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Kultur : Der bewusste Verbraucher

Und seine größten Erfolge: Versuch einer Anleitung zur Abstimmung mit dem Geldbeutel oder warum man Demokratie und Marktwirtschaft nicht miteinander verwechseln sollte

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Demokratie und Marktwirtschaft sollte man nicht miteinander verwechseln. Es gibt aber ge­wisse Ähnlichkeiten. Wo die Demokratie auf den mündigen Bürger baut, verweist die Marktwirtschaft, wenn sie nicht mit der Planwirtschaft („Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“) verwechselt werden will, auf den bewussten Verbraucher.

Dessen Wahllokal ist der Supermarkt, in dem er jeden Tag seine Stimme ab­geben kann durch gezielte Nichtachtung von Produkten. (Ob dieser Glaube an die Kraft der Marktgesetze in der mit der Planwirtschaft leider immer häufiger zu verwechselnden Welt der Global­logistik – „just in time“– tatsächlich trägt, bleibt nur deshalb unberücksichtigt, weil sonst alle Überlegungen zum bewussten Verbraucher hier endeten).

Der Erfolg einer „Abstimmung mit dem Geldbeutel“ ist allerdings nicht so leicht zu haben, wie die Markt­wirtschaft das immer erzählt, wenn sie sich selbst in ein günstiges Licht rücken will. Um seine geballte Macht zu demon­strieren, muss der bewusste Verbraucher sich nicht selten mit Begriffen auseinandersetzen, die er an Wahlabenden im Fernsehen hört. Mobilisierungsfähigkeit etwa.

Die Ergo-Chose

Die höchste Mobilisierungsfähigkeit versprechen gesundheitsgefährdende Bakterien (Ehec) – die Gurke und einige angrenzende Gemüse dürften für geraume Zeit einen schweren Stand vor dem Einkaufskorb haben. Für eine Anleitung zur alles ignorierenden Macht des bewussten Verbrauchers ist damit aber nichts gewonnen. Erstens ist der bewusste Verbraucher in dieser Geschichte nicht Agent des Handelns, sondern selbst Getriebener. Und zweitens wird nicht einmal der von der Richtigkeit seines Bewusstseins überzeugteste Verbraucher mit der Bedrohung durch Krankheit und Tod an der Kasse reüssieren wollen.

Potential für künftige Kampagnen zeigt dagegen die Ergo-Chose. Weil das Versicherungsunternehmen nach einer publik gewordenen Belohnungsorgie für Vertreter und Vorstände im Budapester Gellert-Bad sich nicht zur Zielscheibe des Spotts der gesammelten bewussten Verbraucherschaft machen will, zieht es sich mit seiner Werbung aus der Öffentlichkeit zurück. Das ist, angesichts dieser Werbung, zweifellos ein Erfolg.

Der bewusste Verbraucher müsste also, analog zu all den Plagiatswikis in der Guttenberg-Nachfolge, Recherchen über Intim-Incentives anstrengen in Branchen, die ihm sein Konsumentendasein verhageln. Wie feiern Tankstellenpächter Umsatzrekorde? Versucht das Mobilfunkwesen seine Angestellten wirklich nur durch Frei-SMS zu Höchstleistungen anzutreiben?

FIFA macht ratlos

Ratlos wird den bewussten Verbraucher wohl ewig der Fußballweltverband FIFA machen, bei dem Verhältnisse herrschen, die selbst das Fernsehen korrupt nennt. Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesen Kreisen der Puff-Besuch als Meeting firmiert, ist nach allem, was man aus dem Kino weiß, höher als, sagen wir, in der Leiharbeiterbranche. Aber der bewusste Verbraucher ist re­signiert, schon weil sein entschiedenes „Nein, ich schau jetzt nicht mehr hin, wenn Fußballweltmeisterschaft ist“ kaum eine Chance hat, überhaupt gehört zu werden.

So muss der bewusste Verbraucher sich fügen: Joseph Blatter ist wieder zum FIFA-Präsidenten gewählt worden, die jetzt suspendierten Sünden­böcke dürfen nach 30 Tagen wieder mit­machen. Und Demokratie und Marktwirtschaft kann man nicht miteinander verwechseln.

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