Empfehlung der Woche

Und folgt Dir keiner, geh allein

Und folgt Dir keiner, geh allein

Jürgen Todenhöfer

Hardcover, gebunden

24-seitige Bildtafel (in zwei Teilen)

464 Seiten

24 €

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1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende

1945 – Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Kriegsende

Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Ort: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Stauffenbergstraße 13-14 | 10785 Berlin

Vom 10. April bis 25. August 2025!

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Kein Tier. So wild.

Kein Tier. So wild.

Burhan Qurbani

Drama

Deutschland, Polen 2025

142 Minuten

Ab 8. Mai 2025 im Kino!

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Kultur : Die Linke, der Klatsch und der Tratsch

Die öffentlich gemachte Liebe zwischen Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht zeigt: Im Umgang mit dem Boulevard fehlt noch das rechte Maß

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Als ich hörte, dass Oskar Lafontaine seine Beziehung zu Sahra Wagenknecht endlich öffentlich gemacht hatte, schoss mir durch den Kopf: „Das linke Traumpaar!“ Somit dachte ich leider wie die Springerpresse, wie Welt und Morgenpost, die entsprechend formulierten und titelten. Wie würden aber die beiden der Linke nahe stehenden überregionalen Tageszeitungen, wie würden Neues Deutschland und Junge Welt am Montag berichten? Nun, die JW berichtete mit keiner Zeile, und das ND verpackte die Nachricht in ihrem Bericht vom Parteitag im Saarland auf Seite 6. Beides war wohl zu erwarten. Aber entspricht dieser Umgang auch den tiefsten Wünschen der Leserschaft? Ich glaube nicht. In der Tiefe ihres Herzens hätten sich gerade die Leser dieser beiden Zeitungen bestimmt ein wenig Glamour gewünscht (nach dem deprimierenden Geknorze um das – rein politische – Anti-Traumpaar Gesine Loetzsch und Wolfgang Ernst).

Die These sei gewagt: Die Linke muss ein Verhältnis zum Boulevard entwickeln, oder sie wird untergehen. So richtig es ist, nach dem Verhältnis von Politischen zum Privaten zu fragen, so wichtig schiene eben auch, zu einer Haltung zu Klatsch und Tratsch zu kommen. Was passieren kann, wenn man sich dazu nicht ins rechte Verhältnis setzt, sei an zwei Beispielen erläutert.

a) Vaterlandsverräter. Der beeindruckende Dokumentarfilm von Annekathrin Hendel über den Schriftsteller Paul Gratzik, der sich erst bei der Stasi verdingte, dann um 1985 herum den Dienst quittierte (siehe Freitag Nr. 42), zeigte eben auch, was für ein Zeugs in diesen Berichten stand. Und wie es verbreitet wurde! Da wurde also das Mfs davon unterrichtet, dass sich X nun bei der Opernsängerin Y einquartiert habe, die, so höre man, in sexueller Hinsicht einiges von ihren Liebhabern abverlange, es würden über die Abmagerung des X ja auch schon Witze gemacht. Und das alles in das Ohr eines Führungsoffiziers! Mit Ich hat Wolfgang Hilbich einen unübertroffenen Roman über den Informanten als Double des Schriftstellers geschrieben, eine Studie zum Verhältnis von Klatsch und Diktatur steht aus. Klar ist, dass eine freie Zirkulation von Klatsch, somit auch von denen „unten“ über die „oben“, die Mauer sofort zum Einstürzen gebracht hätte. Allerdings unterminiert eine entfesselte Klatsch-Kommunikation jede Gesellschaftsordnung. Es stellt sich also die Frage nach der rechten Dosierung.

Eine schlimme Entgleisung

b) Das Buch Zug um Zug. Wie Helmut Schmidt seine Rolle als Weltweiser und very elder Statesman überfüllt, wirkt auf manche zunehmend peinlich. Zuviel Seriosität stößt eben auch ab. In den Gesprächen mit Peer Steinbrück ist die Angst vor dem Aus-der-Rolle-Fallen deutlich spürbar als Angst vor dem „Privaten“, das in Zug um Zug vor allem als Warnung präsent ist, deutlich in den Bemerkungen zum Buch über Hannelore Kohl, das Schmidt in einer Aufwallung „eine schlimme Entgleisung“, „disgusting, unerhört“ nennt. Dabei ist es doch so: Schmidt und Steinbrück sind nicht blöd, ihr Buch in seiner „hanseatischen“ Form nicht ohne Einsicht und Charme. Aber es wäre dann ein Gespräch, an das man sich auch nach Jahren erinnern würde, wenn zum Beispiel gegen die Sesselfurzer und Schwachköpfe von der SPD mal so richtig vom Leder gezogen würde, wie das in solchen Gesprächen nun einmal passiert (sagen wir auf drei Seiten).

Dass dieser Zugewinn an literarischer Qualität und menschlicher Statur mit dem sicheren Ende von Steinbrücks Kanzler-Ambitionen erkauft wäre, ist wohl wahr und lässt die Frage nach dem richtigen Maß im Umgang mit Klatsch und Tratsch umso dringlicher erscheinen. Im Fall der Liebe zwischen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine war dieses Maß aber wohl eher unter- als überschritten.

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