Ende einer wundersamen Freundschaft

USA/China Chinas Zentralbanker und Staatsfondsmanager sind nervös – für sie gibt es bei der schwindenden Liquidität der USA absolut nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren

Zentralbankchef Ben Bernanke hat wacker zu seinem Präsidenten gehalten. Seit Anfang des Jahres kauft die Federal Reserve (Fed) massenweise US-Staatsanleihen, so dass sie inzwischen mit mehr als 1,5 Billionen Dollar schweren US-Bonds im Portefeuille zum größten Gläubiger des eigenen Staates aufgerückt ist. Noch zu wenig, um die USA vor dem Unmut ihrer Auslandsgläubiger China, Japan, Großbritannien und den Golfstaaten zu bewahren. Wie im Sommer 2008, als Peking darauf drängte, die beiden Hypotheken-Giganten Fannie Mae und Freddie Mac zu retten, werden die Chinesen auch diesmal nervös. Bereits zweimal hat die Rating-Agentur Dagong Global Credit Ratings die Kreditnote für US-Staatsanleihen derb herabgestuft und droht mit noch schlechterem Ranking. Dagongs Präsident Guan Jianzhong erklärt, die USA seien bereits im Zahlungsverzug, während chinesische Zentralbanker keinen Hehl aus ihrer Sorge über die abenteuerliche Haushaltspolitik der USA machen, die chinesischen Interessen schwer schade.

Nach wie vor ist China mit derzeit über 1,15 Billionen Dollar an US-Bonds der mit weitem Abstand engagierteste Gläubiger der USA. Mehr als die Hälfte der chinesischen Devisenreserven von 3,2 Billionen Dollar stecken in Dollar-Anleihen. Ein US-Staatsbankrott würde diesen Geldreichtum rasant abschmelzen. Wenn sich Kongress und Weißes Haus in letzter Minute über die Schuldenobergrenze einigen sollten, will Dagong das US-Rating dennoch drücken, weil die US-Regierung kein Konzept zum wirksamen Schuldenabbau vorweisen und von einem selbsttragenden Aufschwung keine Rede sein kann. Weitere Konjunkturprogramme sind ausgeschlossen – Obamas expansive Geldpolitik hat sich erledigt .

Seit 2009 hat China brav den Kreditgeber der USA gespielt und seine Depots mit US-Staatsanleihen um über ein Drittel aufgestockt. Jetzt ist Schluss damit, Dollarverfall und Haushaltskrise lassen den Chinesen keine andere Wahl, als Abschied von Chimerika zu nehmen. Keinen jähen Ausstieg aus Eigentum und Erwerb von US-Bonds, aber einen Kurswechsel wird es ­geben. Seit Jahresanfang haben sich chinesische Staatsfondsmanager für mehr Inves­ti­ti­onen in europäische Anleihen und für Staats­papiere von Schwellenländern entschieden. Im Gegenzug wurden Käufe amerikanischer Staatsanleihen deutlich reduziert. Von den mehr als 250 Milliarden Dollar an Devisenreserven, die China seit Januar 2011 eingesammelt hat, flossen nur 46 Milliarden in US-Papiere – eine klare Zäsur. Seit 2007 haben die Chinesen stets mehr als die Hälfte ihres Jahreszuwachses an Devisenreserven dem US-Budget zugute kommen lassen.

Die bisherigen Anleihen zur Finanzierung des Euro-Rettungsschirms wurden bereits zu 40 Prozent von chinesischen Banken oder Staatsfonds gekauft. Schon Ungarn entging im Herbst 2008 der Staatspleite dank umfangreicher Kredite aus dem Reich der Mitte. Zweifellos sind die teilweise gut verzinsten Staatspapiere aus Euroland attraktiv. Ebenso wichtig ist den Chinesen aber die Stabilisierung der EU und des Euro-Raumes, des für sie mit Abstand sichersten Absatzmarktes der Welt.

Eigene Schuldenkrise

Wenn die Chinesen Euroland stützen, geht es ihnen auch um den Euro als Rivalen des Dollar. Den als Weltreserve-Währung abzulösen, kann aus chinesischer Sicht zunächst eine internationale Kunstwährung bewirken, die als Kreditgeld auf einem Währungskorb aus Dollar, Euro, Yen, Pfund sowie Schweizer Franken beruht. Käme es dazu, wäre das für China ein Zwischenschritt, um den Weltfinanzzentren New York und London ernsthaft Konkurrenz zu machen und den Yuan zu einer voll konvertiblen Weltwährung aufbauen zu können. Ob das gelingt, hängt auch davon ab, wie die Volksrepublik ihr eigenes Schuldenproblem bewältigt. Die seit Ausbruch der Weltfinanzkrise im Herbst 2008 aufgelegten Konjunkturprogramme wurden größtenteils über Milliardenkredite für Provinzregierungen finanziert. Mehr als 14 Billionen Yuan (1,5 Billionen Euro) flossen überwiegend in Infrastruktur-Projekte. Insofern hat die Volksrepublik ähnlich wie die USA mit der Überschuldung vieler Regionen zu kämpfen – Rufe nach Rettungsaktionen und Umschuldungen werden lauter. Die eigene Schuldenkrise wird die Neigung verstärken, sich mit riskanten Auslandskrediten an die USA künftig zurückzuhalten.

Michael R. Krätke ist Professor für Ökonomie an der Universität Lancaster

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