Als eine der wenigen sichtbaren Errungenschaften der letzten großen Koalition (2005-2009) gilt die vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufene Deutsche Islamkonferenz, die von der nun regierenden bürgerlichen Koalition unter Schäubles beiden Nachfolgern, zuerst Thomas de Maizière (CDU), danach Hans-Peter Friedrich (CSU), fortgeführt wird. Von dieser Konferenz sollte das Signal an die in Deutschland lebenden Muslime ausgehen, dass sich die Politik ihren spezifischen Ansprüchen zuwende und der Islam auch im Bewusstsein der Bundesregierung ein elementarer Teil der deutschen Gesellschaft darstelle.
Missverständnisse, die sich aus religiös motiviertem, von der Mehrheitsgesellschaft abweichendem Verhalten ergäben,
#228;ben, sollten über den Dialog miteinander ausgeräumt werden. Darüber hinaus zielte die Konferenz dem eigenen Selbstverständnis nach darauf ab, die öffentliche Anerkennung des Islam als Körperschaft öffentlichen Rechts sowie den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft gleichgestellte Religion vorzubereiten.Vor diesem Hintergrund werden zu den alljährlich stattfindenden Konferenzen muslimische Verbandsvertreter und landesweit bekannte Muslime eingeladen. Von ihnen wird erwartet, im Austausch mit dem Bundesinnenminister Konzepte zu finden, in welcher Form die Muslime ihre Religion in Deutschland präsentieren können, um den Islam in Kompatibilität mit den Werten des Grundgesetzes in der Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen.Islam-Zerrbild wegen willkürlicher Auswahl der Konferenzteilnehmer Bei der Majorität der in Deutschland lebenden Muslime trifft diese Konferenz jedoch bislang auf wenig Interesse. Die Ursache dafür liegt nicht zuletzt in der personellen Zusammensetzung, von der man sich und seinen Glauben nicht repräsentiert sieht.Mag es verständlich erscheinen, die muslimischen Vereine nicht alleine über die dort teilnehmenden Muslime entscheiden zu lassen. Die vollständige Ausladung des Islamrates, eines der größten bundesweiten Islamverbände, mutet schon wie eine gezielte Selektion seitens der Initiatoren an.Wenn jedoch als sogenannte „verbandsunabhängige Muslime“ in erster Linie profilierte Kritiker des Islam auftreten, die sich nicht nur von der religiösen Ansicht des „Mainstreammuslims“ weit entfernt haben, sondern die eigene Religion permanent mit Negativattributen wie „patriarchalisch, gewaltförderlich oder rückständig“ belegen, wird der Anspruch einer gleichberechtigten Respektierung des Islam durch die Politik neben Juden- und Christentum von vorn herein verfehlt. Vielmehr erhält der Islam damit ein öffentlich sanktioniertes Stigma. Ressentiments, die in der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft aus Unkenntnis entstanden sind, können von „muslimischer“ Seite Bestätigung erfahren.Den Muslimen wird indirekt suggeriert, eine Vereinbarkeit ihrer religiösen Praxis mit dem deutschen Grundgesetz sei nur zu erreichen, wenn man die Randpositionen jener politisch ausgewählten „Repräsentanten“ übernehme und sich vom Kern der islamischen Lehre distanziere. Dahinter verbirgt sich die Assoziation von Integration mit Assimilation und Anerkennung einer von oben vorgegebenen „Leitkultur“.Nicht nur steht jener Kulturalismus dem Geist des deutschen Grundgesetzes entgegen, der Minister lässt erkennen, dass er am vorgegebenen Ziel, den Muslimen von staatlicher Seite entgegenzukommen, in der Realität nicht interessiert ist. Die Konferenz wird als Propagandaveranstaltung entlarvt, um nach außen hin als „dialogbereit“ zu gelten, sich zugleich aber der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Islam und mit den Anliegen der muslimischen Majorität in diesem Land nicht stellen zu müssen. Das Versprechen des staatsrechtlichen Entgegenkommens den Muslimen braucht man mutmaßlich nicht einzulösen, angesichts der Tatsache, dass kaum ein von seiner Religion überzeugter Muslim sich an Vorbildern orientieren wird, die dem Islam generell reserviert gegenüber eingestellt sind.Populäre Islamressentiments werden politisch konserviertDer Vertrauensbildung des Staates gegenüber den Muslimen schadet vor allem die Themenvorgabe durch den gastgebenden Minister, zumal bislang Diskussionen über Sicherheitsfragen und gewaltbereiten Islamismus im Vordergrund standen, während islamfeindliche Einstellungen innerhalb der Mehrheitsbevölkerung weitgehend ausgeblendet blieben. Letztlich ist auch die als Ursprungsziel vorgegebene körperschaftsrechtliche Anerkennung der Islamverbände fast vollständig aus dem Blickfeld geraten, was bereits vor zwei Jahren den Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) veranlasste, an den Konferenzen nicht mehr teilzunehmen, aber auch für die immer geringeren Erwartungen der noch teilnehmenden Verbände als wesentlich gilt.In dieser Form dient die Konferenz der Verfestigung eines ressentimentbeladenen Islambildes in der Mehrheitsbevölkerung, nicht aber der Integration des Islam in den staatlichen und gesellschaftlichen Alltag. Engagierten, an der Gemeinheit interessierten Muslimen, wird auf diese Weise der Zugang zu verantwortungsvollen Gemeinschaftsaufgaben erschwert und der Weg in die Parallelgesellschaft gewiesen.Die Islamkonferenz sollte vollständig neu konzipiert werden, in dem ausschließlich Vertreter dorthin entsandt werden, mit denen sich die Majorität der Muslime identifizieren kann und die angesichts ihres Basisbezugs eigenständig die Themen vorzugeben in der Lage sind. Schließlich käme niemand auf die Idee, bei offiziellen staatlichen Dialogveranstaltungen mit der katholischen Kirche den Vorsitzenden der deutschen Bischofkonferenz auszuladen, sofern man selbst, als mutmaßlicher Dialogpartner, dessen Ansichten und theologische Positionen nicht teilt. Eine ernsthafte zielführende Diskussion entsteht schließlich durch argumentativ ausdiskutierte Meinungsverschiedenheiten mit hierauf aufbauender Konsenssuche.Erst ein Dialog, der die Lebenswirklichkeit der Muslime in Deutschland angemessen wiederspiegelt, ist in der Lage, den Islam, der bereits seit Jahrzehnten elementarer Teil Deutschlands darstellt, auch ins demokratische gesellschaftspolitische System zu integrieren.