Es war einmal, vor langer, langer Zeit eine Partei, die nannte sich sozialistisch oder sozialdemokratisch und wurde gegründet, um sich für die Arbeiter einzusetzen und deren Interessen wahrzunehmen. Dafür wurde sie von den Unternehmern gehasst, denn deren Interessen waren jenen der Arbeiter entgegengesetzt. Der Staat schlug sich zeitweilig auf die Seite der Unternehmer, erließ ein Gesetz, das die Arbeiterpartei verbot, konnte aber deren Aktivisten nicht mundtot machen, denn die waren mutig, aufrecht und wussten, wofür sie kämpften. Es war einmal, vor langer, langer Zeit, ein Führer dieser Partei, der sagte voll Zuversicht: "Die SPD ist wehrlos, aber nicht ehrlos."
Wehrlos ist die SPD heute nicht mehr. Ist sie dafür ein wenig ehrloser geworden? Die Arb
n? Die Arbeiterpartei von einst hat sich zunehmend dem Kapital angenähert. Nicht dem von Karl Marx, sondern jenem , das nach seiner Analyse in einem Konflikt steht zu eben jener Arbeit, die traditionell die Domäne der SPD war. Dafür wird die SPD von den Unternehmern nicht mehr gehasst und bekämpft, sondern umarmt.Es war einmal, vor langer, langer Zeit, da galt in den Arbeiterparteien der Grundsatz: "Wenn dich dein Gegner lobt, frage dich, was du falsch gemacht hast." Unternehmer streben nach Profit. Das ist ihr Geschäft. Die Arbeiter und Angestellten wollen höhere Löhne und Gehälter. Beides kann man nicht haben. Die einstige Arbeiterpartei hat ihren Frieden gemacht mit den Gegnern von früher. Ihre Spitzenfunktionäre fühlen sich unter diesen genau genommen wohler als bei der Bezirksversammlung. Die Wirtschaft braucht sich vor dieser SPD nicht zu fürchten. Sie hat sie in der Hand. Für eine Zulassung von ausländischen Arbeitnehmern ist diese SPD genau dann, wenn die Industrie, nicht wenn die Menschlichkeit oder internationale Solidarität - ein längst vergessener Begriff - es fordern. Dass Oskar Lafontaine diese Wende nicht mitmachen wollte, ist der tiefere Sinn seines Rücktritts und erklärt die üble Nachrede: Schurken mögen kein personifiziertes Gewissen, das sie an ihren Verrat erinnert.Was die sozialdemokratischen Politiker von heute charakterisiert, ist ihre völlige Beziehungslosigkeit zur Arbeiterbewegung. Sie sind Karrierepolitiker, die es zufällig oder weil sie sich dort die besten Chancen ausgerechnet hatten zur SPD oder zur SPÖ verschlug. Sie könnten ihren Ehrgeiz ohne Probleme auch in einer anderen Partei stillen. Caspar Einem, bis vor einem halben Jahr österreichischer Wissenschafts- und Verkehrsminister, wird jetzt Konsulent eines Sicherheitsunternehmens. Dieser Karrierist par excellence brachte es zuwege, sich als der einzige Linke in der Regierung zu bezeichnen und zugleich in einem Kommentar aus dem Jahre 1998 zu schreiben, die alte Ordnung in "Gut" und "Böse", in "Rechts" und "Links" sei durch den Zusammenbruch des kommunistischen Systems zerfallen und habe viele orientierungslos gemacht. Gibt da ein Sozialdemokrat den Begriff der "Linken" an die Kommunisten preis? Wie anders sollte die Unterscheidung von "Rechts" und "Links" mit dem Zusammenbruch des autoritären Sowjetsystems zerfallen sein? Und bedeutet die Parallelisierung, dass Einem dem Begriff "Links" "Böse" und dem Begriff "Rechts" "Gut" zuordnet, oder umgekehrt? Lässt sich nicht nach wie vor sehr eindeutig benennen, ob eine Politik, die Unterprivilegierten nützt, gut und links oder böse und rechts ist? Fällt es einem etwa schwer, bestimmte Äußerungen Jörg Haiders mit diesem Kategoriensystem, dieser angeblich zerfallenen "Ordnung" zu qualifizieren? Wie will einer linke Politik machen, wenn er der Ansicht ist, dass es sie mangels einer Orientierung nicht geben kann?Wohl wahr: die Attribute "links" und "rechts" lassen sich nicht mehr blindlings jenen Parteien zuordnen, mit denen sie einst, vor langer, langer Zeit, untrennbar verbunden waren. Ein Geissler oder ein Blüm ist in vieler Hinsicht "linker" als so mancher SPD-Funktionär.Dieses Märchen hat leider nicht den positiven Schluss, den die Gattung eigentlich verlangt. Denn in die Lücke, die die traditionelle Arbeiterpartei hinterlässt, stürmen Leute wie Jörg Haider. Seine Partei hat unter jenen Enttäuschten die größten Gewinne gemacht, die früher sozialdemokratisch wählten. Ob er für ihre Interessen eintreten wird, kann keiner wissen. Soviel aber ist den alten Sozis klar: dass sie von jenen, die von den Wirtschaftsbossen gelobt werden, von jenen, die bei erster Gelegenheit selbst Bosse und Interessenvertreter der Industrie werden, nichts zu erwarten haben. Und wer da meint, so etwas könne in Deutschland nicht passieren, wird sein blaues Wunder erleben.