Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus werden seit Jahren von vielen Unternehmern und Privatleuten beschäftigt. Als Spargelstecher und Erdbeerenpflücker, als Pizzabäcker und Tellerwäscher, als Reinigungskraft, in der Pflege Kranker und Alter und in der Prostitution. Es kommt vor, dass ihnen für ihre geleistete Arbeit der übliche Lohn gezahlt wird. In der Regel jedoch wird er ihnen vorenthalten. Manchmal ganz und gar.
Das Zuwanderungsgesetz äußert sich zum Phänomen "Illegalität" nicht. Ein beredtes Schweigen. Denn die Bedingungen, unter denen die meisten, die keine Aufenthaltspapiere haben, von dem Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, verlangen dringend nach einer rechtlichen Besserung. Das gilt vielleicht nicht für die Großmutter ei
utter einer türkischen Familie, die nach ihrem befristet erlaubten Besuch bei ihren Kindern unerlaubterweise hier geblieben ist. Das gilt wahrscheinlich auch nicht für die Tochter einer irakischen Familie, deren Eltern hier Asyl erhalten haben und die nicht den Weg einer jahrelangen Antragprozedur auf Familienzusammenführung gewählt haben, um ihr Kind endlich wieder bei sich zu haben. Aber die Studentin, die nach Ablauf der bewilligten Studienzeit (noch) nicht zurück will, der abgelehnte Asylbewerber, der untertaucht, um nicht in Elend oder Verfolgung zurückgeschoben zu werden, die Arbeitsmigrantin, die ihr Auskommen in der Fremde sucht, der Flüchtling, der illegal hierher gekommen ist und auf einen Asylantrag verzichtet, weil er um seine Erfolglosigkeit weiß - sie alle arbeiten unter deutlich schlechteren Bedingungen als Menschen, die sich wehren können. Arbeitskräfte ohne Aufenthaltsrecht sind Arbeitskräfte ohne Rechte. Wer sich nicht wehren kann, kann erpresst werden - und wird erpresst. Die Untersuchungen besonders von der Caritas und dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten zeigen: Illegalisierte werden zu den übelsten Arbeitsbedingungen gezwungen, als Lohndrücker missbraucht und als lebendes Beispiel dafür eingesetzt, dass Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherung schon längst nicht mehr Mindeststandard in dieser Republik sind. Das Zuwanderungsgesetz schweigt darüber, dass die Mehrheit der geschätzten 500.000 bis eine Million Menschen ohne Papier, der "Sans Papiers", der "Illegalisierten" in Deutschland auf diese Weise ausgebeutet wird, ja, dass sie überhaupt existieren. Die Süssmuth-Kommission und die Bundesausländerbeauftragte hatten Vorschläge für eine gesundheitliche Mindestversorgung dieser Menschen unterbreitet; auch angeregt, dass humanitäre Unterstützung von Illegalisierten nicht unter Strafe gestellt wird - das Zuwanderungsgesetz nimmt diese positiven Vorschläge nicht auf, droht stattdessen weiterhin denen mit Bestrafung, die Illegalisierte unterstützen. Und es droht Menschen ohne Papiere mit sofortiger Inhaftierung und Abschiebung. Wobei die Zahl der Illegalisierten - und hier trifft der Begriff den Tatbestand präzise - durch das Zuwanderungsgesetz erhöht wird. Das geht zum Beispiel so: Zwischen 250.000 und 300.000 Flüchtlinge leben nach den bis zum 31.12.2002 geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen mit einer sogenannten "Duldung". Sie wird meist kurzfristig für wenige Tage, Wochen oder ein paar Monate erteilt und muss immer wieder verlängert werden. Ausgestellt wird sie zum Beispiel Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber dennoch nicht abgeschoben werden können, weil ihr Herkunftsland sie nicht zurück nimmt, weil es gar keine Verkehrsverbindungen dorthin gibt (z.B. in den Irak oder lange Jahre nach Jugoslawien) oder weil in ihrem Heimatland Krieg herrscht (z.B. Somalia oder lange Zeit Afghanistan). Ein großer Teil dieser nur "geduldeten" Flüchtlinge soll nun "Bescheinigungen über die Aussetzung ihrer Abschiebung" erhalten und in sogenannten "Ausreiseeinrichtungen" konzentriert werden. Kritiker sprechen von "Abschiebelagern". Es gibt diese Lager bereits in einigen Bundesländern, ihr Zweck dient einzig dazu, die Abschiebung der Insassen voranzubringen, und das auch mit Mitteln, die das Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz im Oktober 2001 mit Psychoterror verglich und als rechtsstaatlich nicht vertretbar ablehnte. Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl befürchtet, dass mehr als 150.000 Menschen in diese Lager verfrachtet werden. Viele von ihnen allerdings werden von dort gar nicht ins Ausland abgeschoben, wenn man den bisherigen Erfahrungen der Pilotprojekte glauben darf. Die Statistik der betreibenden Bundesländer sagt nämlich aus, dass nur ein geringer Prozentsatz der Lagerinsassen abgeschoben werden konnte, die meisten sind aus dem Gesichtskreis der Behörden "verschwunden". In die Illegalität, so steht zu vermuten, weil selbst die dortigen Lebensumstände noch erträglicher sind als die Zustände in den Lagern. Noch eine weitere Bestimmung des Zuwanderungsgesetzes wird die Zahl der Illegalisierten erhöhen. Drei Jahre nach Anerkennung eines Asylantrags nämlich sollen die Asylbehörden prüfen, ob der anerkannte Asylbewerber nicht doch abgeschoben werden kann. Das Zuwanderungsgesetz verweigert also auch den anerkannten Asylbewerbern eine sichere Lebensperspektive in Deutschland. Denn wenn sich die Zustände im Heimatland nach Ansicht der deutschen Behörden hinreichend stabilisiert haben, stünde auch die bis dahin erreichte Integration der anerkannten Flüchtlinge einer Abschiebung nicht im Weg. Wie viele Flüchtlinge werden in einem solchen Fall untertauchen, anstatt sich abschieben zu lassen? Wie viele Flüchtlinge mehr als bisher schon werden angesichts einer so unsicheren und zeitlich befristeten "Anerkennung" ihres Verfolgungsschicksals von Anfang an in die Illegalität gedrängt, anstatt sich den offensichtlich so wenig freundlich gesonnenen Asylbehörden anzuvertrauen? Illegalisierung von bisher legalen Flüchtlingen - wenn die Architekten des Zuwanderungsgesetzes diese Konsequenz nicht aus Unvermögen verursacht haben, muss sie gewollt sein. Leider spricht wenig gegen die zweite Annahme.