BRD 21: Der braune Mutterboden (2)

Mein zentrales Thema im Moment ist bekanntlich S21. Und dazu soll jetzt noch kurz die Verbindung hergestellt werden.

Die beiden Teile dieses Beitrags sind, wie so viele meiner Beiträge, zum Teil ein Reflex auf einen äußeren medialen Anstoß, dem ich dann surfend und Zitate sammelnd nachgehe. Hier war es die Sendung über Emil Julius Gumbel am Abend nach der Großdemo gegen S21 am 9.7.2011. Aber auch wenn der innere Zusammenhang mit S21 so eher zufällig und eher subjektiv entstanden scheint, ist er doch gegeben. Und zumindest eine abschließende Bemerkung wert.

S21 ist nämlich nahezu vollständig auf der Miste der Generation Kohl gewachsen: Gerhard Heimerl (* 1933), Heinz Otto Dürr (*1933), Manfred Rommel (* 1928), und, vom Nazigeist wohl eher nicht mehr tangiert, Erwin Teufel (* 1939). Verantwortlicher Kanzler war Helmut Kohl (* 1930). Und dass ausgerechnet Heiner Geißler S21 in der Gefahr zu retten versuchte, passt auch: Jahrgang 1930) *).

Dass ich in diesem Projekt an manchen Stellen eine Tradition vermute, die vor das Kriegsende zurückreicht, habe ich schon in früheren Beiträgen geschrieben. Hier möchte ich noch die Vermutung anfügen, dass bei S21 ein Grundkonflikt um die Identität dieser Republik wieder aufflammt, der zuletzt zwischen den 68ern und der Generation Kohl getobt hatte und in Debatten um Nationalhymne, Multi-Kulti, Leitkultur oder Islam immer wieder aufgeflammt war. Aber auch die Debatte über Neo-Liberalismus und Sozialstaat gehört dazu. Und die bislang nicht geführte Debatte um den Artikel 14 GG, insbesondere dies:

…....

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

…..(9)

Diese Debatte wird nun – neben anderem - vom Widerstand gegen S21 angemahnt.

Die 68er Revolte wird gemeinhin – medialen Erfordernissen nach Personalisierung und Sensationalisierung folgend – als Randale linken Revoluzzertums beschrieben. Außer Acht gelassen wird dabei, dass diese Bewegung auch amerikanische Wurzeln bei der sogenannten Beat Generation und der Folk- wie der Hippiebewegung hatte. Ebenfalls außer Acht gelassen wird, dass man damals versuchte, die vom Faschismus des schwarz-braunen Spießertums gekappten geistigen und kulturellen Stränge aus Weimar wieder aufzunehmen. Die waren damals naturgemäß vorwiegend linker Natur, denn anderes war bereits in der Zeit davor – unter Beachtung des Tabus gegen Links - nach und nach in die „deutsche Identität“ zurückgeholt worden.

Aber auch bei der Wiederaufnahme der gekappten linken Traditionsstränge ging es nicht nur um das Linke, sondern auch allgemein um das Verdrängte, Ausgeblendete, das von der Generation Kohl tabuisiert und teilweise mit Hass bekämpft wurde. Diese Aufarbeitung nahm ihren Ausgang bei der Frankfurter Schule und ihrem Einzugsbereich. Sie weitete sich dann aus auf alles, was an großen Namen noch erinnerlich war. Und sie dauert an bis hin zu der oben erwähnten aktuellen Radiosendung und darüber hinaus.

Wenn es heute unter Alt-68ern eine Reihe von scheinbar „gebrochenen“ Biographien mit extrem linken Jugendphasen und späterer Rückkehr zu gediegener Bürgerlichkeit gibt (Beispiel: Kretschmann), dann mag das daran liegen, dass diese linken Phasen eben jenem Versuch der Aufarbeitung von Verdrängtem geschuldet waren. Das mag man inhaltslos als spät-pubertäre Revolte gegen die etablierten Erwachsenen interpretieren, die sich üblicherweise irgendwann von selbst erledigt – so, wie man es uns damals auch vorausgesagt hat. Aber das eine schließt das andere – den sachlichen Inhalt nämlich, der von der Emotion getragen wird - nicht aus.

Und diese neue Bürgerlichkeit unterscheidet sich denn auch inhaltlich von jener der Generation Kohl. Zum Beispiel dadurch, dass sie weiter, toleranter, liberaler, kosmopolitischer ist und ein weiteres Spektrum politischer Pluralität akzeptiert. Der Konflikt zwischen der Generation Kohl und den 68ern war, so gesehen, ein Kampf um Erinnerung und Horizont-Erweiterung, und damit ein weiterer Schritt vorwärts in der „Vergangenheitsbewältigung“, der die Gestalt (Perls) der „deutschen Identität“ ein Stück weiter schloss. (10)

Und diese neue Bürgerlichkeit, diese neue, erweiterte demokratische Identität musste, sollte es kein fruchtloses „mind fucking“ werden, früher oder später in Konflikt mit dem Politikverständnis der Generation Kohl geraten. Dies passierte in der Anti-Atombewegung. Und es passiert in Stuttgart. Und in beiden Fällen handelt es sich deswegen auch nicht (mehr) um ein Jugendrevolten, sondern um Generationen übergreifende Aufstände, bei denen die Älteren allerdings besonders ins Auge fallen.

Und insofern geht es in Stuttgart auch um einen weiteren Schritt vorwärts in der „Vergangenheitsbewältigung“ und um einen weiteren Schritt in Richtung Demokratisierung nicht nur des Systems, sondern vor allem auch des Bewusstseins und des Lebensalltags. Womit der Kreis sich wieder schließt.

*) Inzwischen hat die Printausgabe der StZ vom 15. Juli 2011 (online nicht zu finden) in einer winzigen Randnotiz bekannt gemacht, dass Geißler ursprünglich keineswegs S21 Plus schlichterspruchen wollte, sondern das pure, üble Original. Erst Boris Palmer habe die Forderung nach einem Stresstest formuliert. Die Forderung nach dem Nachweis einer 30prozentigen Leistungssteigerung und die Begutachtung durch SMA seien nur kurz mündlich geklärt worden. Daraus erklärt sich dann wohl, dass die S21-PR es sich gestattet, die Lüge zu verbreiten, das Aktionsbündnis habe freiwillig darauf verzichtet, an der Erarbeitung der Stresstest-Prämissen mitzuwirken. Nix Schriftliches gibt es schließlich nicht.....

(9) www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html

(10) de.wikipedia.org/wiki/Gestalttherapie

Weitere Texte zum Thema BRD 21:

BRD 21: Der braune Mutterboden (1):

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BRD 21: „Ein verkaufter Mercedes wiegt ...mehr als ein Leben“:

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BRD 21: Die verKohlte Republik. Eine Polemik 1:

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BRD 21: Die verKohlte Republik. Eine Polemik 2:

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