Empfehlung der Woche

Und folgt Dir keiner, geh allein

Und folgt Dir keiner, geh allein

Jürgen Todenhöfer

Hardcover, gebunden

24-seitige Bildtafel (in zwei Teilen)

464 Seiten

24 €

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1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende

1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende

Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Ort: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Stauffenbergstraße 13-14 | 10785 Berlin

Vom 10. April bis 25. August 2025!

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Kein Tier. So wild.

Kein Tier. So wild.

Burhan Qurbani

Drama

Deutschland, Polen 2025

142 Minuten

Ab 8. Mai 2025 im Kino!

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Kultur : Der Witz der Vorstädte

In Frankreich ist Humor für die Schwachen ein Mittel, sich Aufmerksamkeit und Respekt zu verschaffen. Das Ergebnis ist nicht immer komisch

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Rimbaud ist ein Turm? Oh non, erklärt Yéyé seinem Kumpel Charly. Ein Dichter. Man hat den Wohnturm in der Banlieue, in der die beiden Zehnjährigen wohnen, nur nach ihm benannt. So fängt Samuel Benchetrits neuer Roman Rimbaud und die Dinge des Herzens (Aufbau-Verlag) an. Er handelt vom Alltag der exclus, der Ausgeschlossenen am Rand von Paris – von Drogen, Polizei und Dinnern bei McDonald’s.

„Der französische Humor ist stark von den Vororten geprägt, es ist ein Humor der Schwachen“, sagt Samuel Benchetrit, der selber in der Banlieue groß geworden ist. Und in der Tat: die großen Stars der französischen Comedy-Szene stammen zumeist aus den Vororten. Der Schauspieler Jamel Debbouze (Die fabelhafte Welt der Amélie, Asterix Obelix; Mission Cleopatra) betreibt im Fernsehen den Jamel Comedy Club und füllt Hallen mit Stand-Ups über das Leben in der Cité, wie die Pariser Vororte auch genannt werden. „Mein Viertel war magisch, es gab dort alle fünf Kontinente: den algerischen, marokkanischen, senegalesischen, tunesischen – und noch ein paar Franzosen. Die sah man aber nur nachts“. Er imitiert die „diskrete Weise“ afrikanischer Mütter, ihre Kinder zu rügen oder sich auf der Straße mit Nachbarn zu fetzen. Die selbstironischen, respektlosen und mitunter vulgären Texte sollen die sozialen Codes verletzen. Wegbereiter und Meister des Witzes der kleinen Leute, des l’humour goujat, war ­Coluche, Sohn eines italienischen ­Vaters. Er kämpfte mit seinen Auftritten gegen Rassismus an.


Auch Dieudonné M’bala M’bala war ein Spaßmacher, der sich für die Rechte der Habenichtse und der sans papiers einsetzte, sein Vater stammt aus Kamerun. War, denn Dieudonné trat in einer Fernsehsendung verkleidet als orthodoxer Jude auf, der den Hitlergruß machend „Isra-Heil“ brüllte. Seither ist der israelfeindliche, antisemitische Künstler Sprachrohr eines Milieus, zu dem Holocaust-Leugner und Rechtsradikale gehören; Front National-Gründer Jean-Marie Le Pen ist Taufpate von Dieudonnés Sohn.

Der Regisseur und Schauspieler Dany Boon setzt sich auf eigene Weise mit seiner Identität als Sohn eines kabylischen Vaters und einer flämischen Mutter auseinander. In Willkommen bei den Sch’tis (Freitag vom 30. Oktober 2008) wird ein südfranzösischer Postbeamter in den Norden versetzt. Als sei er an den Nordpol geschickt worden, muss der Beamte, den Kad Merad, ein Komiker mit algerischem Migrationshintergrund spielt, eine neue Sprache lernen: den Dialekt der einheimischen Sch’tis. Willkommen bei den Sch’tis wurde zum erfolgreichsten französischen Film aller Zeiten – das zeigt nicht nur eine wachsende Akzeptanz der Komiker an den Rändern der Mehrheitsgesellschaft, sondern symbolisiert auch, wie Integration in beide Richtungen funktionieren kann: Die ewig belächelten und von Parisern gering geschätzten Provinzbewohner des Nordens werden in der Komödie als liebenswert wahrgenommen und trotz oder gerade wegen ihres eigenartigen, ewig verspotteten Zungenschlags geschätzt.

Samuel Benchetrit weiß als Jude um den Blick einer Minderheit auf die sozialen und politischen Verhältnisse. Und er weiß, dass Humor helfen kann, wenn man sich ausgeschlossen oder vernachlässigt fühlt, seien es Juden, Sinti und Roma, oder maghrebinische Einwanderer. Der Witz kann eine Waffe sein, sich die im Alltag erfahrene Ohnmacht vom Leib zu halten. Das war, sagt Benchetrit, in der DDR nicht anders.

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