Guter Rat ist teuer

PR-Affären Die dubiosen Verbindungen der Politiker zur Beraterszene

Wenn die Politik krankt, geht sie zum Arzt. Wo dem Politiker der richtige Dreh fehlt, wie er eine "Reform" an die Bürger bringt, sucht er den "Spin-Doktor" auf. Der diagnostiziert, wie er seine PR (Public Relations) auf Trab bringt. Ganz ähnlich die Wirtschaft. Wenn Manager nicht wissen, wie sie ihre Profitinteressen in der Politiklandschaft durchsetzen, suchen sie sich einen politischen Berater. Der sagt ihnen, wen sie kontaktieren und wen sie wie für ihre Interessen gewinnen müssen. Beide pilgern mit ihren Anliegen zu der gleichen Praxisgemeinschaft - den Agenturen und Beratern für "Public Affairs". Meist sind es die dieselben Agenturen, die für beide Seiten arbeiten.

In den aktuellen Berater-Affären taucht dieser Sachverhalt nur am Rande auf, dabei ist längst bekannt, wie tief die Politik in der Beraterszene verstrickt ist. Allein Rot-Grün bezahlte seit seinem Amtsantritt 1998 über 175 Millionen Euro für Gutachten und Honorare. In zahlreichen Ministerien geben sich die Consultants die Klinke in die Hand. All dies geschieht unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit. Eine Auflistung, aus der Beraterfirmen und Auftragsvolumina hervorgehen, gibt es nicht. Bekannt wird nur, was Journalisten aufdecken: Strucks vergebene Beratungsaufträge in Höhe von 16 Millionen Euro, Gersters verheimlichte Konsultationsgebühren an Roland Berger in Höhe von 12,3 Millionen Euro, ohne Ausschreibung vergebene PR-Jobs an WMP - weitere Enthüllungen dürften folgen. Aber die dunkle Vernetzung zwischen Politik und Wirtschaft reicht viel weiter. So kritisiert Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), seit langem, dass die politischen Entscheidungen immer undurchsichtiger werden. Zwar sei es verständlich, dass Politiker und Unternehmen professionelle Hilfe suchten, doch Entscheidungen in vertraulichen Gesprächsrunden verhinderten eine kritische Begleitung durch die Medien. "Wenn ein Thema von öffentlichem Interesse ist, muss Transparenz hergestellt werden", sagt Zörner.

Konfrontiert mit den Vorwürfen, wie sie erneut in der Debatte um Bundeswehr-Berater Berger aufkamen, ringt die Konsultationsszene um Vertrauen. Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) erarbeitet gerade einen Verhaltenskodex zur "Kontaktpflege im öffentlichen Raum". Deutschlands größter Dachverband der Werbeagenturen wird dabei von der Nichtregierungsorganisation Transparency International beraten. "Wir begrüßen, dass die DPRG einen Verhaltenskodex erstellt", sagt Dagmar Schröder, Geschäftsführerin von Transparency. Die DPRG orientiert sich an dem europäischen "Code de Lisbonne". Dieser 1989 beschlossene und 1991 in Deutschland übernommene Kodex definiert ethische und gesellschaftliche Grenzen von PR-Aktivitäten. In Artikel 4 heißt es: "Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen." Doch PR ist nicht gleich Public Affairs. In dem DPRG-Entwurf vom Oktober 2003 fehlt ein allgemeines Transparenzgebot. Die Forderungen beschränken sich darauf, die "Interessen" und die "hauptsächliche Arbeitsweise" einer Organisation öffentlich zu machen, den Gesprächspartnern seine Auftraggeber und Interessen zu nennen, politische Kampagnen offen durchzuführen und Politikern sowie Beamten "nahezulegen", dass sie bestehende Vertragsverhältnisse bekannt machen. Nur reicht das? Was passiert, wenn angebliche Geschäftsgeheimnisse berührt werden?

Der Konflikt zwischen öffentlichem und privatem Interesse tritt im Verhaltenskodex der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol) ganz offen zu Tage, indem einerseits "Wahrhaftigkeit" und "Transparenz" gefordert sind, die Berater aber andererseits "vertrauliche Informationen" nur mit der "ausdrücklichen Zustimmung" der Auftraggeber weitergeben dürfen. Die degepol ist nach eigenen Angaben die einzige Plattform für Politikberater in Deutschland, sie hat rund 70 Einzelmitglieder. "Eine Agentur wie WMP würden wir nicht aufnehmen", sagt degepol-Sprecher und Vereinsvorsitzender Dominik Meier. Und die Transparenz? Gibt es eine Übersicht, welcher Berater für wen arbeitet? Meier dazu: "Natürlich ist es nicht immer möglich, die Auftraggeber Dritten zu nennen. Wenn der Auftrageber das wünscht, machen wir ihn nicht bekannt. Das ist wichtig für das Vertrauensverhältnis." Vertrauenssache? Nur rund die Hälfte der 70 degepol-Mitglieder ist im Internet aufgelistet, die anderen haben laut Meier darum gebeten, ungenannt zu bleiben, weil sie "Funktionen in Parteien und Stiftungen" innehaben. Und die Kontrolle des "Code of Conduct", den die degepol im April 2003 aufgestellt hat? Aktiv wird der Verein nur, "wenn Verstöße von Mitgliedern publik werden". Worum geht es den "Rat" Suchenden, um Professionalität oder Kontakte? Ist das Beispiel Hunzinger ein Einzelfall oder doch symptomatisch, weil die Arbeitsweise des politischen Geschäfts zu Tage tritt? Das System des Lobbyisten Moritz Hunzinger beruht auf kleineren und größeren Gefälligkeiten: Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) - jetzt selbst Berater - soll mit einer Nobel-Garderobe ausgestattet worden sein, und dem Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir (Grüne) half Hunzinger großzügig mit einem "Kredit" aus. Schlagzeilenträchtig arbeitet auch die Agentur WMP Eurocom, der Leitbulle unter rund 30 PR-Agenturen in Berlin, die sich auf die Fahnen schreibt: "Wir machen Public Affairs." Ein Blick in den WMP-Aufsichtsrat lässt den Kontaktpool der Berliner Agentur erahnen: dort sitzt neben Ex-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und dem SPD-Abgeordneten Peter Danckert und hochkarätigen (Ex-) Medienmachern auch Peter Berger, der Begründer der Roland Berger Strategy Consultants GmbH München. Die Berger-GmbH ist der zweitgrößte Unternehmensberater in Europa und bedient in Deutschland die Bundeswehr, Daimler Chrysler, Telekom und unzählige andere. Besonders eng sind die Kontakte in die Chefetage der Deutschen Bank und zum bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), auch bei Gerhard Schröder geht Berger ein und aus.

Ist es legitim, dass Politiker ihre Kontakte, die sie in gewählten Ämtern angesammelt haben, für Privatinteressen verwerten? Der ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig soll in der Unternehmensberatung BBDO Consulting den Geschäftsbereich "Public/Communication" aufbauen. Auf der website www.bbdo-interone.de schreibt das BBDO: "Mit Matthias Machnig gewinnen wir einen erfahrenen Kommunikations- und Polit-Strategen und einen Kenner öffentlicher Unternehmen." Der ehemalige SPD-Europabgeordnete Detlev Samland koordiniert in Deutschlands größtem PR-Unternehmen ECC Kohtes Klewes die Public Affairs. Medialer Ausdruck für die Durchmischung von Unternehmensinteressen und Politik ist die monatliche Hochglanzzeitschrift politik kommunikation. Der herausgebende "Politikverlag helios" macht kein Hehl aus seinem Anliegen. Ihm geht es darum, wer Politik am effektivsten und erfolgreichsten vermittelt. Das ein "code of conduct" in diesem Milieu die "schwarzen Schafe" im Zaum halten wird, darf bezweifelt werden. Eher ist zu erwarten, dass die Medien noch einige Beraterskandale aufdecken. Vorausgesetzt, die Journalisten gelangen in einem immer dichter werdenden politischen Filz von Politikern, Medienmanagern, Unternehmern und Politik-Beratern weiterhin an die nötigen Informationen.


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