Wenn wir schon mal dabei sind, das ganze Wirtschaftssystem umzukrempeln und den Staat als gütigen Lenker und pfiffigen Denker einzusetzen, darf ich hier kurz eine Bitte in eigener Sache loswerden: Nutzt die Gelegenheit und schafft den europäischen Emissionshandel ab. Ich habe keine Lust mehr, für ein teures, ineffizientes, bürokratisches und undurchsichtiges System zu zahlen, das zwar die Herzen einiger Volkswirtschaftler höher schlagen lässt, dem Klimaschutz aber so gut wie nichts nützt.
Also, da hätten wir auf der einen Seite ein dickes, fettes Konto bei RWE, Eon und Co, genannt windfall profits, dem Gemeinbürger geläufig als Mitnahmeeffekt. Das ist das Geld, das die großen Energieversorger nur wegen der Einführung des Emissionshandels zusätzlich verdient haben. Die Umweltstiftung WWF schätzt diese Profite auf 3,8 bis acht Milliarden Euro jährlich seit 2005. Die Regierung hat vorsichtshalber selbst nicht nachgerechnet, wie das Umweltministerium jetzt in der Antwort auf eine Anfrage der Linken einräumte.
In jedem Fall ist das Geld von den Verbrauchern über höhere Strompreise bezahlt worden. Die Versorger bekamen die Verschmutzungsrechte zwar geschenkt, bilanzierten sie aber als Opportunitätskosten. Und wer Kosten hat, muss auch höhere Preise verlangen, ist ja klar. Allein von März 2007 bis März 2008 stiegen die Strompreise nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 12,4 Prozent – nicht nur, aber eben auch wegen dieser fiktiven Kosten. Ein Drei-Personen-Haushalt zahlte 2005 für Strom 54,53 € im Monat, 2008 waren es schon 63,15 €.
Dem stehen 4,4 Millionen Tonnen Treibhausgase gegenüber, die auf Grund des Emissionshandels angeblich pro Jahr eingespart worden sind. Die Zahl hat jetzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die Jahre 2006 und 2007 ausgerechnet. Das klingt zwar nach viel, ist aber in der großen weiten Welt des Weltklimas ein Klacks. Deutschland blies 2007 rund 981 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre. Ein Tempolimit 120 auf Autobahnen brächte nach Berechnungen des Umweltbundesamts 2,2 Millionen Tonnen Einsparung ohne einen Cent Investitionen.
Ein Riesenrenner ist das System nicht gerade
Wir haben also im schlimmsten Fall acht Milliarden Euro für eine Verringerung von 4,4 Millionen Tonnen gezahlt. Das sind 1.818 Euro die Tonne. Gut, grobschlächtige Rechnung, Milchmädchen, schlimme Diffamierung, sehe ich alles ein. Aber nur mal so als Anhaltspunkt: Ich sehe nicht, dass das System ein Riesen-Renner ist.
Das DIW, das den Emissionshandel grundsätzlich verteidigt, nennt ihn im jüngsten Wochenbericht verbrämt „noch weit vom Ideal entfernt“. Eigentlich funktioniert die Theorie ja so: Für jede Fabrik und jedes Kraftwerk gibt es Verschmutzungs-Zertifikate für eine bestimmte Menge Treibhausgase. Bleibt man drunter, kann man die Zertifikate verkaufen; durchbricht man den Deckel, muss man zukaufen. Für den Klimaschutz bringt das nur etwas, wenn die Menge knapp bemessen ist und mit der Zeit sinkt.
In der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 fiel die Zuteilung der Zertifikate aber „aufgrund politischer Prozesse, starkem Lobbyeinfluss und anfänglich unzureichender Datenbasis“ (DIW) so üppig aus, dass die Empfänger damit die Wände tapezieren konnten: Der Preis ging gegen Null und der Klimaeffekt eben auch. Seit 2008 hat die EU die Regeln verschärft und die Menge deutlich gedrosselt, so dass sich Industrie und Energieversorger nun eigentlich mehr anstrengen müssten – aber eben nur theoretisch.
Wozu die Extrawürste für Hinz und Kunz?
Denn die vermaledeite Krise funkt nun auch in dieses sehr wetterfühlige System hinein: Die Wirtschaftsleistung sinkt, der Energieverbrauch auch und damit auch der Preis für Zertifikate. Statt zwischenzeitlich über 23 Euro die Tonne kosten sie inzwischen nur noch neun Euro, Tendenz fallend.
Das Klima darf sich zwar über den erwarteten Rückgang der Emissionen um 1,5 Prozent dieses Jahr freuen, das schon. Aber dafür brauchen wir nicht dieses überregulierte System, mit seiner superkomplizierten Erfassung der Anlagen, der superkomplizierten Verteilung der Emissionsrechte, den Ausnahmeregelungen für Hinz (Freistellung energieintensiver Industrien) und den Sonderregeln für Kunz (Kohlekraftwerke in Osteuropa), wie sie jetzt für die nächste Handelsperiode ab 2013 beschlossen wurden.
Führt eine Klimagas-Steuer ein, fertig. Da weiß jeder auf dem Markt, woran er ist, und kann in klimafreundliche Technik investieren, um die Kosten zu umgehen. Und für die derzeit jährlich noch sieben Milliarden Euro entgangene windfall profits der Versorger – weil nun ein kleiner Teil der Zertifikate verkauft wird, gehen sie etwas zurück –, da finde ich auch noch eine Verwendung.
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