha in großartigen Bildern die eigenwillige Schönheit der sibirischen Tundra und ihrer Bewohner:innen ein
Leuchtturm auf „Chodowaricha“ im Schnee
Leuchtturm auf „Chodowaricha“ im Schnee

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W-film / Zinnober Film

Nahe des sibirischen Polarmeers liegt die Wetterstation „Chodowaricha“, auf der die drei Meteorologen Wladimir, Sascha und Alexander das Wetter beobachten. Sie leben und arbeiten dort in völliger Isolation: nur einmal im Jahr bringt ein Polarschiff lang ersehnte Vorräte.

Das alltägliche Miteinander scheint zunächst friedlich, doch die andauernde Einsamkeit fordert schleichend ihren Tribut und lässt Spannungen zwischen den Meteorologen wachsen. Vor allem der wortkarge Wladimir, über dessen Vergangenheit mehr und mehr düstere Details als Licht kommen, bringt Unruhe auf die Insel.

Aber auch Schneestürme und halbverhungerte Eisbären sind omnipräsente Gefahren, mit denen sich die Wettermacher konfrontiert sehen. Vor dem stets greifbaren Wahnsinn bewahren sie nur die sporadischen Besuche einiger Nomaden, russische Popsongs und nicht zuletzt der Wachhund Jack.

Hintergrund

Die Siedlung „Chodowaricha“ war schon seit ihrer Gründung im Jahr 1933 aufgrund ihrer exponierten arktischen Lage besonders wichtig für die gesamte Polargegend. In den 1930er Jahren wurde der Russische Norden mit einem Netz von insgesamt 22 Wetterstationen überzogen. „Chodowaricha“ ist eine davon, und zwar die älteste und fernste. Sie ist auch die einzige, die sich in einem Leuchtturm befindet und die einzige, die bisher durch das Militär nicht übernommen oder computerisiert wurde.

Doch wie kommt es überhaupt, dass das Wetter auf der Insel noch per Hand gemessen wird? Viele Argumente scheinen dagegen zu sprechen: Wie soll ein Sensor den Wassergehalt im Schnee in dieser Kälte messen können, wenn er nur bei einer Betriebstemperatur von Null Grad aufwärts funktioniert? Wie kann eine Maschine die Wolken beobachten und die Wasserströmungen oder die Radioaktivität im Meereswasser messen, wenn sich derMeeresspiegel ständig verändert? Diese widrigen Bedingungen sind nichts für Elektronik. Dazu kommt, dass die Verbindung zu den Satelliten und der Zentrale bei magnetischen Polarlichtern manchmal wochenlang ausbleibt. Dann müssen die Meteorologen improvisieren und die Daten sogar mit Hilfe des Morse-Alphabet übermitteln. Die Antwort liegt darin, dass die hier sehr häufig auftretenden Polarlichter mit ihren magnetischen Entladungen jegliche Elektronik lahm legen oder immer wieder unbrauchbar machen. Dann funktioniert nur noch die altmodische Technik. So bleibt diese Wetterstation wegen ihrer einmaligen Lage ein sehr wichtiger und unverzichtbarer Datenlieferant: Der Leuchtturm steht nämlich genau auf dem Zipfel der Halbinsel, an dem sich unterschiedliche Luft- und Meeresströmungen treffen. Diese hier gemessenen komplexen Daten beeinflussen entscheidend die Genauigkeit der arktischen Wetterprognosen. Damit ist diese Wetterstation das sprichwörtliche Zünglein an der Waage bei den Beobachtungen des arktischen Wetters.

Nach dem Dreh vom „Wettermacher“ war die Wetterstation auf „Chodowaricha“ lange unbesetzt. Aktuell arbeiten dort wieder zwei junge Männer. Frauen sollen in Zukunft nicht mehr auf der Insel arbeiten – das habe in der Vergangenheit zu zu vielen Konflikten geführt.

15.08.2022, 18:45

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