Etwas zerzaust sind die Haare schon. Drei-Tage-Bart sowieso. Kein Wunder. Um die 120 Stunden sitzt Alexander Coelius in der Woche vor dem Bildschirm. Selbst den angebissenen Hamburger neben sich hat der BWL-Student über das Internet bestellt. Er sitzt im so genannten Unibator im 32. Stock des Uni-Turms, wo seit Mitte Februar auf 150 Quadratmetern geballte High-tech steht: Server, Workstations, Notebooks. Der Unibator soll Studierenden der Frankfurter Universität die Existenzgründung erleichtern. Die Sponsoren haben nicht geknausert. SAP, T-Mobil, die Deutsche Bank und McKinsey sind im Boot und nicht nur mit Geld. Sie bieten auch Lehrveranstaltungen und Vorträge. Doch McKinsey berät nicht nur die jungen Start-ups, sondern auch die Frankfurter Universität im
rankfurter Universität im Ganzen.Zusammen mit dem neuen Präsidenten der Uni, dem Juristen Rudolf Steinberg, hat die Unternehmensberatung ein Diskussionspapier zur Reform der Universität erarbeitet, "pro bono" - kostenlos, wie Steinberg hervorhebt. Für ihn ist klar: Die alte Universität ist tot. "Die Rolle des Staates wird sinken, die Hochschulen müssen sich differenzieren und auf dem Bildungsmarkt durchsetzen", sagt der Präsident. Tatsächlich fließen seit Jahren immer weniger Steuergelder in die Frankfurter Universität. Und das obwohl die Grundversorgung pro Studienplatz in Hessen mit 14.000 Mark ohnehin deutlich niedriger ist als in Bayern (19.000 Mark). Steinberg möchte die Frankfurter Universität in ein "Service-Zentrum für die Gesellschaft" umbauen. Kritiker des Uni-Präsidenten glauben eher an ein "Service-Zentrum für die Wirtschaft".Wie Steinberg geht auch McKinsey in seinem "Perspektivenpapier" davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen für die Universität verschlechtern. McKinsey bezeichnet diese Misere als Beginn eines "grundlegenden Wandels in der Forschungs- und Bildungslandschaft, der sich nicht aufhalten lässt." Gespräche mit den im Wiesbadener Landtag vertretenen Parteien hätten gezeigt, dass das Land nur noch bereit sei, eine minimale Grundversorgung der Universität zu sichern. Tatsächlich wird in Hessen das kameralistische Prinzip der reinen Mittelzuweisung durch eine Kosten- und Leistungsrechung ersetzt, zusätzliches Geld also wettbewerblich verteilt. Die Frankfurter Uni muss für diese "leistungsorientierte Mittelzuwendung" noch bis zu den Sommerferien Vorschläge erarbeiten. "Zielvereinbarung" heißt das, eine Formel, die im Hessischen Hochschulgesetz verankert ist. Nach welchen Kriterien die Evaluierung geschehen soll, ist noch unklar. "Im Augenblick wird darüber heftig diskutiert", bestätigt Steinberg. Ein wichtiges Kriterium wird die Drittmittelzuwendung sein. Steinberg nennt das: "Wer hat, dem werde gegeben."Um dem "Wettbewerbsdruck der klassischen Universitäten" zu begegnen, schlägt McKinsey die Profilierung einzelner Fachbereiche vor. Die Universität solle sich "auf die Gebiete konzentrieren, in denen sie eine echte Chance hat, Spitzenklasse zu sein". Unverwechselbare Markenzeichen sollen entstehen. Die glanzvolle Zeit der Kritischen Theorie wird da gar als "Leuchtturm" entdeckt. Organisatorisch solle sich die Universität in ein getrenntes "Vier-Campus-Modell" wandeln: Rechts- und Wirtschaftswissenschaften wie Gesellschafts- und Kulturwissenschaften sollen vereint werden, Naturwissenschaften und Medizin eigene Bereiche bleiben. Die einzelnen Standorte könnten sich weitgehend selbst organisieren und erhalten einen Großteil der Verantwortung für Budget, Personal und Vermarktung. Der Entwurf sieht auch eine stärkere Praxisorientierung in Forschung und Lehre vor. "Nur was die Gesellschaft weiterbringt, wird der Universität in Zukunft zusätzliche Mittel einbringen", heißt es in dem Entwurf. "Raus aus dem Elfenbeinturm", fordert McKinsey. Die Nähe zur Praxis böte außerdem ideale Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte mit der Wirtschaft. Doch genau das hat in den vergangenen Wochen bei Professoren, Mittelbau und Studenten für Unruhe gesorgt."Wenn man die Universität der Wirtschaft übergeben will, dann sollte man das auch klar sagen", schimpft der Zoologe Jürgen Bereiter-Hahn, der auf Professorenseite im neu gewählten und mit mehr Macht ausgestatteten 17-köpfigen Senat über die zukünftige Richtung der Universität mit entscheiden wird. Wie sehr die Sponsoren Einfluss nehmen, sähe man an der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG), die seit Jahren als "Steuerungsinstrument" fungiere, sagt der Zoologe. Die Wirtschaft verstärke diese Tendenz. "Vor allem bei den Kulturwissenschaften ist Praxisnähe gefährlich", gibt Bereiter-Hahn zu Bedenken. Ähnlich sieht das auch Volker Konopatzki: "Die Zeiten, in denen sich Sponsoren uneigennützig verhielten, sind vorbei", sagt der Jurist, der als Vertreter des Mittelbaus ebenfalls im Senat sitzt. Auch im Internet-Forum der Universität überwiegen die ablehnenden Beiträge. Kritisiert wird da, dass in dem "Perspektivenpapier" die Grundlagenforschung keine Rolle spielt. Die Geisteswissenschaften wehren sich dagegen, als Dienstleister für andere Fachbereiche verstanden zu werden, eine Professorengruppe argumentiert gegen die "Universitäts-AG" und selbst die Fachschaft Informatik fragt: "Passen Studierende noch in die Vision der Goethe-Universität?"Keine Frage, das Diskussionspapier ist höchst umstritten. Steinberg findet das gut. "Der McKinsey-Entwurf war bisher sehr erfolgreich", sagt er. Es habe eine intensive Debatte über die Zukunft der Universität eröffnet. In einem eigenen Beitrag in dem Internet-Forum hat Steinberg kürzlich seine Vorstellungen vor allem mit Blick auf die Wirtschaft relativiert und nicht mehr nur ökonomisch argumentiert. "Die Universität ist kein Konzern", hat er klargestellt. Wissenschaftliche Methodenlehre und kritisches Bewusstsein dürften nicht angetastet werden. Die Grundlagenforschung müsse staatlich gesichert sein. Ihr Nutzen für die Gesellschaft sei nicht gering zu achten, weil er nur langfristig feststellbar sei. Deshalb fordert er von der Landesregierung "vehement" steigende staatliche Finanzleistungen. Gleichwohl verdeutlicht Steinberg noch einmal, worauf es ihm in Zeiten von "Globalisierung" und "Freiem Markt" vor allem ankommt: auf Schwerpunktbildung, Vernetzung der Fachbereiche und Profilierung. Das tradierte Selbstverständnis von Lehrenden, die glauben, nach demokratischen Grundsätzen und bei Wahrung der Einheit von Forschung und Lehre den Diskurs der Wissenschaften führen zu können, verbannt er dabei getrost ins "Reich der Illusion".