Einen brennenden Müllcontainer hielt die Berliner Staatsanwaltschaft offenbar nicht für die große Sache. Und wer sich hinter dem Namen Mark Stone verbirgt, wusste die Hauptstadt-Polizei angeblich auch nicht. So wurde schließlich das Verfahren gegen den Beschuldigten, der die Tonne bei einer Demonstration im Winter 2007 angefackelt hatte, wegen Geringfügigkeit eingestellt. Inzwischen ist die Geschichte Teil eines ganz und gar nicht bedeutungslosen Falls: Jahrelang hat der britische Polizeispitzel Mark Kennedy in mehreren Ländern die linke Szene ausgespäht, auch in Deutschland wurde der heute 41-Jährige dabei eingesetzt.
Über die Aufträge des V-Mannes Kennedy, die Berichte an seine Vorgesetzten, die juristischen Folgen des Einsatzes für a
für andere und die Frage, ob er als Agent Provocateur eingesetzt wurde, ist immer noch wenig bekannt. Die Behörden mauern – oder wissen selbst nicht genau Bescheid.Kurz nachdem der Fall Kennedy durch eine Enthüllung des britischen Guardian bekannt wurde, hatten bereits der Grüne Hans-Christian Ströbele und der Linke Andrej Hunko bei der Bundesregierung nachgefragt – doch die Antworten des Innenministeriums fielen schmallippig aus. Abgesehen von Verweisen auf Vereinbarungen, mit denen das grenzüberschreitende V-Mann-Wesen geregelt sein soll, redete sich das CDU-Ressort mit dem Satz heraus, es lägen zum Fall Kennedy „keine abschließenden Erkenntnisse vor, da für die Durchführung solcher Maßnahmen größtenteils die Länder zuständig sind“.Größtenteils? Beim Einsatz von verdeckten Ermittlern aus dem Ausland spielt das Bundeskriminalamt (BKA) eine zentrale Rolle. Es sei „Ansprechpartner für die europäischen Polizeien“, erklärte Präsident Jörg Ziercke Ende Januar in einer geheimen Sitzung des Bundestags-Innenausschusses, sortiere entsprechende Anfragen und gebe diese gegebenenfalls an die Länder weiter. Diese schließen mit den ausländischen Behörden dann Verträge, in denen Befugnisse und Berichtspflichten der V-Leute geregelt sind. „Über die Tatsache der Einsätze“, ist die Bundesbehörde BKA aber sehr wohl informiert. Ziercke selbst sprach laut geheimem Protokoll der Ausschusssitzung davon, dass das BKA „quasi als Durchlauferhitzer für die Länder“ tätig sei.Die Legende des SpitzelsVom Einsatz Kennedys in der Hauptstadt, in dessen Verlauf besagte Mülltonne brannte und der offenbar dazu diente, an der Legende des Spitzels zu stricken, will die dortige Polizei indes gar nichts gewusst haben. Berlins SPD-Innensenator Erhart Körting behauptet, man sei nie konkret über den Einsatz eines „Mark Stone“ informiert gewesen. Es habe nur einen telefonischen Hinweis des BKA gegeben, dass ein britischer Beamter in der Stadt unterwegs sei. Auch Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch erklärte, ein Marc Kennedy sei seiner Behörde nicht bekannt gewesen.„Die Einlassungen Berlins könne er nicht verstehen“, wird nun BKA-Mann Ziercke in dem vertraulichen Protokoll des Innenausschusses zitiert. Für die „legendenstützende Operation“ sei „die ganz klare Zustimmung des zuständigen Landes Berlin dem BKA gegenüber erfolgt“, heißt es. Allerdings will auch das BKA erst im Dezember 2010 den Namen von Kennedy alias Stone überhaupt erfahren haben. In Berlin bewegte sich der also offenbar, ohne dass jemand darüber Genaueres wusste. Von den sonst üblichen „Verbindungsbeamten“ und Verträgen ganz zu schweigen. Ziercke verspürt wohl auch deshalb „ein gewisses Unbehagen“ bezüglich des Berliner Einsatzes und versprach, sich wegen des Falls „insbesondere die Meldewege“ noch einmal vorzunehmen und zu prüfen, „wie die Kontrolle von in Deutschland verdeckt eingesetzten ausländischen Polizeibeamten noch weiter verbessert werden könne“.Angesichts des polizeilichen Dunkels überhaupt von Kontrolle zu reden, ist beinahe schon wieder komisch. Die Bundesländer jedenfalls mauern und scheinen im Fall Kennedy ebenfalls auf Vertuschung zu setzen. Bekannt ist bisher, dass „Mark Stone“ bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm (2007) und den NATO-Gipfel in Baden-Baden (2009) eingesetzt war. Die Grünen in Baden-Württemberg haben zwar erreicht, dass CDU-Innenminister Heribert Rech in einem Landtagsausschuss ein paar Informationen weitergab – aber nur vertraulich. „Es wird immer nur das eingeräumt“, hatte sich zuvor der Grüne Uli Sckerl beschwert, „was eh schon nachwiesen wurde“. In Mecklenburg-Vorpommern bügelte das Innenministerium Fragen der Linken ab – lange Zeit hatte die Schweriner Regierung sogar ganz abgestritten, dass ausländische V-Leute gegen G8-Kritiker eingesetzt waren. Inzwischen ist von bis zu fünf die Rede.Keine AuskünfteAuch in anderen Bundesländern interessieren sich inzwischen Abgeordnete für den Fall Kennedy, und auch hier mauern die zuständigen Behörden. In Hamburg, wo „Agent Stone“ ebenfalls Kontakt zur linken Szene gehabt haben soll, wurde eine Frage der Abgeordneten Antje Möller mit 27 nichtssagenden Worten beantwortet. Die GAL-Frau beschwerte sich beim Präsidium der Bürgerschaft – und bekam Recht. Der neue SPD-Innensenator wird die Fragen „nun ausführlicher beantworten“ müssen. In Niedersachsen begehrte die Linksfraktion Auskunft, weil der Verdacht besteht, Kennedy könnte bei Castor-Protesten im Wendland eingesetzt gewesen sein. Doch CDU-Innenminister Uwe Schünemann berief sich auf die Geheimhaltung und erklärte, man werde deshalb „weder Negativ- noch Positivauskünfte“ über Verdeckte Ermittler geben.Kritiker wie der Polizeiexperte Heiner Busch vom Grundrechte-Komitee sehen die europäische Ausweitung der Spitzelzone mit wachsender Sorge, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Kontrollverlusts des Souveräns. BKA-Mann Ziercke dagegen hält Verdeckte Ermittler wie Marc Kennedy für alternativlos: Im Kampf gegen „Euroanarchisten, militante Linksextremisten und -terroristen“ könne man den Netzwerken „nur begegnen, indem man genauso international und konspirativ agiere“.