Geboren: 1956; britische EU-Kommissarin für Handel; Labour-Party. Mehr wusste kaum einer, als sie Ende 2009 ernannt wurde. Catherine Ashton wurde zum Beispiel dafür, wie man mit der Frauenquote nicht umgehen sollte. Auf einen der drei Top-Sessel der EU sollte eine Frau kommen, den Briten war der Posten des „EU-Außenministers“ zugesagt, Tony Blair durfte es nicht werden, weil er zu stark gewesen wäre. Heraus kam Cathy Ashton, mehr europäisches Aschenputtel denn Europas schillernde Außenministerin.
Die Triade aus britischem Kleidungsstil (mit „unfeminin“ höflich umschrieben), Pressescheu und Foto-Aversion, all dies will so gar nicht passen zu dem Image, das eine Außenministerin heute bitteschön haben sollte: Außenminist
teschön haben sollte: Außenminister sind beliebt, fotogen, dem Blitzlichtgewitter zugeneigt, sie schütteln Hände und sind Hans-Dampf in allen Gassen. So war Hans-Dietrich Genscher – Guido Westerwelle wäre auch gerne so –, und die USA haben es mit Condoleezza Rice und Hillary Clinton vorgemacht. Nicht so Cathy Ashton.Drei Jobs in einemSie konnte einem von Anfang an eher leid tun. Wer will schon diesen Job, der eigentlich drei Jobs sind: Erstens Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (einfach „Außenministerin“ darf man ja nicht sagen); zweitens Vize-Vorsitzende der EU-Kommission (das ist das neue Element, dass sie einen Fuß im Rat und einen in der EU-Kommission hat, der „Doppelhut“); und schließlich Vorsitzende des Europäischen Rates der Außenminister (wo sie eigentlich nur Neider hat, jedenfalls viele Männer, die nicht wollen, dass sie ihnen gefährlich wird). Die drei Rollen generieren Sitzungs- und Anwesenheitsverpflichtungen in einem Ausmaß, dass man sich nur zerreißen kann. Egal wo Ashton schließlich hingeht, sie wird nur Vorwürfe einstecken – so geschehen, als sie kurz nach Amtsantritt zu bilateralen Gesprächen nach Peking reiste statt nach Washington zum Treffen über den Iran.Beim Aufbau des Europäischen Diplomatischen Dienstes (EAD) lauern Tretminen rechts und links: Auf der einen Seite die Mitgliedsstaaten, vor allem die großen, die nicht wollen, dass der EAD zu mächtig wird, und auf der anderen Seite die EU-Kommission, die auch nicht zu viele Kompetenzen und Abteilungen an den EAD abgeben will. Dabei war genau dies das Ziel des EAD: eine Struktur für eine Art post-moderne Außenpolitik zu schaffen, die Sicherheitspolitik und Entwicklungshilfe, Handel und klassische Diplomatie verbindet.Der Selbstironie offenbar fähigWer hätte bei so vielen Schwierigkeiten einen Glanzauftritt hingelegt? Bei einem Mittagessen in London erzählte Frau Ashton einmal einen Witz und wurde mancher Teilnehmerin dadurch schlagartig sympathisch. Der Witz ging so: Hillary Clinton geht zu Barack Obama und sagt: ‚Hey, Barack, die Europäer haben endlich die eine Telefonnummer, die Henry Kissinger damals gefordert hat‘. Obama sagt: ‚Great! Können wir die wählen?‘ Woraufhin Clinton die Nummer von Ashtons Handy wählt und die Ansage kommt: ‚Sie sind verbunden mit dem Außenministerium der Europäischen Union. Für die deutsche Position drücken sie 1; für die französische Position drücken sie 2, ... und so weiter.Der Witz war gut, und er war gut erzählt. Mit britischen Understatement und Humor hat Ashton – der Selbstironie offenbar fähig – zum Ausdruck gebracht, warum die Europäer es eben genau so wollen, dass sie nur das europäische Stiefkind ist, das alle Arbeit machen soll, aber nirgends mittanzen darf.Ganz aktuell wird zu recht beklagt, dass Europa und Frau Ashton nicht sichtbar sind in Nordafrika, beim Aufbruch Tunesiens, Ägyptens, Jordaniens und hoffentlich Libyens in die Demokratie. Ja, das stimmt. Und wahr ist, dass Xavier Solana, ihr Vorgänger, nach Kiew in die Ukraine geflogen ist, als die Orangene Revolution dort begann. Aber hat Ashton es zu verantworten, dass Europa zwischen Osten und Süden unterscheidet? Dass der Osten als demokratietauglich gilt, aber beim Süden der Unterton mitschwingt, dass Muslims Demokratie „nicht können“?Die graue Alltagsarbeit macht sie gutCatherine Ashton hat das europäische Paradigma von Stabilität vor Demokratie nicht ausgegeben, sie leidet nur darunter. Über Silvio Berlusconi hat sie sich ganz bestimmt geärgert. Sie wird dadurch herabgewürdigt, dass sich Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und David Cameron über Ägypten nicht mit ihr abgesprochen haben, und dass ihr Landsmann Cameron sie sicherlich nicht gefragt hat, ob er mit Merkel eine Erklärung zu Libyen abgeben darf. Und Westerwelle hat sie bestimmt auch nicht angerufen, bevor er auf dem Tahrir-Platz in Kairo Händeschütteln ging und dann Sanktionen für Libyen forderte. Die EU mit ihrem Wertekatalog – Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie – ist eben „perfekt“, damit sich die EU-Länder mit ihren Interessen dahinter verstecken können.Aber erst wenn die Mitgliedstaaten jenseits ihrer nationalen Interessen wirklich eine starke und einheitliche europäische Außenpolitik wollen, kann aus Ashton eine europäische Machtpolitikerin werden. Indes, die Rolle des Aschenputtels macht Frau Ashton gut: die graue Alltagsarbeit, das mühselige Kompromisse-Finden, die Schritte der kleinen, aber wirksamen technischen Unterstützung, die unspektakulären Hilfsprogramme.Das Beste am EAD ist, dass er ganz neu ist. Ein bisschen Zeit wird man ihm zugestehen müssen, bis die Schwerkraft der neuen Institution spürbar wird. Bekanntermaßen haben sich die Dinge für manche brave Märchenfigur am Ende auch gedreht.
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