Der Auftakt ist furios, ein altmeisterliches Fest. Ein Kabinett im Halbdunklen, die Wände schwarz und grau gestrichen, zu sehen sind die unterschiedlichsten Darstellungen von Adam und Eva, dieser Ur-Erzählung des Kampfs zwischen Mann und Frau. Wuchtige Schinken hängen neben früher Fotografie, zwischen den Bildern steht eine Figur von Auguste Rodin.
Franz von Stucks Gemälde, es stammt aus dem eigenen Bestand des Städel-Museums, zeigt Eva als hinterlistige Sexbombe. Lasziv fällt ihr Kopf zurück. Die Schlange, in deren Mund der paradiesische Apfel für Adam steckt, wickelt sich um ihren makellosen Körper, bedeckt artig die Scham. Der abgewinkelte, rechte Arm lässt sich als selbstbewusste Geste deuten. Lüstern geht ihr Blick zum Mann, der den verbotenen Apfel übersieht, weil er nur Augen für den Körper der Frau hat. Noch softpornomäßiger ist eine Malerei des Briten John Collier, der zur Gruppe der Präraffaeliten gezählt wird. Das Gemälde stellt Lilith dar, in der jüdischen Mythologie die erste Frau Adams. Die sie umschlingende Schlange giert nach Liliths Brust, ihr üppiges Haar ist kupferrot. Der Salonmaler Collier hat sich mit ihr ein Pin-up-Girl, ein trophy wife erschaffen.
Schreckenskabinette
Ganz anders die Eva aus dem Film Ekstase des tschechischen Avantgardisten Gustav Machatý. In einer Ausstellungsbox wird ein Ausschnitt daraus gezeigt. Machatýs Eva, gespielt von Hedy Lamarr, ist selbstbewusst, sie lässt sich von ihrem Mann Emil scheiden, lebt ihre Sexualität aus. Wegen der Nacktszenen und einer Orgasmusdarstellung löste der 1933 gedrehte Film einen Skandal aus. Die österreichische Schauspielerin Lamarr, gebürtig Hedwig Eva Maria Kiesler, empfahl sich dank dieses Films erfolgreich fürs Hollywood-Kino.
Über 150 Werke aus der Hochzeit der Moderne, von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit zwischen den Weltkriegen, die sich mit Geschlechterbildern und dem Geschlechterverhältnis auseinandersetzen, versammelt die Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum. Der Titel Geschlechterkampf könnte genauso gut Männerfantasien lauten. Gerade im ersten Teil der Schau, der sich auf die Werke des 19. Jahrhunderts fokussiert, kommen so gut wie keine Künstlerinnen vor – was natürlich auch daran liegt, dass Frauen damals von den Kunstakademien noch weitgehend ausgeschlossen waren.
Man sieht also Bilder davon, wie sich männliche Künstler Frauen vorstellten und erträumten. Und man sieht Frauen, vor denen sie sich fürchteten. Dass die Männer auf die sich vorsichtig formierende Emanzipationsbewegung mit Frauenbildern reagierten, die ihre Angst vor Veränderung deutlich machten, ist die zentrale These der Kuratoren Felicity Korn und Felix Krämer. Was sie zusammengetragen haben, untermauert diese Sichtweise eindrücklich, die Schau hat unzählige Schreckenskabinett-Momente zu bieten (natürlich gab es zu der Zeit auch ganz andere Frauenbilder, die sanften Grazien und sorgenden Mütter waren ja nicht plötzlich verschwunden).
Die Künstlerliste von Geschlechterkampf liest sich wie ein Who’s Who der Moderne. Schlüsselwerke von Edvard Munch, Pierre Bonnard, Otto Dix, Max Ernst, Marcel Duchamp, Frida Kahlo, Lee Miller und vielen anderen mehr werden gezeigt. Die gemalten, gezeichneten, fotografierten und gefilmten Frauen, die man in den einzelnen Kabinetten entdeckt, wirken tatsächlich furchteinflößend, obwohl einige der Darstellungen mittlerweile auch etwas unfreiwillig Komisches haben. Da ist beispielsweise die Salome, die der Franzose Jean Benner um 1899 malte: ein gleichgültig dreinblickendes, blasses Wesen zwischen Kind und Frau, mit einem sanften Lächeln auf den geschminkten Lippen und nur wenig, sehr durchsichtigem Stoff über den Brüsten. Auf dem Teller, den sie in den Händen hält, liegt der abgetrennte Kopf von Johannes dem Täufer, der in ihrem Auftrag geopfert wurde. Sie würdigt diesen Toten mit keinem Blick. Überlegen, kühl und erotisch anziehend erscheint Jean Benners Salome, kaltblütig wie ein Mädchen der Manson-Family.
Ein ganzes Sammelsurium an nackten, männermordenden Amazonen hat der Symbolist Franz von Stuck erschaffen, seinen Bildern wird ein eigener Raum gewidmet. Bei Alfred Kubin ist die Frau eine breitbeinige Spinne mit riesiger Vulva, die lauter Liebespaare in ihrem Netz gefangen hält. Grotesk, karikaturenhaft und drastisch zeichnet Gustav-Adolf Mossa, auch er ein Vertreter des Symbolismus, die unheilbringende Frau. Schlicht Sie hat der Künstler das Bild betitelt, das solch eine Todbringerin zeigt, die auf einem ganzen Berg voller Leichen thront. In ihrem Haar erblickt man Totenschädel und zwei Raben, um den Hals trägt sie eine Kette mit Pistole, Dolch und Giftkapsel. Ihr Gesicht mit den Glubschaugen und der seltsam verformte Körper lassen einen an die Frauenfiguren in Manga-Comics denken.
Dazwischenwesen
Mossas gespenstische Femme Fatale ist auch das Leitmotiv der Werbekampagne für die Ausstellung. Wie kein zweites Bild unterstreicht es die These, dass die Künstler in ihren Werken eine Abneigung gegen den Feminismus verewigt haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandelte sich jedoch der Blick, wurde zusehends vielfältiger. Im zweiten Teil der Schau sieht man die großartigen ironischen Collagen der Dadaistin Hannah Höch, man sieht das berühmte Foto von Lee Miller in Adolf Hitlers Badewanne, erblickt Marcel Duchamps Mona Lisa mit Bart. Eine Entdeckung ist Elfriede Lohse-Wächtler, die den Alltag von Prostituierten in schonungslosen Skizzen zeichnet. Die Surrealisten waren es, die die Feier des Androgynen zum Programm machten. Gezeigt werden aus dieser Epoche etwa die beeindruckenden Selbstporträts von Claude Cahun, in denen die Geschlechtergrenzen verschwimmen. Und Meret Oppenheim verschnürte ein Paar Frauenschuhe und servierte sie auf dem Silbertablett, Mein Kindermädchen nannte sie das Werk. Am Ende des Parcours stehen die berühmten, rätselhaften Selbstbilder der Frida Kahlo, die gleichzeitig Verletzlichkeit und Selbstbewusstsein ausstrahlen. Meisterwerke allesamt.
Aber was hat uns diese Ausstellung zu sagen? Erstaunlich wenig. Und das, obwohl ihr Thema so aktuell ist, obwohl für sie Schätze wie etwa die frühen Zeichnungen der Berliner Künstlerin Jeanne Mammen, die nie zuvor gezeigt wurden, geborgen wurden. Das Problem von Geschlechterkampf ist, dass die Schau keinen Bogen in die Gegenwart schlägt. So bleibt sie ein kunsthistorisches Schmankerl mit spektakulären Werken und hochkarätiger Künstlerauswahl, zum Nachdenken über den Status quo bei der Geschlechtergerechtigkeit aber lädt sie kaum ein. Daran ändert auch nichts, dass auf den Wänden im Foyer zahlreiche Zitate und die bekannten Hashtags (#aufschrei, #pinkstinks und so weiter), die auf die Aktualität des Themas verweisen, zu lesen sind.
Man hätte sich für diese Ausstellung eine Gegenüberstellung mit den künstlerischen Frauen-, Männer- und Dazwischenwesen-Bildern unserer Zeit gewünscht. Man würde gern wissen, wie diese Werke der Moderne wirken, wenn man neben sie die Videos und Porträts von Rineke Dijkstra, die knallbunten Installationen von Isa Genzken, die glatt gephotoshopten Frauen einer Kate Cooper oder die Mädchenbilder der kanadischen Fotografin Petra Collins stellen würde. Entdeckt man dann Parallelen? Kämpfen wir heute mit anderen Stereotypen? Welche Bilder sind es, die jetzt durch unsere Köpfe spuken? Solche Fragen stellt die Städel-Ausstellung leider nicht.
Info
Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo Städel-Museum Frankfurt am Main, bis 19. März 2016
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