Altern geschieht in Schüben. Zwar schreitet der Prozess grausam kontinuierlich voran, doch erst anhand physischer oder mentaler Zäsuren bricht die klare Erkenntnis auf, dass wirklich etwas vergangen ist. Es muss 25 Jahre her sein, dass mich auf einem Bahnsteig am Bahnhof Zoo die erste dieser Zäsuren traf – denn um mich herum sah ich plötzlich nur Menschen, die jünger waren als ich, aber längst schon erwachsen. Ein zweiter mentaler Bruch – von den physischen rede ich noch gar nicht – war vor rund zehn Jahren ein öffentliches Podium, auf dem ich über „Sexual Politics“ reden sollte. Unten im Saal schauten mir blutjunge Gesichter entgegen, ob queer oder straight, konnte ich nicht feststellen, nur siedend heiß war der Gedanke: Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ihr im Bett macht. Was um Himmels willen soll ich euch über Sexualität erzählen?
Seither häufen sich die Zäsuren, sie werden zur schmerzhaften Routine, und die letzte stammt aus dem vergangenen Sommer, als ich in einem Kunsthochschulseminar, „Textproduktion für Print und Radio“, einen der Teilnehmer dabei beobachtete, wie er, sichtlich überfordert, versuchte, eine Süddeutsche Zeitung zusammenzufalten. Das war eine Kulturtechnik, die er nicht gelernt hatte und auch nicht mehr brauchte.
Sprachliche Skills: nutzlos
Generationenkonflikte entzünden sich an den Fragen von Autorität, Wissen, Erfahrung, Fertigkeiten und Fitness. Bislang standen Autorität, Wissen und Erfahrung auf Seiten der älteren Generation – etwa wegen gefestigter beruflicher und familiärer Positionen oder auch Lebenserfahrung –, während die Jüngeren mit Geschicklichkeit punkten konnten (oft) und mit Fitness (immer). Agiler sind sie, in der Regel gesünder als die Alten, und die Zeit ist auf ihrer Seite. Sie tragen in sich das Versprechen von Zukünftigkeit.
Doch ganz so fest gefügt ist die Aufteilung heute nicht mehr. Weil sich Lebensformen und Berufswege schnell ändern, ist etwas weicher, vielleicht auch nur diffuser geworden im Generationenverhältnis, vor allem was Autorität angeht. Die Alten sitzen nicht mehr so fest im Sattel, der Gesprächston ist egalitärer, freundschaftlicher als früher, und die üblichen Konflikte zwischen Eltern- und Kindergeneration verlaufen, so scheint es, gemäßigter.
Nicht nur Personen, auch Institutionen haben im schnellen gesellschaftlichen Wandel an Autorität verloren; deutlich zeigt sich das an den klassischen Medien Fernsehen, Print und Radio. Deren Relevanz hat rapide nachgelassen, stelle ich beunruhigt auch an mir selbst fest. Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich als Schreiberin, aber in letzter Zeit denke ich öfter: Ich falle aus Print heraus. Das liegt einerseits daran, dass da viele Autor:innen nachgewachsen sind, die ihre Sache sehr gut machen, andererseits daran, dass das eigene Interesse nachlässt, weil man irgendwann alles schon gehört, gelesen und geschrieben zu haben meint. Zugleich aber haben die Zeitungen selbst deutlich an Renommee verloren. In den 1990ern/2000ern fühlte es sich bedeutsam an, die eigenen Texte gedruckt zu sehen, auch weil das irgendwie haltbar aussah. Das war natürlich schon damals eine Täuschung.
Die Studierenden in meinem Kurs lesen keine Printmedien mehr – sie alle beziehen ihre Informationen über Instagram; auf manche meiner Artikel sind sie über irgendwelche Links aufmerksam geworden, während ich Mühe habe, die eigenen Beiträge in den Online-Ausgaben der Zeitungen zu finden. Das gelingt nur noch über Stichwortabfrage. Textproduktion für Print und Radio – was bringe ich euch da bei?, denke ich. Die Halbwertzeit der Bedeutung der eigenen Erfahrung, auch der sprachlichen Skills, verringert sich rapide, nutzlos steht mein Handbuch des Journalismus im Regal, ganz zu schweigen von Deutsch für Profis. Lange war das Buch wichtig, doch jetzt klingen Wolf Schneiders selbstverliebte Erbsenzählereien eher lächerlich: „Jedes weggestrichene Adjektiv ist ein Gewinn.“
Ein Kollege, Feature-Redakteur bei einer großen Rundfunkanstalt, sieht das optimistischer. Die ganze heilige Institution Radio, die hierarchische Maschinerie mit ihrem Personal, dem Equipment, den Tonstudios, den Redaktionen samt ihren Gatekeepern laufe leer, sagt er fast erleichtert. Die jüngeren Featuremacher:innen podcasten, werden von Spotify angeheuert und verdienen damit Geld. Die hohe Kunst, überhaupt Zugang zum Rundfunk zu bekommen, der Umgang mit komplizierter Tontechnik, sei nicht mehr so wichtig. Gut so, findet er. Weg mit den zu schweren Tankern. „Was sollen wir den Jüngeren aber noch beibringen?“, frage ich. „Das, was wir können“, sagt der Kollege. Das ist in seinem Fall, gute Töne zu produzieren, in meinem: sorgfältige Formulierung, Nachdenken, Argumentieren.
Als sie 22, 23 Jahre alt war, wollte sie unbedingt zur Zeit, erzählt eine junge Onlineredakteurin. Sie arbeitet bei einer alteingesessenen Frauenzeitschrift, die dank ihrer Insta-Postings ziemlich hip aussieht. Heute sei sie froh, überhaupt einen Job zu haben, und sie wisse absolut nicht, was die Zukunft bringen wird. Von der älteren Generation abschauen könne sie sich vor allem „Ruhe und Genauigkeit“. Als sie das sagt, schwingt auch ein bisschen Wehmut mit.
Brav und freundlich bedanken sich die Studierenden im Kurs „Textproduktion“ für die Einblicke, die sie gewonnen hätten – für klassische Printmedien schreiben wollen sie keinesfalls. Brav und freundlich achte ich auf korrektes Gendern und halte meine Irritation darüber in Schach, dass sie politisch auf einer geraden Linie zu stehen scheinen. Warum nicken alle bei den gleichen Aussagen, als gäbe es hier keinen Widerspruch? Niemanden verletzen, niemanden ausschließen – ich kenne diese Regel nicht von früher, die Selbstverständlichkeiten waren andere, und auch die Triggerpunkte politischer Empörung.
Wie nehmt ihr mich eigentlich wahr, wenn überhaupt?, frage ich mich in der Begegnung mit wesentlich Jüngeren. Keine Ahnung, für wie alt die Youngsters mich eigentlich halten. Ich kann mich nur daran erinnern, wie ich Ältere früher gesehen habe. Ob die 40 oder 50 oder 60 Jahre alt waren, spielte keine Rolle – sie waren jenseits. Jenseits einer Mauer.
Erfahrungen können nur begrenzt weitergegeben werden, denke ich, viele der Weisheiten der Älteren sind in der Gegenwart nutzlos. Manche Erfahrungen müssen einfach immer wieder neu gemacht werden, und manche lassen sich nicht vermitteln, weil sie nicht vorstellbar sind. Ich weiß noch, wie meine Mutter sagte: „Ach, 50, das ist ja noch gut“ – das fand ich verrückt damals –, und wie ich meinen Vater auslachte, weil er sich über die unlesbare Schrift der Packungsbeilagen von Arzneimitteln aufregte. „Das ist nicht klein gedruckt, du wirst nur weitsichtig, du alter Mann.“ Doch wer lacht zuletzt? Heute weise ich den blutjungen Orthopäden zurecht, der mir mitleidlos das Bergwandern verbietet: „Können Sie vergessen mit den Knien.“ – „Da kommen Sie auch noch hin“, entgegne ich und weiß, dass er sich das nicht vorstellen kann. Auch 20-, 30-, 40-Jährige seufzen übers Älterwerden, doch wie es wirklich ist, ahnt man erst, wenn man Ältere nicht mehr als fremde Gruppe wahrnimmt, sondern in ihnen die eigene Zukunft sieht.
Was aber, wenn einfach niemand mehr weiß, wie ein schwieriger Text zu lesen ist, und wenn es auch nicht mehr wichtig ist? Wenn die Standards sich ändern, der Genitiv halt verschwindet, so wie die ehemals als schön geltende Partizipialkonstruktion, wenn sich keiner mehr daran erinnert, was das war, ein langer Essay, wenn niemand mehr komplexen Satzbau versteht? Sprache ändert sich, Stile und Moden vergehen, und auch – vermutlich – die Kriterien für „Genauigkeit, Präzision, Sachangemessenheit“.
Der heilige Augustinus, ein durchaus gebildeter Mann, konnte schon im vierten Jahrhundert nach Christus kein Griechisch mehr, und was bringen heute Lateinkenntnisse, außer gutbürgerlichem Distinktionsgewinn? „Eine tote Sprache“, sagte schon mein Vater und riet mir, Französisch zu lernen. Das lebt. Ja? Wie lange noch? Altes Wissen und auch alte Weisen, zu denken, sind wertvoll, es ist gut, sie zu kennen, aber es hilft nicht, sich hinter ihnen zu verstecken. Heute weniger denn je.
Kommentare 12
ach ja,
aber es geht nicht nur ums veralten von gewiss-heiten,
auch um das verschwinden von schönheiten des ausdrucks
und das überhand-nehmen von un-präzisem.
- übrigens reichen wolf schneiders tipps von der kanzel nicht an
-->E.A. Rauters aufklärungen für linken journalismus heran!
Ist ja frustrierend. Die Halbwertzeiteinverkürzung findet doch überall, in jedem Beruf statt und alle, ob alt oder jung, stellen sich darauf ein und erleben ihren eigenen Qualitätsverlust bei ihrer Arbeit und so auch beim wahrnehmen des privaten Prestige.
Klingt nach Sinnkrise.
Zitat: „Was aber, wenn einfach niemand mehr weiß, wie ein schwieriger Text zu lesen ist, und wenn es auch nicht mehr wichtig ist? Wenn die Standards sich ändern, der Genitiv halt verschwindet, so wie die ehemals als schön geltende Partizipialkonstruktion, wenn sich keiner mehr daran erinnert, was das war, ein langer Essay, wenn niemand mehr komplexen Satzbau versteht? Sprache ändert sich, Stile und Moden vergehen, und auch – vermutlich – die Kriterien für „Genauigkeit, Präzision, Sachangemessenheit“.
Dann müssen wir es wieder ins Gedächtnis rufen und uns nicht beklagend, dem geringer werdenden Anspruch fügen. Schon heute weiß ein Großteil (insbesondere wirtschaftliche und politische Eliten) in einer „Geiz ist geil“ und „Ich kaufe also bin ich“ Gesellschaft nicht mehr was richtig und was falsch ist. Und wissen Sie, wehrte Frau Roedig, wer das zu verantworten hat? Richtig….die Alten, die resignierend, klagend und die Hände in den Schoß legend, es zugelassen haben. Weil sie sich ihrer Verantwortung entzogen haben und den Jungen nach dem Munde geredet haben. Weisheiten sind nie unnütz…..nur müssen sie richtig vermittelt werden, denn auch das Leben der Jungen hat existenzielle Brüche, die dem Menschen – egal welchen Alters – gnadenlos bewusst machen, dass alles was der Mensch macht nur der Hauch des Windes ist (Kohelet). Und dazu braucht man Demut, und die hat die von ihnen beschworene junge Generation definitiv nicht. Denn um die Natur der Dinge erkennen und beherrschen zu können, muss man erst lernen, ihr zu gehorchen. Und dies gilt auch für die Sprache. Eine Idiocracy ist nicht wirklich eine Alternative, auch wenn wir insbesondere mit grünen Selbstgefälligkeitsideologien (die mit einer besonderen Ignoranz und Unwissenheit beispielsweise über die Batterieproduktion für die woken E-Autos daherkommt (um nur ein Beispiel zu nennen) und "Was ich nicht sehe, interessiert mich nicht"; Hauptsache ist ich kann mich als besserer Mensch gegenüber anderen Mitmenschen stilisieren, daherkommt) auf einen gute Weg dahin unterwegs sind.
"was richtig und was falsch ist" - Das wandelt sich beständig und hängt immer von der Zeit und vom Kontext ab.
1750 waren Dinge richtig, die heute falsch sind. Und denen in 1750 ging es ähnlich mit 1500, und davor ...
Außer in den simplen Teilen der Mathematik (und da auch nur auf Grund einer grundlegender Axiome) gibt es kein universelles richtig und falsch.
Wir meinen nur - und heutzutage ganz besonders - es gäbe das.
Das Privileg des Alters ist nicht nur in diesem Fall die Erkenntnis der Vergänglichkeit.
https://www.youtube.com/watch?v=yY4lEazBjn4
Obs zum Trost reicht? Oder ist das auch alles irrelevant, weil von einem uralten Mann vorgetragen?
"Die" Jungen können sich ja gern mit Schuldzuweisungen an "die" Alten aufhalten, aber wem wird das helfen? Wobei? Eines Tages werden auch die vor den Fragen der Jungen und Ganzjungen stehen. Denen ihrer eigenen Kinder, so sie denn noch welche haben. Und dann ?
Das müssen heute glückliche Zeiten für Dystopiker sein. Endlich trifft so vieles vom so lange Vorhergesagten und Befürchteten ein. Und nun?
Viellleicht dreht Putin ja doch noch nach all den Konflikten Gas und Öl ab? Dann wirds aber verdammt eng. Oder der Klimawandel schreitet schneller voran. Und die Realität wird äußerst wirksam werden. Und wenn dann Handy und PC dunkel bleiben?
Griechisch? Latein? Deutsche Sprache?... Was war da eigentlich?
Spannende Zeiten. Gut, für manche eher nicht mehr so.
Hier war vor kurzem von "Gedult" in einer Überschrift die Rede.... Warum auch nicht?
"Wenn die Standards sich ändern, der Genitiv halt verschwindet"
Keine Sorge, der Genitiv überlebt wacker, allerdings in meist falscher Anwendung, wie bspw. "gemäß des", "entsprechend des" u. ä. ;-)
Ja, unser Wissen, unsere Erfahrungen und unser Lebensstil sind nur noch sehr bedingt kompatibel mit der Gegenwart. Das Rad der Zeit dreht sich immer schneller. Die Zentrifugalkräfte sind sehr stark. Altes Wissen und alte Erfahrungen werden hinweg geschleudert.
Welche Werte soll ich meiner Tochter vermitteln, an welchen Lebenserfahrungen, die ich gemacht habe, soll sie sich orientieren können? Wir sind wie Fosslien aus einer vergangenen Zeit. Der Lebensweg der Jüngeren wird ganz anders verlaufen, als der unserige. Gewissheiten lösen sich auf, wie Zucker im Wasser. Es gibt kaum mehr Konstanten. Kontinuität ist für viele Junge ein Fremdwort. Garantien gibt es für nichts mehr. Zwischen zwei Epochen lebt es sich ganz besonders gefährlich. Was können wir den Jungen heute noch vermitteln? Das ist in unserer enorm beschleunigten Zeit ganz besonders schwer zu beantworten.
Das ewig Menschliche vielleicht: Die grossen Gefühle, der Umgang mit ihnen, Bedachtsamkeit statt Impulsivität, das Einordnen von Erkenntnissen, Erfahrungen... Ich denke, auf diesem Gebiet sind wir den Jungen doch noch ein, zwei Schritte voraus. Mensch bleibt schliesslich Mensch, im Guten, wie auch im Schlechten.
In der Moral und Ethik wie beispielsweise Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Freundlichkeit, Andere nicht unfair behandeln, Gerechtigkeit, zu seinen Wort stehen, nicht hinter dem Rücken schlecht über andere reden, Klugheit, sich nicht der Trunksucht hingeben, anderer Meinungen respektieren und sich konstruktiv mit ihnen auseinander setzen, (eheliche) Treue, nicht stehlen, nicht töten, (Mit)Menschlichekeit, Übereinstimmung von Wort und Tat....all das hat nichts mit Mathematik zu tun, war sicherlich 1750 genau so wichtig, wie 1500 und heute.....die Unterschiede werden nur nuanciert sein - ich gebe zu, dass ich etwas über Ihren Kommentar überrascht bin - so lange der Mensch Mensch ist, werden auch diese Dinge wichtig sein.
Es gibt Gewissheiten, die lösen sich nie auf. Ihr letzter Absatz zeigt, dass es doch etwas gibt und ich setze es in der unteren Antwort fort. Ich weiß auch nicht warum immer in solchen Artikeln einen Gegeneinander konstruiert wird - wir gegen die....wie wäre es mal mit einem Miteinander? Die Werte lösen sich nicht auf, nur unserer Ansichten darüber. Und diese "Resignation" sorgt für ein Verschwinden der Werte aus unserem Leben - aber sie sind nach wie vor da.
Alle Generationen erfinden das Rad und das Feuer neu, ehe sie einsehen, dass sie die alten Blödheiten nur in neuer Form reproduziert haben.
Den meisten Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, fehlt jedenfalls die Einsicht, dass alles Leben, ihr eigenes inklusive, nur Durchgang ist. Dauerhaftigkeit ist eine Sinnestäuschung, Sicherheit eine fromme Lüge, Jugend eine Phantasmagorie. Und alles Leben endet in der Petersilie (frei nach R. Laing).
"Ich weiß auch nicht warum immer in solchen Artikeln einen Gegeneinander konstruiert wird - wir gegen die....wie wäre es mal mit einem Miteinander? "
Hier drückt sich schlicht die Unfähigkeit aus, das Naheliegende zu sehen, nämlich, dass alles in wechselseitiger Abhängigkeit besteht und das dies nicht ausschließlt, dass die Dinge auch für sich stehen können - zummindest als Begriff, der eine gewisse Bezugnahme ermöglicht.
Unsere Gesellschaft ist erkenntnistheoretisch naiv, weil sie für gewöhnlich Diskretheit unterstellt, wo es keinen Anhaltspunkt gibt, dass eine solche strikte Trennung existiert, außer in den Begriffen mit denen wir unsere Welt beschreiben.
Vermutlich spart so ein Denken Energie, da man weniger komplexe Modelle braucht, gleichzeitig beraubt es uns der Möglichkeit, höherwertige, stabilere und befriedigendere Lösungen zu erreichen.
Danke für den Artikel, in dem ich mich leicht wiederfinden konnte.
Wohin das alles führt? Nun ja, konnte man kürzlich beim SPIEGEL beobachten, Kolumne Sascha Lobo. Lobo, der wirklich mit Sprache umgehen kann und ein profunder Schreiber ist, bringt plötzlich Texte "in einfacher Sprache". Vielleicht probeweise, der letzte Text war wieder in normalem Deutsch, doch gemessen an dem, was Lobo früher so abgeliefert hat, immer noch ziemlich unterkomplex.
Verstehen ihn die Leute nicht mehr? Die jüngere Generation? Kriegen die keine etwas schierigeren Texte mehr auf die Reihe? Lassen sich nur noch von Rezo & Co. füttern, so unterhaltsam wie möglich?
Verstehe ich nicht ganz, denn wenn diese jungen Leute studieren wollen, müssen sie eindeutig in der Lage sein wirklich schwierige Texte zu verstehen, die einen ganz anderen Level haben als ein durchschnittlicher Zeitungstext.
Und die hängen tatsächlich viel auf Instagram rum? Und das ist toll?
Beruflich habe ich viel mit Tourismusverbänden im deutschsprachigen Raum zu tun. Die alle Angst vor der Instagram-Meute haben, denn wenn die in grade angesagte Gegenden einfällt, heißt das, wenig Geld, jede Menge Müll, Lautstärke und verschreckte Tiere.
Tatsächlich sogar Einweg-Plastikzelte, die einfach im Wald zurück gelassen werden.
Sorry, ich bin nicht mehr fit im aktuellen Geschehen, habe mich bereits vor Jahren aus den (a)sozialen Hetzwerken zurückgezogen.
Artikelzitat: "Was aber, wenn einfach niemand mehr weiß, wie ein schwieriger Text zu lesen ist, und wenn es auch nicht mehr wichtig ist?"
Nun, logischer Schluss wäre, wenn die Leute keine schwierigen Texte mehr lesen können, verstehen sie auch keine komplexeren Probleme mehr.
Sind die Leute jetzt dumm? Zu viel Instagram und Streaming (sehr klimafeindlich übrigens)?
Sieht so aus als wäre die Evolution mit der Boomergeneration an ihrem Scheitelpunkt angelangt und wieder rückläufig.
Nun, wenn die Streamer mit „Genauigkeit, Präzision, Sachangemessenheit“ nichts mehr anzufangen wissen, ein bisschen einfache oder leichte Sprache mit ein wenig Denglish aufgemischt, wird das alles so übertünchen, dass es keiner merkt.
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/triage-in-der-corona-pandemie-wir-reden-zu-wenig-ueber-den-tod-kolumne-a-f5060bf1-c5b9-4eac-a180-a36947d97c66