Vor dem 4. Juni - Zeremonie für Hu Yaobang

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Samstag, 22. April 1989

Um zehn Uhr vormittags wird die amtlich angesetzte Trauerzeremonie für Hu Yaobang in der Großen Halle des Volkes abgehalten. Staatsvorsitzender Yang Shangkun steht der Zeremonie vor, und Zhao Ziyang hält als Generalsekretär der KP Chinas die Trauerrede. Fünfzehn Minuten vor Beginn der Zeremonie ist Deng Xiaoping anwesend, und auch Zhao Ziyang, Li Peng, Wan Li, Qiao Shi und andere Spitzenkader treffen ein. Es gibt Nachrichten, denen zufolge Hu Yaobangs Familie eine Teilnahme des Vizedirektors der zentralen beratenden Kommission Bo Yibo sowie den stellvertretenden Sekretär der zentralen Kommission für Disziplin Wang Heshou an der Zeremonie teilnehmen zu lassen. Bo und Wang waren von der "61-Verräter-Affäre" betroffen gewesen. Nach dem Ende der Kulturrevolution hatte Hu Yaobang als damaliger Direktor der Organisationsabteilung des Zentralkomitees der Partei, die Urteile [aus der Zeit der Kulturrevolution] gegen beide aufgehoben, obwohl er unter erheblichem Druck gestanden hatte, das nicht zu tun. aber Ende 1986, als Hu Yaobang als Generalsekretär der Partei abgesetzt wurde, waren Bo und Wang die hauptsächlichen Schurken [die gegen ihn arbeiteten].


Das taiwanische Fernsehen sendete - lt. diesem Youtube-Kanal - am 22. April diese Bilder vom Platz des Himmlischen Friedens in Beijing.


Die Berichterstattung des chinesischen Fernsehens folgte dem für zentrale Trauerzeremonien üblichen Skript.

Um etwa 11:40 endet die Zeremonie, und Qiao Shi, Hu Qili, Song Ping sowie der Leiter des Parteisekretariats für allgemeine Angelegenheiten Wen Jiabao begleiten den Sarg zusammen mit Hu Yaobangs Witwe Li Zhao zum Krematorium in Babaoshan. Das Krematorium liegt etwa 15 Kilometer vom Platz des Himmlischen Friedens entfernt, Menschen drängen sich entlang der Chang-An-Road und auf den daran liegenden Gebäuden, und viele winken dem Wagen zu. Hu Yaobangs Sohn Hu Deping legt beide Hände vor seine Brust, um seinen Dank zur Menge auf traditionelle Weise auszudrücken. Etwa dreitausend Polizisten und Soldaten sind auf dem Platz des Himmlischen Friedens und auf der Chang-An East Road.

Li Peng notiert in seinem Tagebuch1), dass die Beijinger Polizeivertreter um drei Uhr morgens mit den Studentendelegierten gesprochen und sie gebeten hätten, sich auf dem Platz in Richtung Osten zu bewegen, damit die Autos am Osttor der Großen Halle des Volkes durchkämen, und die Studenten hätten dem zugestimmt.

Ein Ersuchen der Studenten, Delegierte zur Trauerzeremonie zu entsenden, wurde abgelehnt. Yuan Zhiming, ein Ko-Autor des Films River Elegy, sowie weitere Schriftsteller und Autoren, sind ebenfalls auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Mit dem Beginn der Zeremonie um zehn Uhr schweigen Zehntausende von Studenten und stehen auf, um ihren Respekt auszudrücken. Sie singen die Nationalhymne, einige unter Tränen, und die Atmosphäre ist feierlich und respektvoll. Studenten auf der Chang-An-Straße (West), die den Platz nicht betreten konnten, tragen schwarze Armbinden, weiße Blumen, und heben Banner mit Aufschriften wie "Hu Yaobang, die Beijing-Universität trauert um dich" und "Die University of Political Science erweist die letzte Ehre".

Zehntausende Menschen hoffen, Hu Yaobang auf seinem letzten Weg begleiten zu können. Als sie erfahren, dass der Wagen mit dem Sarg bereits auf dem Weg nach Babaoshan ist, werden sie wütend. Drei Forderungen werden in einer Petition zusammengefasst:

  1. der Wagen mit dem Sarg soll den Platz des Himmlischen Friedens einmal umfahren
  2. ein Dialog mit Li Peng und
  3. offene Berichterstattung über die Trauerhandlungen der Studenten an diesem Tag.

Um 12:50 knien Guo Haifeng und Zhang Zhiyong von der Beijing-University sowie Zhou Yongjun von der University of Political Science and Law mit den Sieben Forderungen [vom 18. April] vor den Eingangsstufen der Großen Halle des Volkes. Lange Zeit gibt es keine Reaktion. Zehntausende Studenten und Zuschauer drücken ihre Unterstützung aus, und ab und zu hört man Rufe. Eine große Zahl von bewaffneter Polizei und Truppen der Volksbefreiungsarmee grenzen den Eingangsbereich ab. Aus der Menge hört man Kommentare wie "so sieht die Angst der Offiziellen aus". Die Menge beginnt, die Truppen zu verspotten. Einige Studenten und andere Menschen bewegen sich nach vorn, und es kommt zu Reibereien mit den diensttuenden Offizieren. Die Schübe, vor und zurück, dauern etwa fünfzehn Minuten an.

Niemand kommt aus der Halle, um die Petition entgegenzunehmen. Die Studenten werden zornig, und Pu Zhiqiang, Student der University of Political Science and Law, schlägt mit seinem Megaphon auf seinen eigenen Kopf ein, bis Blut über sein Gesicht läuft.

Nach 13:50 gehen über zehntausend Studenten der Beijing-Universität, der University of Political Scienca and Law, der Bei Hang Universität, der Volksuniversität (Renmin University) usw. geordnet auseinander, um zu ihren Universitäten zurückzukehren. Ein führender Student der Beijing-Universität sagt, ihre Delegierten seien nicht empfangen worden, und niemand war bereit zum Dialog mit ihnen. Um die Sicherheit der Studenten und der nationalen Lage zu gewährleisten, hätten sie entschieden, zu den Streiks in den Universitäten zurückzukehren.

Neben der Polizei der Stadt Beijing an der Großen Halle des Volkes ist auch das 13. Regiment der 3. Hauptstadtdivision im Dienst. Während der Bewegung von 1989 wird es dreimal in Beijing einrücken, und nach dem 4. Juni wird die zentrale Militärkommission2) dem Regiment eine Kollektivauszeichnung erster Klasse verleihen.

Eine wachsende Zahl von Postern mit Reaktionen auf die Ereignisse des Tages tauchen innerhalb der Universitäten auf. Sie betonen die Notwendigkeit, Strategien zu erarbeiten und effektive Wege zu finden, die Eingabe von Petitionen zu organisieren. Es gibt Aussagen wie "China ist zu schmutzig, und es ist Zeit für ein Großreinemachen".

Li Pengs Tagebuch:

Heute morgen ereignete sich ein schwerer Zusammenstoß in Xi'an. Kriminelle Elemente griffen das Gebäude der Provinzregierung, das Prokurat [auf Provinzebene] und das Gerichtsgebäude an. Autos, Garagen und Öldepots wurden in Brand gesetzt und ein Bekleidungsgeschäft an einer Hauptverkehrsstraße geplündert. Das Parteikomitee der Provinz Shaanxi hat ein Telegramm an die Zentralregierung gesendet: Shaanxi-Polizei reicht nicht aus, wir erbitten Unterstützung vom Zentrum. Viertausend Soldaten der Volksbefreiungsarmee werden Xi'an unterstützen.

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Anmerkungen

1) zur Authenzität des Tagebuchs einige Anmerkungen in der Einleitung hier.

2) Deng Xiaoping hatte sich zwar 1989 teilweise aus der aktiven Politik zurückgezogen, den Vorsitz der Militärkommission aber behalten. Jiang Zemin und Hu Jintao waren nicht nur Generalsekretäre der KP Chinas, sondern außerdem Staatsvorsitzende und zeitweise auch Vorsitzende der zentralen Militärkommission. Allerdings "erbten" weder Jiang noch Hu den Vorsitz der zentralen Militärkommission (der Partei) zeitgleich mit dem Amt des Generalsekretärs. Xi Jinping übernahm im Herbst vorigen Jahres mit dem Posten des Generalsekretärs der Partei auch gleich den Vorsitz der zentralen Militärkommission der Partei. Vorsitzender der staatlichen zentralen Militärkommission war bis März 2013 noch Xis Vorgänger Hu Jintao. Das allerdings war der einzig wirklich personelle Unterschied zwischen den beiden Kommissionen: sie haben beide die selben Mitglieder.

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Fortsetzung folgt - JR

Dieser Beitrag ist der sechste von mehreren über die chinesische Demokratiebewegung im Jahr 1989. Er basiert auf einem Bericht im Reportagestil, den Wu Renhua, ein früherer Hochschuldozent in Beijing, 2011 zusammenstellte. Daraus wird in diesen Beiträgen keine vollständige Übersetzung seiner Chronologie, und gelegentliche Übertragungsfehler sind nicht unwahrscheinlich. Für entsprechende Hinweise bin ich dankbar.

Wu Renhua bezieht sich zum Teil auf das, was er 1989 selbst sah, und zum Teil auf allgemein zugängliche Dokumente. Konkrete Quellen werden nur sporadisch angegeben, und über die Authenzität mancher der von ihm verwendeten Dokumente lässt sich streiten.

Wu Renhua's Bericht ist hier herunterladbar.

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