Am Osterwochenende trafen sich im Grenzort Panmunjom Unterhändler Nord- und Südkoreas, um das erste Gipfeltreffen zwischen Kim Jong Il und Kim Dae Jung vorzubereiten. Kommt die Begegnung Mitte Juni tatsächlich in Pjöngjang zustande, wäre dies ein Novum: Offiziell befinden sich beide Länder noch im Kriegszustand und trotz früherer Annäherungen bleibt das innerkoreanische Verhältnis unterkühlt.
Mit dem Ende der japanischen Kolonialherrschaft (1910-45) verband der überwiegende Teil der Koreaner die Erwartung, die eigenen Geschicke wieder selbst lenken zu können. Doch schon vor Kriegsende hatten sich die USA und die Sowjetunion darüber verständigt, Korea auch nach einem Sieg über Japan eine Zeitlang treuhänderisch
uhänderisch zu verwalten. Der 38. Breitengrad wurde in der Folge als Demarkationslinie um so undurchlässiger, je schroffer die Eigeninteressen beider Supermächte aufeinander prallten. Während die Sowjetunion ihre letzten Truppenkontingente bereits 1948 aus dem Norden der koreanischen Halbinsel abgezogen hatte, blieb mit 37.000 GI's die Präsenz der USA im Süden ungebrochen. Die Gründung der Republik Korea und der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik am 15. August beziehungsweise 9. September 1948 markierte die imperial begründete Teilung des Landes.An dieser sensibelsten Nahtstelle der Ost-West-Konfrontation auf dem asiatischen Festland kam es zum ersten "heißen" Konflikt des Kalten Krieges (1950-53). Vorangegangen waren politisch-diplomatische Attacken und Konterattacken sowie militärische Provokationen, die zum offenen Bürgerkrieg mit häufig wechselnden Frontverläufen (auch UN-Truppen und ein chinesisches Freiwilligenkorps griffen ein) eskalierten. General Douglas MacArthur - damals in Personalunion Chef der US-Streitkräfte und Oberkommandierender der UN-Truppen in Korea - hatte gar die "Pulverisierung" - sprich: atomare Zerstörung - chinesischer Städte im Grenzgebiet zu Nordkorea erwogen.Die verheerenden Verwüstungen infolge bakteriologischer Kriegführung und systematischer Flächenbombardements machten den Wiederaufbau in beiden Landesteilen nach dem Waffenstillstandsabkommen von Panmunjom (Juli 1953) zur entscheidenden Aufgabe. Bezog Südkoreas martialisch-antikommunistisches Militärregime Hilfe vorrangig aus den USA und aus Japan, durfte Pjöngjang auf China und die Sowjetunion rechnen. Massenmobilisierungen sorgten überdies im Norden dafür, dass es zeitweilig beachtliche Wachstumsraten gab, was auf etliche unabhängig gewordene Länder des Trikonts faszinierend wirkte. Politisch flankiert wurde dies durch die Herrschaftskonsolidierung der Gruppe um Kim Il Sung, deren eigenes Sozialismus-Konzept in Gestalt von Dschutsche auch auf Äquidistanz zu Moskau und Peking setzte. Dschutsche als selbstbestimmter Entwicklungsprozess und als Staatsideologie sorgte für eine bemerkenswerte Kontinuität und feite die Volksrepublik immerhin vor einer Implosion wie in Osteuropas 1989/90.Die Kontaktsuche zwischen Nord und Süd - etwa die gemeinsamen Rote-Kreuz-Gespräche, die im Nord-Süd-Kommuniqué vom Juli 1972 gipfelten, oder der 1991 unterzeichnete Aussöhnungsvertrag - stand jeweils im Kontext internationaler Umbrüche. Im ersten Fall war kurz zuvor die langjährige Feindschaft zwischen China und den USA beigelegt worden. Beim zweiten verschwand 1991 mit der UdSSR ein Alliierter Nordkoreas, mit dem es seit den sechziger Jahren qua Beistandspakt verbunden war. Beide Male waren aber auch innerkoreanische Prozesse verantwortlich dafür, dass der mühsam geknüpfte Dialogfaden wieder riss. In Südkorea verhängte Präsident Park 1972 das Kriegsrecht, und Anfang der neunziger Jahre schützte sich die nordkoreanische Führung nach dem Fall der Berliner Mauer vor "ideologischer Kontaminierung". Außerdem geriet Pjöngjangs Autarkie-Dogma durch einen plötzlich auf Devisenbasis umgestellten Handel mit China und Russland sowie schwere Naturkatastrophen (Dürre und Überschwemmungen) ins Wanken.Belastet wurde der Dialog nicht zuletzt durch den 1994 entbrannten Streit darüber, ob Nordkorea in seinem Yongbyon-Kernkraftkomplex einsatzfähige Atomwaffen entwickeln könne. Der in westlichen Medien kolportierte atomare Erstschlag einer Desperado-Clique in Pjöngjang gegen den Süden verflüchtigte sich ebenso rasch, wie er beschworen wurde. Weniger Beachtung fand die in Malaysias Metropole Kuala Lumpur 1995 getroffene US-amerikanisch-nordkoreanische Vereinbarung über Umrüstungen in Yongbyon, die Lieferung von Leichtwasser-Reaktoren und Kohle an Pjöngjang im Wert von zirka vier Milliarden Dollar.Eine wirkliche Nord-Süd-Verständigung, die sich keineswegs zugleich einem Wiedervereinigungsgebot unterwirft, brauchte jetzt vor allem eine konziliante Geste, indem beispielsweise das seit 1948 im Süden geltende Nationale Sicherheitsgesetz als Anachronismus kassiert würde. Gleichzeitig wäre es gewiss ratsam, könnten sich frühere oder noch präsente "Schutzmächte" (USA, China und Russland) dazu durchringen, eine regionale Friedensordnung als ostasiatisches Pendant zur OSZE aufzubauen. Das würde allerdings künftig Manöver der USA und Südkoreas ausschließen. Auch ein Abzug der in Südkorea stationierten US-Truppen stünde dann auf der Tagesordnung, was angesichts der technologischen Überlegenheit der Armee Souls die strategische Balance zwischen Nord und Süd kaum verschieben dürfte.Der Autor war von 1986 bis 1995 Herausgeber des Korea Forum.