Unser Flugzeug landet auf einer Rasenpiste mitten im Urwald und wird vom Heulen eines Brüllaffen begrüßt. Neben mir sitzen mehrere Mitarbeiter des Energiekonzerns BASIC RESOURCES, Tochterfirma des US-Multis UNION PACIFIC RESOURCES BASIC und eines der größten, einflussreichsten Unternehmen Guatemalas. In ihrer Begleitung darf ich endlich die Ölförderstation Xan betreten. Es hat Wochen gedauert, bis Rodolfo Sosa, der Präsident von BASIC, mir ein Interview gab und einer Reise in den Urwald zustimmte: »Sie werden selbst sehen, welches unsere vorrangigen Ziele sind. Zuerst kommt die Sicherheit des Personals und der Gemeinden. Der Umweltschutz genießt bei alldem höchste Priorität.«
Die feuchte Hitze weicht meine Gedanken auf. Lä
uf. Längst habe ich die Warnungen von Magalí Rey Rosa verdrängt, einer militanten Gegnerin der Ölindustrie Guatemalas: »Wenn wir die materiellen Vorteile mit den ökologischen Schäden vergleichen, wird deutlich, dass es selbstzerstörerische Dummheit ist, im Urwald Öl zu fördern.«In den Büroräumen der Station sind die Angestellten von BASIC äußerst freundlich. Italo Maroquín, der Manager für industrielle Sicherheit, führt mich über die Anlage. Überall der Kontrast zwischen moderner Ausrüstung und der tropischen Flora, die uns umgibt. Was ich nicht zu sehen bekomme, ist Öl, kein einziger Tropfen. Lächelnd erklärt mir Italo Maroquín: »Mit dem Leitungssystem befolgt BASIC geltende internationale Standards. Außerdem begutachten uns mehrere Institutionen, die ständig hierher kommen. Bisher gab es keine Probleme.«Auf dem Weg zurück treffen wir Aroldo Ortiz, einen Kontrolleur des Energieministeriums. Ihm gefällt die Arbeit im Regenwald: »Wir achten darauf, dass die Umwelt keinen Schaden nimmt - BASIC hat hier ein hervorragendes Naturschutzprogramm durchgesetzt.« Für einen Moment ergibt sich die Möglichkeit, allein mit einem jungen Arbeiter zu sprechen. Ich frage nach Lecks in den Ölleitungen. »Einmal habe ich bei der Reinigung eines Lecks beim Bohrloch Xan 12 mitgearbeitet«, erzählt er, »ein Tank war aufgebrochen, und säurehaltiges Wasser trat aus, teilweise auch Öl ...«Als ich den Techniker Pablo Carera nach solchen Lecks frage, bleibt er gelassen: »So etwas gibt es immer. Wir arbeiten schließlich mit Öl - aber wenn irgendwo eine Havarie auftritt, wird darauf geachtet, dass es zu keiner Verschmutzung kommt. Wir beseitigen das ganze Material und deponieren es im Sondermüll.«Ich verbringe die Nacht in einem komfortablen Gästezimmer mit Kühlsystem und TV-Anschluss, umgeben von der monotonen Melodie tropischer Vögel, Frösche und Grillen. Am nächsten Tag besuchen wir die Bohrlöcher. Italo Maroquín zeigt mir mehrere Stellen, an denen bis zu 600 Meter tief in das Erdreich vorgedrungen wird. Zuvor mussten etliche Schneisen geschlagen und Bäume gefällt werden, doch das Bemühen des Unternehmens um Wiederaufforstung ist offensichtlich.Nach zwei Tagen verlasse ich die Station Xan. Es war ein aufschlussreicher Ausflug in die Tropen. Vom Flugzeug aus betrachte ich die Dschungelregion Petén. Die Entwaldung schreitet unvermindert fort. Häufig handelt es sich um arme Kleinbauern, die dort unten auf ihrer Flucht vor dem Elend im Hochland stranden. Sie folgen den Pisten der Ölfirmen und sie siedeln mitten im Regenwald, fällen Bäume und bauen Mais an. Sobald jedoch die dünne Humusschicht des Bodens verbraucht ist, ziehen sie weiter. Ihnen folgen Rinderzüchter. Auf einem Territorium, das sich einmal seiner dichten Flora und Fauna rühmen durfte, grasen heute Hunderttausende von Tieren.Die Vögel zwitschern - aber nur die VögelRodolfo Sosa, der BASIC-Präsident, hatte mir erklärt: »Ich bin Guatemalteke und von dem überzeugt, was ich tue. Ich glaube, dass ich es gut mache, genauso wie meine Mitarbeiter.«Ich entscheide mich, eine weitere Bohrstation zu besuchen, diesmal ohne dass mich die Leute von BASIC kontrollieren. Die Anlage Rubelsanto im Norden des guatemaltekischen Bundesstaates Alta Verapáz ist älter als die in Xan. Die Route führt kilometerweit über schlammige Wege, entlang der BASIC-Pipeline, die zumeist oberirdisch durch den Dschungel führt. Ich erreiche Rubelsanto im Dunkeln. Einige Hütten haben elektrisches Licht, andere verlieren sich in der Nacht. Die Station von BASIC aber ist schon von weitem zu sehen - von Scheinwerfern hell erleuchtet.Die einzige Herberge der Gegend findet sich in Playitas, einer Siedlung wenige Kilometer entfernt von Rubelsanto. Kein fließendes Wasser, dafür aber ein brauchbares Moskitonetz über dem Bett. Der Strom für Playitas wird von Dieselmotoren erzeugt, deren Lärm mich nicht schlafen lässt. Erst um Mitternacht erlischt plötzlich alles - die Lichter, die Musik, die Motoren. Es bleibt nur die Stille des Dschungels, die Gleichförmigkeit des Gesangs von Heuschrecken und Nachtvögeln.Am Morgen suche ich nach Gesprächspartnern: im Gemeindevorstand, im Dorfrat, auf der Straße. Aber niemand spricht gern mit Fremden über la compañía - über den Konzern BASIC RESOURCES. Ich versuche mein Glück in der Gesundheitsstation des Unternehmens, die ihre Dienste auch der Bevölkerung zur Verfügung stellt. Der Krankenhelfer Manuel Estrada gibt mir bereitwillig ein Interview. Am Konzern hat er nichts auszusetzen, dafür um so mehr an den Bewohnern der Gegend: »Das Problem ist, dass es ihnen an Bewusstsein für die Wiederaufforstung fehlt. Das Unternehmen versucht, sie aufzuklären.« Nach dem Interview schenkt er mir Medikamente gegen Malaria.Vor dem Eingang zum Wohn-Container der BASIC-Angestellten sitzen zwei Männer auf einer flachen Holzbank. Sie warten darauf, vom Unternehmen angeheuert zu werden. Ab und zu vergibt BASIC zweiwöchige Arbeitsabschnitte, sogenannte planes - ein plan, das sind ohne Unterbrechung 14 Tage lang 12 Stunden Arbeit täglich. Der Lohn liegt bei umgerechnet 500 DM. Für die Leute aus Rubelsanto ist ein plan so etwas wie ein Lottogewinn.Einer der beiden, Cristobal Peréz, wartet seit 20 Tagen und hat schon öfter für BASIC gearbeitet, bis er wegen einer Verletzung pausieren musste. Er hätte um eine Entschädigung streiten können, zog es aber vor, die lokalen Chefs nicht zu verärgern, damit sie ihn weiter engagieren. »Wir arbeiten hier nur als Aushilfen. Die besten Jobs gehen an Leute, die von weither kommen, aus der Hauptstadt oder anderen Städten.«Als ich meine Beobachtung wiedergebe, wie sehr sich der Konzern um den Umweltschutz bemüht, reagiert Peréz verärgert: »In der Nähe vom Bohrloch 102 gibt es einen überschwemmten Brunnen versteckt im Wald. Während der Regenzeit wird so das Öl überall hingespült und Flusswasser verseucht. Und flussabwärts trinken sie dann dieses Wasser. Die vom Umweltschutzprogramm interessiert das nicht ...« Ich bin überrascht: »Keine zwei Kilometer von hier?« Peréz wiederholt es: »Aber der Zugang ist schwierig.«Es gibt an der bewussten Stelle weder einen Zaun, noch ein Schild, das eine Passage zu Bohrloch 102 verbietet. Alles sieht zunächst genauso aus wie in Xan: Alles sauber, viele kleine Bäumchen, dazu ein Schild: »Ökologischer Park 2, der Hase«. Wir gehen bis zum Ende des Parks und geraten bald in dichten Dschungel. Die Pflanzen sind nass vom Regen des Nachmittags. Moskitos attackieren meinen Hals. Grelle Sonnenstrahlen scheinen auf ein saftiges Grün, das nur ab und zu von roten und gelben Blumen unterbrochen wird. Plötzlich tauchen schwarze Flecken auf dem Waldboden auf. Klebrig wie Kaugummi oder hart wie Asphalt. Schilfblätter voller Öl ragen meterhoch empor. Das Wasser eines kleinen Sees ist schwarz. Die Vögel zwitschern, aber nur die Vögel. Der See ist tot, keine Fische, keine Frösche. Mindestens zwei Hektar bedeckt mit schwarzem Gift.Was vor mir liegt, widerspricht all den schönen Worten, die ich von Managern und Technikern zu hören bekam. Wie sich später herausstellt, ist die Stelle schon seit über 14 Jahren verseucht. Seither hat sich niemand darum bemüht, den Boden zu säubern. Ich fotografiere eine ölverschmierte Bucht, die scheußlichen Flecken auf den Bäumen, das schwarze Gras. Meine Stiefel rutschen ab. Ich stehe in stinkendem Wasser. Meine Knie werden weich. Ich entscheide mich, sofort in die Hauptstadt zurückzukehren, um die Fotos in Sicherheit zu bringen.Ein Wagen von BASIC versperrt die StraßeZwei Tage später bin ich wieder in Rubelsanto. Die Atmosphäre hat sich verändert. Die Verwalter der Förderstation haben von meinen Recherchen erfahren. Ein Wachposten steht am Eingang des Bohrlochs 102. Jeeps fahren hin und her. Offenbar wurde damit begonnen, etwas gegen die Verseuchung zu unternehmen, jedenfalls darf das Gebiet nicht mehr betreten werden.Ich gehe noch einmal zur Gesundheitsstation. Der Krankenhelfer Manuel Estrada ist nicht mehr da. An seiner Stelle öffnet mir ein Arzt mit abweisendem Blick. Bevor ich etwas sagen kann, beginnt er eine Art Verhör. »Wie heißen Sie?« »Für wen arbeiten Sie?« »Hatten Sie eine Erlaubnis, hier zu recherchieren?«Ich will gehen, aber der Arzt verwickelt mich in eine Diskussion. Plötzlich tauchen zwei Mitarbeiter des Unternehmens auf, die ihre Namen nicht nennen möchten, aber zuvorkommend sind. Sie bieten mir ihre Hilfe an, weil es besser sei, wenn ich mit ihnen direkt spräche, anstatt »dritte Personen« zu interviewen. Ich bedanke mich und wir vereinbaren, dass ich sie am nächsten Morgen aufsuchen werde.In der Siedlung will mir niemand mehr ein Interview geben. Alle wissen, dass mir Cristobal Peréz von der Verschmutzung berichtet hat. Ich höre heraus, fast alle sind der Meinung, la compañía sei verraten worden.Auf dem Weg zurück nach Playitas überholt mich plötzlich ein Wagen von BASIC und versperrt die Straße: »Ein Freund möchte mit Ihnen sprechen«, wird mir zugerufen und ein Telefonhörer aus dem Wagenfenster gehalten. In der Leitung ist Rodolfo Sosa - der Präsident von BASIC RESOURCES macht sich die Mühe, mich im Urwald aufzustöbern! Zuletzt musste ich wochenlang betteln, um ein Gespräch mit ihm zu bekommen. Diesmal scheint er nervös. Er wolle mir »einige Dinge erklären«, die Station von Rubelsanto sei älter als die von Xan. Früher hätten andere Unternehmen dort gearbeitet. Jetzt bemühe sich BASIC darum, die Verschmutzungen zu beseitigen, die andere zurückgelassen hätten. Ich schlage vor, ihn gleich nach meiner Rückkehr in die Hauptstadt anzurufen. Er hält das für eine gute Idee.Nie aufgeklärter Mord am Rio ChixoyDie Männer von BASIC bieten mir eine Unterkunft in den Wohn-Containern der Förderstation an. Ich willige ein, um nicht noch mehr Unruhe zu erregen. Aber ich lasse mich nicht daran hindern, am Abend das schäbige Bordell vor den BASIC-Wohntrakten zu besuchen. Die Frauen wissen, wer ich bin. Sie behandeln mich nicht unfreundlich und erzählen, in den Urwald gekommen zu sein, weil sie in ihrem Gewerbe gut an den Männern von BASIC verdienen. Der Arzt aus der Gesundheitsstation kontrolliert die Tür. Er stellt sicher, dass an diesem Abend keiner der Angestellten des Konzerns in die Spelunke kommt. Niemand soll mit mir sprechen.Doch bald macht sich ein kleiner Junge an der Bar bemerkbar, um mir zu bedeuten, draußen warte ein Mann auf mich. In der Dunkelheit erkenne ich eine dunkelhäutige, muskulöse Gestalt - Typ Leibwächter. Er nennt keinen Namen, behauptet aber, in Rubelsanto zu leben. Er erwähnt ein weiteres ölverseuchtes Terrain und erklärt, er sei froh über meinen Besuch. Wir verlassen die Straße und unterhalten uns an einem geschützten Ort. Jetzt berichtet er: »Man will mit Ihnen verhandeln, um zu sehen, ob sich eine Lösung findet, bei der es kein Aufsehen gibt. Das ist immer so. Wenn jemand kommt und etwas findet, dann kaufen sie ihn.«Er erklärt mir schließlich den Weg zu jener anderen kontaminierten Stelle. Am nächsten Morgen breche ich auf, lange bevor die Arbeiter in den Wohncontainern aufwachen. Der Wachposten am Eingangstor lässt mich anstandslos passieren. Ich fahre den beschriebenen Weg bis in die Nähe vom Bohrloch 101. Diesmal ist der verseuchte Tümpel nicht weit von der Straße. Die aufgehende Sonne erlaubt es mir, das ölige Wasser zu filmen. Der Waldboden in der Umgebung ist bedeckt von einer dicken schwarzen Schicht. Es riecht nach Benzin. In wenigen Metern Entfernung führt eine Pipeline an dem Tümpel vorbei. Ich kann nicht glauben, dass keiner der Verantwortlichen des Umweltschutzprogramms und kein Beauftragter des Energieministeriums dieses Desaster je gesehen hat.Nach dieser Exkursion treffe ich noch einmal meinen Informanten, der möchte, dass ich seinen Namen in meinem Artikel nenne, damit ihm die Öffentlichkeit einen gewissen Schutz bietet. Alfredo Ramirez fährt mit mir, bis wir das Gebiet verlassen haben, das von la compañía kontrolliert wird. Dann verabschieden wir uns.Auf der Fahrt in die Hauptstadt denke ich über das Geschehene nach. Ich habe die Umweltzerstörung nahe der Bohrlöcher 101 und 102 von Rubelsanto gesehen, offenbar gibt es noch mehr. Die Umgebung der Bohrlöcher 103, 104, 107, von Tierra Blanca und Caribe müsste untersucht werden. Außerdem habe ich gehört, dass BASIC in einigen alten Bohrschächten einen zweiten Brunnen angelegt haben soll, so dass die Rohre unterirdisch umgeleitet werden können. Der Konzern kann so Öl fördern, für das er keine Steuern zahlt.Und ich habe erfahren, dass vor einiger Zeit die Leiche eines Kontrolleurs aus dem Energieministerium am Ufer des Rio Chixoy gefunden wurde. Ein Mord, den die Polizei nie aufgeklärt hat.
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