Rache

Linksbündig Wie schön dürfen Lesben sein? Anne Will und ihr Outing

Einer alten, ehrwürdigen Theorie zufolge verhält es sich mit jeder sexuellen Orientierung ganz einfach: entweder Begehren oder Identifikation. Der kleine Junge begehrt die Mutter und identifiziert sich mit dem Vater, das kleine Mädchen tut es umgekehrt. Wir gleichen dem einen Geschlecht, weil wir das andere begehren. Wir begehren das andere, weil wir dem einen gleichen. Fertig ist die Chose. Auch bei Homosexuellen, den Weibmännern und Mannweibern.

Nun hat sich die Ex-Tagesthemensprecherin Anne Will geoutet. Da freuen sich die einen, die anderen tun unaufgeregt, wieder andere machen eine quietschsüße Traumprinzessinnenromanze daraus und spielen das alte doppelbödige "Hasch-Mich" Zeug aus, "sie hat es gewagt" und "endlich kann sie zu ihrer Liebe stehen". Alles wie gehabt soweit. Anders allerdings als bei Klaus Wowereit oder Guido Westerwelle, anders auch als bei Ulrike Folkerts oder Maren Kroyman gibt es bei diesem Prominentenouting ein Surplus, denn Anne Will ist besonders erfolgreich, und sie sieht besonders gut aus. Folglich setzt sich eine weitere Imaginationsmaschinerie in Gang. Die "schöne Lesbe" ist ein Phantasma von Männern und Frauen - sie beruhigt und irritiert, wenn auch je nach Begehrensmuster auf verschiedene Weise, und es fragt sich: Wie schön dürfen Lesben eigentlich sein?

Zunächst zur Beruhigung. Die "brünette" Anne Will und ihre ebenfalls von der Presse mit dem Beauty-Etikett versehene "blonde Professorin" Miriam Meckel haben bei ihrem entscheidenden Auftritt im Jüdischen Museum brav die Vorgabe für den gewünschten Softporno erfüllt: keine Hosenanzüge, keine Lederkluft, kein dräuendes Hyänengebrüll, statt dessen Partnerinnenschmuck und "festliche, dunkle und figurbetonte Abendkleider". Die Männerphantasie ist bedient - zwei erotisch einander zugetane Frauen ohne kastrierenden Mann in der Nähe - und die Frauenphantasie ebenfalls. Gut geschminkt ist halb gewonnen.

Anne Wills Inszenierung ist auch Balsam auf wunden Lesbenseelen. Das Elend der Homosexualität liegt ja darin, dass Identifikation und Begehren hier doch irgendwie zusammenfallen. Homos begehren das Geschlecht, mit dem sie sich auch identifizieren müssen, nur läuft die Sache meist nicht so sauber ab, wie man sich das wünschen möchte.

Das Thema "Lesben und Schönheit" ist ein vermintes Feld, und alle Pride-Paraden und Coolness-Übungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die dominante heterosexuelle Matrix der Baukasten ist, aus dem sich auch homosexuelles Begehren bedienen muss. Man entkommt dem Raster nicht und nicht seinen Wertungen. Der wirklich lesbischen Ästhetik ist, weil falsch verschraubt, der Titel "schön" verweigert. Die lesbische Sozialisation ist notwendigerweise mit Scham und Wut versetzt und konfrontiert mit der permanenten ödipalen Kränkung, dass die meisten Frauen sich für Männer interessieren. Will heißen: Lesbe, du kriegst Mutti nicht, und die Zahl der erwachsenen Substitute für dein erstes Liebesobjekt ist verdammt beschränkt. Ach, das macht nun wirklich keinen Spaß; beim Sex geht es, wie beim Essen, doch ganz banal um Eifersucht und Habenwollen.

Die "schöne Lesbe" aber hat es irgendwie geschafft, das Idealbild zu verkörpern. Schönheit ist Macht. Schönheit ist der weibliche Phallus. Die schöne, weibliche Lesbe hat ihn, und sie ist, um noch eins draufzusetzen, die reine Rache der Camouflage - sieht heterosexuell aus, ist es aber nicht.

In gewissem Sinn ist Anne Wills Outing wirklich schade, denn seit Jahren haben Heerscharen von Lesben vor dem Fernseher gesessen und in geheimer Genugtuung bereits gewusst: Die ist eine von uns. Nun denn, jetzt ist sie´s öffentlich. Und es mag der Herr Wagner in der Bild noch so bedauernd verkünden, wie gern er auf Wills Brüste starrte - er kriegt sie nicht. Und das ist, so viel Rache sei erlaubt, sehr gut so.

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