Ach, wie süß

A-Z Sommergetränke Als Zucker noch keine Sünde, war die Welt einfach: Es gab Zuckerwasser. Heute gibt es Bubble Tea, Rhabarberschorle, Schattenbier. Schmeckt’s? Das Lexikon der Woche

Aperol-Spritz-Bier

Kaktusfeige, Birne-Ingwer oder Grapefruit – sie waren die Vorstufe. Ideal für den Nachhauseweg, den Balkon, zum Feierabend. Aber so einen Fruchtbiermix würde man niemals an der Bar bestellen, wenn bei der Party etwas laufen soll. Wenn man es am Tresen doch tut, schaut einen der Barmann irritiert an. „Haben wir nicht. Aber vielleicht einen Aperol Spritz?“ Tja. Trinken hier alle, Junge und Alte, den Sekt mit Süß-Bitter-Likör. Ist aber schnell leer das Glas, und man braucht viele, um wenigstens einen oder zwei Typen so schön zu finden, dass man eventuell doch noch bleibt. Aber es sind nie die Richtigen, meist funkelt nur die Fassade, so wie bei dem Drink das Orange. Das aber gibt es nun als Bier. Schöfferhofer Weizen Sprizz, mit­ Bitterorange. Wer so etwas mit einem trinkt, der tut das im Park, der ist ehrlich. Und nicht so ein Aperol-Weichei. Maxi Leinkauf

Berliner Weiße

Ich habe meine Kindheit in der hessischen Provinz verbracht. Zu den absoluten Höhepunkten gehörten dort das sommerliche Vorabendprogramm im Fernsehen und der Blick in die aufregende Erwachsenenwelt. Ich erinnere mich an das ferne West-Berlin Mitte der achtziger Jahre, an Günter Pfitzmann, Dieter Thomas Heck, poppige Musik und ältere Damen mit Föhnfrisur auf braunen Terrassen, die Berliner Weiße schlürften. Das muss sie sein, die große weite Welt, dachte ich! Das mache ich auch, wenn ich erwachsen bin. Weißbier mit Waldmeister oder Himbeersirup schlürfen, aus diesen gruselig breiten, uneleganten Schalen-Gläsern mit viel zu langem Stiel. Mit zwölf gab es nichts Glamouröseres für mich. Ich habe bis heute keine einzige Berliner Weiße getrunken. Stefanie Leimsner

Bio Zisch

Auch wenn der Name genauso bescheuert klingt wie die hessische Brause Bizzl, ist Bio Zisch jedes Lob wert. Das Produkt zeigt, wie eine Limonade schmecken muss. Ob Blutorange, Rhabarber oder Rosenblüte: Der Mehrwegflaschendrink kommt in all seinen elf Sorten der selbstgemachten Variante so nahe, wie ein Industriefabrikat nur kann. Das Bio-Siegel ist nur das i-Tüpfelchen.

Da muss man den Demeterquatsch von einer Magenverstimmung auf Ägyptenfahrt, die von einer Limettenbrause kuriert wurde – angeblich Inspirationsquelle für Bio Zisch –, gar nicht glauben. Im Zweifel schmeckt Bio Zisch eben trotz bio. Tobias Prüwer

Bubble Tea

Dieser Blasentee verzichtet weitgehend auf bittere Kräuter. Denn egal ob es auf Schwarz- oder Grüntee basiert, das angesagte, mit verschiedenen Sirups und Milch versetzte Getränk besteht weitgehend aus Zucker. Teilweise wurde ein Gehalt festgestellt, der doppelt so hoch ist wie der von Cola. „Bubble“ heißt der in den Achtzigern in Taiwan erfundene „Tea“ wegen der zugesetzten „Bubbles“, geleeartigen Perlen. Beißt man auf die mit flüssigen Aromen gefüllten Kügelchen, wird’s im Mund noch zuckriger. Vielleicht nutzen deshalb viele Tea-Timer die Perlen auf andere Weise: Man kann sie in den mitgelieferten Strohhalm einsaugen und mit kräftigem Backendruck durch die Luft schicken. Daher gibt es Bubble Tea vorzugsweise im Straßenverkauf, und ein gängiges Verbotsschild lautet: „Bitte nicht schießen!“ TP

Dough

Die meisten schütteln nur den Kopf, wenn man sie fragt, ob sie es kennen. Dough, ausgesprochen Durr, ist ein Sommergetränk aus dem Iran, ähnelt dem türkischen Ayran und wird zu Fleischgerichten serviert. Die meisten iranischen Restaurants hierzulande führen es auf ihrer Speisekarte. Wenn allerdings Nicht-Iraner hören, woraus es besteht, sind sie zuerst einmal skeptisch. Joghurt wird mit (Mineral-)Wasser und ein wenig Salz gemischt. Man kann den Geschmack variieren, indem man Gewürze wie Minze, Dill oder Petersilie beigibt. Kühl serviert schmeckt es am besten. Also, gleich beim nächsten Restaurantbesuch ausprobieren. Behrang Samsami

Eiskaffee

Gerade wenn die sommerliche Mittagshitze einen matt und träge macht, steigt der Koffeinbedarf – besonders für jene, die im Büro statt am Badesee sitzen. Aber wer will jetzt einen warmen Kaffee trinken? Deshalb lieber: Eiskaffee. Die überzuckerten Variationen aus den Kühlregalen der Supermärkte sind meistens ungenießbar. Besser schmeckt er im Café, mit einer Kugel Vanilleeis und ordentlich Sahne. Nur leider steigert d­­­iese mächtige Zuckerbombe die Mittags-Trägheit noch. Klüger ist daher die spanische Variante: Hier wird zu der einfachen Tasse Kaffee ein Glas voller Eiswürfel serviert. Beides in ein Glas zu gießen erfordert etwas Fingerspitzengefühl, ist aber die Mühe wert! Juliane Löffler

Fassbrause

Seinen Namen verdankt das Getränk der ehemaligen Lagerung in Fässern, aus denen die mit Kohlensäure versetzte Limonade aus Kräutern, Zitronensäure und Malzextrakt gezapft wurde. Ursprünglich ein Berliner Traditionsgetränk ohne Alkohol, wird sie heute von Brauereien in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Zusammensetzungen in Glasflaschen angeboten – da sowohl Name als auch Rezeptur nicht geschützt sind, oft mit einer Beimischung von alkoholfreiem Bier, das bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten kann. Um das etwas altbackene Image aufzupolieren, wurden die Flaschen optisch an Biermischgetränke angepasst. Jutta Zeise

Hugo

Beim Terminus „Trend“ sollte man bekanntlich vorsichtig sein. Er ist meistens nur ein Füllwort der Werbung. Auch Hugo ist anscheinend ein „Trendgetränk“, sogar das „Trendgetränk des Sommers“. Hugo, von Kennern „Ugo“ ausgesprochen, ist ein Prosecco-Cocktail mit Holundersirup, Limette, Minze und Soda oder Sprudel. Er erinnert im Geschmack an Mojito. Ursprünglich wurde er in Südtirol angerührt, verdrängte dort den ➝Aperol Spritz von der Spitzentrendposition und wanderte nordwärts. Inzwischen ist er im Ruhrgebiet heimisch und streckt sich energisch gen Norddeutschland. Das Gute an Hugo: Man kann ihn prima selber machen, denn Holunder findet man auch hierzulande buchstäblich an jeder Straßenecke. Mark Stöhr

Kwas

In Russland, der Ukraine und vielen baltischen Staaten ist Kwas eines der beliebtesten Erfrischungsgetränke für heiße Sommertage. Optisch erinnert es an Malzbier, ist aber nicht süß, sondern besticht durch seinen leicht gewöhnungsbedürftigen, säuerlichen Geschmack. Wie der deutsche Name, „Brottrunk“, schon verrät, wird es traditionell aus Wasser, Malz, Roggenmehl, Hefe und Sauerteig hergestellt. Die einsetzende Milchsäuregärung wirkt verdauungsfördernd, und es verfügt über einen geringen Alkoholgehalt (0,05 bis 1,44 Prozent), vergleichbar mit dem von Apfelmost. Viele Hausfrauen stellen es selbst her, und auf der Zutatenliste stehen Zwieback, Birnen, Beeren und alle erdenklichen anderen Früchte. Kwas verfügt über eine lange Tradition und ist so etwas wie das gesunde Gegenstück zum Wodka. Für den Morgen danach. Sophia Hoffmann

Quench

Der Name des grellorangen Pulvers kam vom englischen „to quench“, löschen, und sollte sich wohl auf den Durst beziehen – was angesichts der komplett synthetischen, extrem zuckerlastigen Zusammensetzung ausgeschlossen war. Ich war süchtig nach Quench. Und komplett fixiert auf den Typ Orange, der in großen Krügen angerührt wurde, und zwar nie im vorgeschriebenen Mischungsverhältnis, sondern mit weniger Wasser, damit es im Mund richtig quietschte. Dass das, was ich da trank, bis heute das Nationalgetränk von Nebraska ist und sich hervorragend auch zum Färben von Seide und Haaren eignet, war mir nicht bekannt. Von letzterem Vorzug soll übrigens Kurt Cobain ausgiebig Gebrauch gemacht haben. In den USA hat Quench einen weniger schönen, aber prominenteren Namen: Kool-Aid. Dafür kann man es dort immer noch kaufen. Kathrin Zinkant

Rhabarber-Ingwer-Schorle

Wenn die Zunge wie ein Staubwedel am Gaumen klebt und man schon Fata Morganas von roten Coca-Cola-Lastern hat, heißt die Erlösung: Rhabarbersaftschorle. Spritzig und randvoll mit Eisstücken, gibt es kaum einen besser schmeckenden Durstlöscher. Wem Rhabarber allein zu süß ist, kann die „Wunderknolle“ Ingwer dazugeben. Sie stärkt das Immunsystem, räumt den Magen auf und wirkt wie Aspirin. Auch wenn Schlankheitsexperten gerne vor Fruchtzucker warnen, hat so ein Glas Schorle übrigens immer noch rund 60 Kalorien weniger als ein Glas Cola. MS

Schattenbier

In der Brauerei zu Röglitz nahe Leipzig wird ein feines Schwarzbier gehopft und noch per Hand abgefüllt. Auch die Etiketten werden manuell verklebt. Unter dem leicht makabren Namen „Totengräber“ vermarktet die Familien-Bierschmiede das farbstofffreie Getränk mit ausgeprägter Malznote. Immerhin lohnt all die Mühe. Das Bier ist weniger süß als seine Industriebierpendants, und so ist dieses kleine Schwarze an heißen Tagen ein süffig-säuerlicher Durstlöscher. Ob der fünf Umdrehungen geht man mit ihm, wie der Name schon sagt, aber besser aus der Sonne. TP

Slush Puppie

In den USA gehört Slush zum Standardsortiment jeder Raststätte. Der grellbunte Eismatsch wird mit einer Maschine aus Wasser, Zucker und Aromen hergestellt. In der Eisdiele meiner Kindheit gab es ihn als Slush Puppie, das Logo zeigte einen Hund, der sich die Schnauze leckt. Ich war begeistert. Meine Öko-Mutter verdrehte die Augen und kaufte mir alle Jubeljahre mal eine Portion Waldmeister- oder Cola-Slush. Danach hatte ich keinen Appetit mehr auf Abendessen. Ich klebte, war aber glücklich. SH

Tinto de Verano

Wer schon mal nach einem Sangria-Abend wach geworden ist, weiß, wie weh ein Kopf tun kann. Der Teufelsmix: Schlechter Wein und eine Tonne Zucker, damit man nicht merkt, wie schlecht der Wein ist. Kein Spanier würde Sangria anrühren. Dort trinkt man Tinto de Verano, zu deutsch: der „Rote des Sommers“. Dazu nehme man Rotwein, Zitronenlimonade, am besten der Marke Gaseosa, und fertig ist die Siesta-Schorle. Ihr Vorteil: Sie knallt nicht, sondern macht ganz behutsam glücklich. MS

Zuckerwasser

Süddeutschland, Sommer, frühe Achtziger. Die Sonne war noch nicht böse und Zucker auch nicht. Hauptsache, man wurde braun und kühlte sich mit etwas richtig Süßem ab – m­­it Zuckerwasser: ein Weizenbierglas Wasser, drei Esslöffel Zucker, umrühren, fertig. Besser und billiger als jede Limo. Damals. DAZ

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