Weiße Dame

Frauenforschung Die "Feministischen Studien" werden 20 Jahre alt

Wer in dieser Zeitschrift etwas veröffentlichen wollte, hatte sich an striktes Reglement zu halten: maximal 20 Seiten mit jeweils 30 Zeilen á 60 Anschlägen in dreifacher Ausfertigung mit breitem Rand links waren einzureichen. Wer hier veröffentlichen wollte, wusste, das Manuskript würde - anonymisiert - zunächst zwei, gegebenenfalls auch drei Vorgutachterinnen überstehen müssen, bevor es der Gesamtredaktion zur Prüfung vorgelegt würde. Oft sei sehr hart um Texte gekämpft und gestritten worden, heißt es aus der Redaktion. Und da die Anonymität erst bei positiv beendetem Verfahren aufgehoben wurde, kam es vor, dass das ein oder andere Manuskript aus dem hauseigenen Autorinnenkreis schlichtweg durchfiel - oder, widerwillig zunächst, Texte männlicher Autoren ins Blatt kamen. So sind die Feministischen Studien. Auch wenn technologischer Fortschritt und Effizienzdenken das Korsett mit der Zeit ein wenig gelockert haben, wirkt diese "Zeitschrift für interdisziplinäre Frauenforschung" immer noch wie eine strenge, noble und ein bisschen schwerfällige Lady im asketisch weißen Gewand.

1982 gegründet, erscheinen die Studien zwei Mal im Jahr alternierend mit einem themengebundenen und einem "offenen" Heft. Früher, ganz zu Beginn, war das Wort "Feministische" im Schriftzug des Titels blau oder rot abgesetzt, und es mag scheinen, dass auch die Themenschwerpunkte der Studien damals sinnlicher waren. "Liebe aus der Sicht der Frauen" hieß beispielsweise ein frühes Heft, das noch unter Redaktion der Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth erschien. Man war sich damals auch nicht zu schade, einen Artikel zum Vergleich zwischen männlicher und weiblicher Toilettenkommunikation abzudrucken, "methodisch kontrolliert" natürlich, aber mit dem für die achtziger Jahre nicht verwunderlichen Fazit: "Beim Vergleich der persönlichen Problemdiskussionen, die auf dem Klo geführt werden, schneiden die Männer eindeutig schlechter ab."

Mitte der achtziger Jahre hatten die Studien einen "Trendwechsel von Frauenforschung zu Feministischer Wissenschaft" diagnostiziert, der verlangte, sich selbst neu oder alt zu verorten, dann zerstritt sich die Redaktion und schließlich wollte der Beltz-Verlag das Blatt nicht mehr weiterführen, weil es nicht auf die versprochenen 1.500 Abonnentinnen kam. So kündigten die Studien 1986 ihr eigenes Ende an. 1987 erschien kein Heft, aber schon 1988 gab es sie wieder, im neuen Verlag und mit komplett ausgewechselter Redaktion. Seither haben die Studien sich inhaltlich wie redaktionell konsolidiert, sie halten sich mit einer Auflage von 950 Exemplaren, die ungefähr der Größe des Abonnentinnenkreises entspricht, und haben Anfang des Jahres 2002 einen weiteren Verlagswechsel gut überlebt.

Strenge Damen stehen sich mitunter selbst im Weg. Nicht nur die Schwerfälligkeit des Verfahrens zeichnet die Feministischen Studien aus, sondern auch ihre furztrocken formulierten Themenschwerpunkte. Aussagekräftig ist hier nichts und so kann es sein, dass man in bieder klingenden Heften wie "Rekonstruktive Geschlechterforschung", "Umbruch in Europa", "Ortswechsel" manch Schönes findet, während ein reizvolles Schwerpunktheft zu "Jungfräulichkeit" die Leserin mit Artikeln zur "katholischen Frauenbewegung an der Wende zum 17. Jahrhundert" angähnt. Die Studien sind eben, anders als ihr etwas älteres und weniger akademisches Pendant Beiträge zur feministischen Theorie und Forschung, vor allem auf Wissenschaftlichkeit bedacht, und methodisch stark an Soziologie und Geschichtswissenschaft gebunden. Den seit Anfang der neunziger Jahre boomenden Queer Studies haben die Studien nur einen kleinen Spaltbreit die Tür geöffnet. Das Heft "Kritik der Kategorie Geschlecht" von 1993 ist - neben dem Heft "Frauenforschung aus der DDR" von 1990 - der Renner im Programm.

Als nächste Themenhefte sind "Islam" und "Vergessene Künstlerinnen" geplant. Doch wünschen würde man sich mehr, denn trotz oder gerade wegen ihrer Schwerfälligkeit sind die Studien ein eingeführtes und anerkanntes Forum, in dem Autorinnen Themen vorstellen können und damit in der feministisch-akademischen Community auch wahrgenommen werden. Mit diesem Pfund sollten die Studien wuchern. Sie könnten ihre Strenge nutzen, um jüngere Theorieentwürfe, beispielsweise aus Gender- oder Postcolonial Studies, auf den Prüfstand zu stellen, das Leichtlebige und Schnelle zu "erden". Wenn sie in dieser Hinsicht nicht immer ihre "roaring twenties" erlebten, möchte man ihnen von Herzen "roaring thirties" wünschen.

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