Eigentlich sollten wir unsere Lehren aus dem Irak-Krieg gezogen haben. Um nichts anderes sollte es schließlich im britischen Chilcot-Untersuchungsausschuss gehen. Die Signale aus dem Nahen Osten besagen jedoch, dass sich all dies noch einmal wiederholen könnte. Die USA verstärken ihre Militärpräsenz am Golf und verkaufen Waffensysteme im Wert vieler Milliarden Dollar an verbündete arabische Staaten wie Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Qatar und Bahrein, die Batterien mit Patriot-Raketen erhalten. Saudi Arabien spendieren die Amerikaner eine 30.000 Mann starke Schutztruppe, um Ölförderanlagen und Häfen zu sichern. Die Emirate allein haben 80 F16-Kampfflugzeuge geordert, mit denen sie nach Ansicht von US-Kommandeur General Petraeu
Politik : Plötzlich wird es ernst
Die Dramaturgien gleichen sich. Gegen Iran wird wegen des Atomprogramms eine Dynamik der Eskalation in Gang gesetzt, die an das Vorspiel zum Irak-Krieg 2003 erinnert
Von
Seumas Milne
The Guardian
Übersetzung: Holger Hutt
aeus „die gesamte iranische Luftwaffe außer Gefecht setzen“ könnten.Plattform für Blair Die USA beharren zwar darauf, die Aufrüstung diene allein Verteidigungszwecken, man wolle Iran abschrecken und Israel beruhigen. Aber der Strategiewechsel lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Gerade erst warnte Präsident Obama Teheran vor „Konsequenzen“, die eine Fortsetzung des Atomprogramms haben könnte und brachte Iran mit Nordkorea in Verbindung wie George W. Bush in seiner „Achse des Bösen“-Rede im Jahr 2002. Die Parallelen zum Vorspiel der Irak-Invasion sind unverkennbar. Wie in den Jahren 2002 /203 erzählt man uns, ein diktatorisch geführtes Land in Nahost entwickle im Geheimen Massenvernichtungswaffen, widersetze sich den UN-Sanktionen, verhindere Inspektionen, bedrohe seine Nachbarn und unterstütze den Terrorismus. Wie im Fall des Irak gibt es für all das keine Beweise, auch wenn in den Massenmedien immer wieder aus der Luft gegriffene Gerüchte über geheime Programme kursieren.Wem die Parallelen noch nicht deutlich waren, dem machte sie der frühere britische Premier Blair bei seinem Auftritt vor dem Chilcot-Untersuchungsausschuss unmissverständlich klar. Weit davon entfernt, Reue für das Blutvergießen zu zeigen, das er angerichtet hat, wurde dem Ex-Premier gestattet, aus einer strengen Befragung eine Plattform für Kriegspropaganda gegen den Iran zu machen. Er lieferte den Beweis dafür, dass sich der Neokonservatismus bester Gesundheit erfreut. Aus der Tatsache, dass sich im Irak keine Massenvernichtungswaffen hatten finden lassen, leitete er ab, man müsse im Falle des Iran dennoch genau so verfahren. Ein unterstellter Vorsatz und die potentielle Fähigkeit zur atomaren Rüstung sind ihm offenbar ausreichende Gründe für einen Krieg. Blair erwähnte Iran 58 Mal und erklärte, die Notwendigkeit, sich dieses Staates anzunehmen, werfe ähnliche Fragen auf wie seinerzeit im Blick auf den Irak.Blair ist nicht der Einzige, der die Kriegstrommeln rührt. Daniel Pipes, ein weiterer Neokonservativer aus der Zeit George W. Bushs, schrieb vor einer Woche, der einzige Weg für Obama, seine Amtszeit zu retten, bestehe in der Bombardierung Irans und der Zerstörung seiner Nuklearkapazitäten. Dies würde lediglich einige wenige Bodentruppen erfordern.In Wahrheit wäre ein solcher Angriff potentiell noch zerstörerischer als der Einfall im Irak. Iran ist fähig, Vergeltungsschläge zu führen. Die iranische Demokratiebewegung käme zum Stillstand. Iran ist ein geteiltes, autoritär regiertes Land, das momentan hart gegen die Opposition vorgeht. Es ist aber keine Diktatur nach Art des Regimes von Saddam Hussein. Anders als der Irak, Israel, die USA oder Großbritannien hat Teheran kein anderes Land angegriffen oder besetzt, dafür aber zwei ihm feindlich gesonnene Atommächte in direkter Nachbarschaft. Und allen hetzerischen Reden Ahmadinedjads zum Trotz sind es Israel und die USA, die sich die Möglichkeit eines Angriffs auf den Iran vorbehalten – nicht anders herum. Israel will handelnDie Internationale Atomagentur IAEA konnte bisher keinerlei Beweise für die Behauptung finden, der Iran versuche, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Der US-Geheimdienst selbst fand heraus, dass das angebliche Atomwaffenprogramm 2003 eingestellt wurde, auch wenn dies nun dem neuen Klima entsprechend anders bewertet wird. Die iranische Führung hat lange an der These festgehalten, sie habe kein Interesse an Atomwaffen, auch als viele sie verdächtigten, zum atomaren Schwellenland aufsteigen zu wollen. In Anbetracht der jüngsten Geschichte der Region wäre das kaum verwunderlich.Für die US-Regierung besteht das eigentliche Problem aber wie zu Bushs Zeiten in der Unabhängigkeit des Iran in einer der schwierigsten Regionen der Welt, in der sich die Situation durch den Irak-Krieg aus amerikanischer Sicht noch verschlechtert hat. Die Signale aus Washington sind uneindeutig. Der Direktor der Nationalen Nachrichtendienste deutete am 2. Februar an, wenn der Iran Atomwaffen herstellen wolle, könne man nichts dagegen tun. Vielleicht ist die Verstärkung der Militärpräsenz am Golf auch nur Säbelrasseln. Ein Regierungswechsel in Teheran wäre der US-Regierung mit Sicherheit lieber als ein Krieg.Israel dürfte aber auch in einem solchen Fall kaum einlenken und das Risiko, dass die USA und ihre Verbündeten bei einem eventuellen israelischen Angriff die Konsequenzen mit zu tragen hätten, wäre sehr groß. Wie sich im Fall des Irak gezeigt hat, können die Positionen von Außenseitern schnell zum Mainstream werden. Wenn wir eine Wiederholung der Katastrophe verhindern wollen, müssen wir jetzt Druck aufbauen, um einen Krieg gegen den Iran zu verhindern.