Seine sachlichen Gelassenheit und Kompetenz werden ihm gewiss helfen. Sollten die versagen, bleibt Fredrik Reinfeldt immer noch der ungemein erfahrene Außenminister Carl Bildt, der sich als Lotse für die Untiefen und Sumpfgebiete der Europäischen Union anbietet.
Am 1. Juli hat Schwedens Premierminister den Vorsitz des Europäischen Rates turnusgemäß von Tschechien übernommen. Der 43-jährige Chef der Moderaten Sammlungspartei begann seine politische Karriere in der konservativen Studentenorganisation Bürgerliche Studenten – Opposition 68. Nachdem er 1991 in den Reichstag gewählt wurde, legte er sich mit dem damaligen Regierungschef Carl Bildt an, kritisierte den gern als „Volksheim“ etikettierten Wohlfahrtsstaat und drän
ohlfahrtsstaat und drängte auf eine neoliberale Inventur konservativer Politik. Die ausgelöste Kontroverse schadete Reinfeldt nur kurz – 2006 war er mit 41 Jahren der jüngste schwedische Regierungschef aller Zeiten.Es könnte freilich das letzte Mal sein, dass ein Staatschef diesen Vorsitz für die EU übernimmt. Sollte irgendwann der Lissabon-Vertrag das Reglement beherrschen, wird der Europäische Rat statt eines Vorsitzenden für zweieinhalb Jahre einen „Präsidenten“ wählen, der „kein einzelstaatliches Amt“ mehr ausüben darf, wie Artikel 15 festlegt. Parallel dazu würde ein Generalsekretariat entstehen und den Rat unterstützen. Komplettieren darf das Personaltableau von Lissabon ein weiterer neuer „starker Mann“ in der Brüsseler Hierarchie: der „Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“, der in Personalunion Außenminister, Verteidigungsminister und – bei militärischen Missionen der EU – deren Oberbefehlshaber sein wird.Priorität Reformvertrag Damit diese Neuregelungen umgesetzt werden können, müsste der Lissabonner Vertrag bis 2010 tatsächlich in Kraft treten. Dazu wird das Plazet der für Herbst anberaumten zweiten Volksabstimmung in Irland gebraucht. Der neue Ratsvorsitzende, Fredrik Reinfeldt, dürfte sein Mandat in dem Bewusstsein übernehmen, im Auftrag einer deutlichen Mehrheit der EU-Regierungen alles für ein zustimmendes Votum der Iren zu tun. Denen wurden auf dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel bereits eine Reihe deklaratorischer Zugeständnisse offeriert. Seither orakeln die Auguren mehr denn je, der irische Wähler werde sich kein zweites Mal dazu hinreißen lassen, den Reformvertrag abzulehnen. Irland hat von der marktradikalen Doktrin „freier“ Kapital- und Finanzmärkte, der sich die EU verschrieben hat, in der Vergangenheit sehr profitiert. Entsprechend hart schlägt nun die Krise zu, was aber in Dublin keineswegs eine auch nur verhalten kritische Einstellung zum System deregulierter Finanzmärkte befördert hat.Wie kaum ein EU-Ratsvorsitzender vor ihm wird sich Reinfeldt der Klimapolitik widmen müssen. Im Dezember 2009 soll in Kopenhagen ein Weltklima-Gipfel das Kyoto-Nachfolgeprotokoll aushandeln und die Frage beantworten, wie die Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen endlich spürbar reduziert werden kann. Ob dies wie erhofft gelingt, erscheint fraglich – die Vorverhandlungen verlaufen eher kontrovers. Wenn andere Industrieländer mitziehen – hat der Europäische Rat versprochen – wollten die 27 EU-Staaten ihre Treibhausgase im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent senken. Reinfeldt wird dies zu einem seiner Anliegen machen und will im Juli mit einem adäquaten Arbeitsprogramm aufwarten.Dieser Ministerpräsident gilt nicht zufällig als Modernisierer der Konservativen, die er als „neue Moderate“ immerhin zu Schwedens „neuer Arbeiterpartei“ machen wollte. Rhetorisch hat er der von seiner Partei lange gepflegten Polemik gegen das schwedische „Volksheim“ zwar abgeschworen. Gleichwohl hat er mit der Senkung von Steuern und Sozialleistungen den neoliberalen Umbau vorangetrieben.Eine Ökonomisierung der Umwelt, für die der Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten geradezu ein Symbol ist, passt da gut in dieses Konzept. Reinfeldt hat dabei aber nicht zur Kenntnis genommen, dass der Versuch, Klimaschutz durch einen künstlichen Markt zu regulieren, bisher gescheitert ist. Der Emissionshandel blieb eine Reduktion der Klimagase schuldig, weil der Preis für Verschmutzungsrechte an der Börse viel zu niedrig ist. Hier müssten andere Mechanismen her, um über den ökonomischen Hebel regulieren zu können. Ob sie Reinfeldt ins Werk setzt, erscheint zweifelhaft.Als De-Regulierer gefragtDie dritte wichtige Mission für den neuen Ratspräsidenten dürfte die Reform der Finanzmärkte sowie die Aufsicht darüber sein. Was kann – vor allem was will – Reinfeldt, der häufig als Tony Blair der schwedischen Konservativen beschrieben wird, dazu beitragen? Wird ein Anhänger deregulierter Märkte unter dem Eindruck von Finanzkrise und Rezession, die Schwedens Exporte empfindlich drosseln, zum Schrittmacher einer Re-Regulierung der Finanzmärkte?Reinfeldt selbst wird das Selbstlob des Europäischen Rates vom 18./19. Juni im Ohr haben, der sich viel auf neue EU-Rechtsvorschriften zugute hielt, die Banken und Versicherungen verpflichten, bei risikoreichen Geschäften eine höhere Eigenkapitalsicherung vorzuhalten. Ob das bei ausgesprochen verlockenden Gewinnmargen von Risikogeschäften abhält, lässt sich jedoch bezweifeln.Ende September sollen Vorschläge zu den Rechten dreier neuer Finanzaufsichtsbehörden der EU vorliegen, deren Befugnisse soweit gehen könnten, nationale Aufsichtsgremien auf Pflicht- und Regelverletzungen hinzuweisen (das dafür nötige Regelbuch dazu soll gleichzeitig entstehen). Frederik Reinfeldt hat zu Hause erprobt , wie ein Spagat zwischen moderater Rhetorik und neoliberaler Praxis ausfallen kann und auszuhalten ist – er wird aus dieser Erfahrung schöpfen, wenn ihn das Thema Regulierung der Finanzmärkte beschäftigt.