Taliban am Potomac

USA Nur mit Mühe bringt Barack Obama sein Konjunkturprogramm durch den Kongress. Die Republikaner schenken ihm nichts und pflegen in dieser Debatte ihre Marktgläubigkeit

Der Widerstand gegen Barack Obamas 800-Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramm kommt einem Realitätscheck gleich: Die Wahlen hat er gewonnen, doch die Besiegten verlassen das Feld nicht freiwillig, trotz präsidialer Charme-Offensive und der im Weißen Haus servierten Schokoladenkekse. Es wird ein Konjunkturprogramm geben, aber George W. Bushs Partei votierte fast bis auf den letzten Mann gegen Obamas ursprünglichen Plan. Die Republikaner fanden genug freundlich gesinnte Demokraten, um das Programm zu verwässern, 100 Milliarden Dollar Ausgaben zu streichen und 100 Milliarden Dollar Steuererleichterungen durchzusetzen.

Obama will sich als „postideologischer“ Präsident profilieren. Er hat im Wahlkampf oft dafür plädiert, dass verantwortungsbewusste Politiker doch zivilisiert miteinander umgehen und sich vernünftig einigen müssten. Nach drei Wochen Regierung kollidieren diese Ideale, oder besser Wunschvorstellungen, mit realen, ideologisch verankerten Interessenkonflikten. Die Vorstellung vom gemeinsamen Handeln fußt auf der Annahme, Demokraten und Republikaner arbeiteten miteinander an einem möglichst effektiven Konjunkturprogramm, das bald erste Resultate zeige.

Die politische Wirklichkeit ist anders. Aus Sicht des harten Kerns seiner Gegner darf Obamas Paket keinen großen Effekt haben, setzt es doch auf massive Regierungsauslagen. Brächte das Erfolg, wäre der Beweis erbracht, dass die gern verspottete Politik des „Big Government“ doch wirkt. Der neu gewählte Parteichef der Republikaner, Michael Steele, wehrt sich sogar gegen Vorhaltungen, das jetzige Desaster sei von den Republikanern verschuldet. George W. Bush habe bei seinem Amtsantritt selbst eine Wirtschaftskrise geerbt, so Steele, und die USA herausgeführt aus dieser Rezession. Die derzeitige Krise sei doch nur „etwa 18 Monate alt“. Deshalb müsse auf sinkende Steuern geachtet werden.

Der unterlegene Präsidentschaftskandidat John McCain gibt sich als Schutzengel des sprichwörtlichen kleinen Mannes, der es nicht wolle, dass der Staat seine Steuergelder verheizt. Die republikanische Infrastruktur mit ihren Hetz-Talkern im Rundfunk, die komplexe Themen simpel verpacken, hat das Desaster vom November gut überstanden und fühlt sich von Energie übermannt bei dem Gedanken, nicht länger in Regierungsverantwortung zu stehen. Die Republikaner hätten von den Taliban gelernt, meinte der Abgeordnete Pete Sessions in dem vom National Journal produzierten Online-Dienst hotline. Nicht inhaltlich natürlich, beschwichtigte der Republikaner aus Texas, aber taktisch. Die Taliban verstünden es, „jemandem den Prozess zu stören“.

Abgesehen vom Taliban-Vergleich: Beim Streit um das Konjunkturprogramm vollzieht sich ein bekanntes Schauspiel: Obwohl sich bei den Republikanern rivalisierende Strömungen gegenüber stehen, agiert die Partei geschlossen und hält fest am freimarktwirtschaftlichen Dogma. Und die Republikaner verstehen es, Macht auszuüben. Bushs Politik wurde nie gefährdet von Dissens in seinem Lager. Die von Obama schon: Zu wenig verbindet offenbar die Demokraten, die nicht zuletzt auch Dank vieler Wahlspenden wirtschaftlicher Interessengruppen in den Kongress gewählt wurden und zugleich die Interessen der unteren Einkommensgruppen vertreten wollen.

Allein im Januar gingen in den USA 600.000 Arbeitsplätze verloren. Manche Analysten sind der Ansicht, Obamas Plan sei zu vorsichtig. Nach Umfragen begrüßt eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung das jetzige Wirtschaftsprogramm. Ob daraus freilich auch politischer Druck erwächst, wird sich zeigen.

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