Halbzeit

Kolumne Wenn sie über Feminismus redet, trifft sie überall auf ätzende Abwehrreflexe. Unsere Kolumnistin macht trotzdem weiter und erklärt, wieso das überhaupt noch nötig ist

Oh Gott – Schon wieder dieser Feminismus! Hilfe! – solche Reaktionen sind mein täglich Brot geworden.

Als ich und andere auf der re:publica feministische Haltungen in unseren Panels einnahmen, florierten die Hasstiraden, die Häme und die Genervtheit auf twitter, in den Blogs und auch in den persönlichen Gesprächen auf dem Gang. Antje Schrupp brachte die Reaktionen auf die feministischen Panels bei der re:publica in einem Satz gut auf den Punkt: "Simone de Beauvoir war auch eine vom Männermainstream anerkannte Philosophin. Bis sie ein Buch DARÜBER geschrieben hat."

Die Reaktionen auf Leute, die über Feminismus, die Rolle der Frau etc. sprechen sind ätzend! Ich kann es trotzdem nicht lassen und fange immer wieder damit an. Laut. Und öffentlich. Als sei dieses laut und öffentlich DARÜBER Sprechen an sich eine Provokation, gibt es bei kaum einer anderen politischen Haltung diese heftigen Abwehrreaktionen. Warum auch immer, das soll uns hier nicht weiter beschäftigen.

So simpel wie frustrierend

Nein, viel spannender als solche klassischen Reflexe, sind ja die Intentionen derer, die sich - wie ich - immer wieder mit diesem verkackten Geschlechterthema befassen. Als wüsste ich nichts Besseres mit mir anzufangen! Da gibt es vieles, das ich stattdessen anpacken könnte: Meine Bachelorarbeit über die Grenzen von Bildungsstandards bietet viel Stoff für eine ausschnittsweise Betrachtung in einer Kolumne, die seit jeher ja auch für bildungspolitische Betrachtungen gedacht war. Mein Kopf ist voll von TheoretikerInnen der Politischen Theorie, von Arendt bis Rousseau ist viel drin. Früher habe ich am liebsten über Absurditäten deutscher Politik geschrieben, gesprochen und nachgedacht. Warum heute so viel Feminismus? Allein das Wort in den Mund zu nehmen, eine bestimmte Haltung als "feministisch" zu labeln - es macht oft mehr Feinde und mancheR hört nicht mehr richtig hin, sondern hat gleich den Feminismus-Filter für besonders hassenswerte Trigger-Begriffe eingeschaltet. Warum also von vornherein damit eine Diskussion eröffnen?


Die Antwort ist so simpel wie frustrierend: Weil es verdammt nochmal auch im Jahr 2011 nötig ist! Weil die Ignoranz einen Geschlechter-Bias hat. Weil Kristina Schröder "Frauenministerin" in diesem Land ist! Weil ihr es immer noch nicht kapiert habt!

Die Deutschen seien ein tadelsüchtiges Volk, hat Hegel einmal geschrieben. Das kotzte ihn ziemlich an. Meckern können die Menschen hier bis heute ziemlich gut - aber ändern soll sich um Himmels Willen bitte nichts! Ehrlich gesagt: Mich nervt das genauso wie Hegel! Ich hab keine Lust, dass dieser Geschlechterscheiß weiterhin so unproduktiv läuft. Kommt eineR an und fordert die Quote - kriechen sie aus ihren Löchern und meckern. Am liebsten wäre ich selbst Familienministerin – ehrlich! – ich würde diese Gesellschaft bei ihren Eiern packen (ich sehe die sich auf diese Stelle beziehenden Kommentare förmlich vor mir – egal!) und kräftig umkrempeln. Quote, Ehegattensplitting Adé, Wirtschaft und Arbeitswelt kräftig durchrütteln, Elterngeld nur, wenn beide gleich viel Elternzeit nehmen! – Jawoll, mir fielen viele tolle Aktionen ein und ich würde es genießen, wie sie alle heulten und meckerten. Natürlich würde ich ein paar Fehler machen, aber ich würde MACHEN!

Automatisch installiert

Das Leben der Frauen hat sich, seit Simone de Beauvoir darüber geschrieben hat, nur so punktuell geändert, dass es den größten Ansporn für mich bedeutet und ungeahnte Energien freisetzt, gegen die Häme, den Hass und das Meckern immer weiter an einer Revolution der Geschlechterordnung zu arbeiten. Mit Worten und Taten. Ein erster Schritt ist und bleibt diese Haltung, die international als „Feminism“ bekannt ist, zu mainstreamen. Sie muss ein Teil des „Gesellschaftsbetriebssystem“ sein – um es mit Gunter Dueck zu sagen. Automatisch installiert. Fraglos. Klischeefrei. Deswegen schreibe ich immer noch DARÜBER. Ich und viele andere. Bis es selbstverständlich ist.
Das nächste Mal schreibe ich aber trotzdem über Bildung.

Katrin Rönicke schreibt gerne, aber nicht nur, über Geschlechterdemokratie. Ihre Kolumne über Gender- und Bildungsthemen erscheint zweiwöchentlich, immer montags im Wechsel mit Verena Reygers Musikkolumne.

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Geschrieben von

Katrin Rönicke

ich bin... einfach so; ich bin nicht... so einfach

Katrin Rönicke

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