Heldentode oder Helden, tote.

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Wer mein erster Toter war und wann ich von seinem Tod erfahren habe, weiß ich gar nicht mehr. Allerdings nimmt der Strom der Leichen am Wegesrand meines Lebens ständig zu. Das gehört wohl dazu, dabei muss ich an meine Oma denken, der auch alle Freunde weggestorben sind, bis auch sie gehen durfte. Wie es mit den Helden in ihrem Leben war, habe ich sie nie gefragt.

Zwar kann ich mich nicht mehr an den ersten erinnern aber einige Heldentode sind mir noch sehr im Gedächtnis. Zum Beispiel der von Jan Ullrich.

In der Zeit, als ich gerade Triathlon machte fuhr er in Höchstgeschwindigkeit über die Alpen und gewann die Tour de France. Wie bei sovielen war meine Begeisterung für den Radsport geweckt und ich verbrachte Stunden vor dem Fernseher um Wasserträgern und Edelhelfern zuzusehen, wie sie litten und an ihre Grenzen gingen. Dann war Schluss, Jan Ullrich das deutsche Jahrhunderttalent auf dem Rad hatte es versaut: gedopt, erwischt, öffentlich gejammert. Heldentod. Noch ein, zwei Jahre habe ich Radsport im Fernsehen verfolgt, dann war ein ganzer Sport gestorben, von einer Epidemie dahingerafft, im Moment würde ich sagen für immer.

Joschka Fischer hat vor seinem Außenministerdasein sein Leben verändert und begann zu laufen. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere (aus meiner heutigen Sicht 04/98) lief er einen Marathon in 3:41h. Ich weiß noch, das ein Freund von mir eine Zeitlang damit "angab", die selbe Zeit gelaufen zu sein, wie Joschka. Die Zeiten sind auch vorbei. Im Wahlkampf 2002 gab es noch "Laufen mit Joschka", die Zeiten sind wohl ebenfalls vorbei. Joschka ist tot. Heldentot.

Über Arnold Schwarzenegger wage ich gar nicht zu schreiben. Er ist wohl der Held um den ich am wenigsten trauere, denn er war immer eine Kunstfigur aus Plastik (quasi der wahre Plastinator) Aber was er machte, machte er sehr gut. Er machte gute schlechte Filme, eine Zeit lang, die besten schlechten Filme. Dann wurde er Gouverneur und unterstützte GWB. Heldentod, wenn auch ein kleiner.

Vor 11 Jahren durfte ich einmal die Bundesligamannschaft eines Oldenburger Triathlonvereins vervollständigen. Mir kamen die Topathleten entgegen als ich auf die Laufstrecke ging. Da waren sie fast im Ziel und ein Trainer rief seinem Schützling zu, der Vuckovic könne nicht mehr, den würde er noch kriegen. Es war so beeindruckend diese Männer zu sehen, die keuchend wie eine Dampflock an mir vorbeirasten und nicht nachließen, Rennmaschinen. Helden. Stefan Vuckovic gewann bei der Olympiade 2000 in Sydney die Silbermedaille im Triathlon. Heute ist er heldentot. Im Jahr 2002 kam es bei ihm zu einem Organversagen in dessen Rahmen er den Notärzten in Todesangst gestanden haben soll, EPO genommen zu haben. Im Rahmen der Ermittlungen gegen Peter Springstein kam weiterer Verdacht auch auf ihn.

Mit Haile Gebrselassie liegt ein weiterer Held im sterben, ohne das öffentlich darüber gesprochen würde. Helden sind eben eine persönliche Sache.

Doch nicht alle Helden sind tot. Viele Leben weiter, nur kenne ich jetzt mehr Seiten von ihnen, auch die Dunklen. So wie ich jeden Tag meine dunkeln Seiten kennenlerne und jeden Tag meinen eigenen kleinen Heldentod sterbe. Deswegen bin ich keinem meiner toten Helden böse, traurig bin ich schon.

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

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