Die Wiederkehr der Mammute?

TIERE GELTEN ALS RESSOURCE BEI DER KLONFORSCHUNG Aber wer beim Tier alles erlaubt, darf sich nicht wundern, wenn er dereinst seinem eigenen Klon ins Gesicht schaut

Dieser Tage hat Greenpeace beim Europäischen Patentamt in München ein weiteres Patent auf Mischwesen aus Mensch und Tier (EP 380646) entdeckt. Dabei sollen "embryonale Stammzellen von Menschen, Mäusen, Vögeln, Schafen, Rindern, Ziegen oder Fischen" zur Züchtung von chimären Wesen herangezogen werden. Die Münchener Patentbeamten sind unter Rechtfertigungsdruck, denn die Anwendung dieser Züchtungsverfahren ist in Deutschland nicht erlaubt. Vor diesem Hintergrund zeichnet Anita Idel in ihrem Beitrag die Entwicklung der tierischen Klonforschung nach und beleuchtet die ethischen Probleme beim Einsatz geklonter oder transgen manipulierter Tiere in der Medizin.

Wir schreiben das Jahr 3050.

Gewaltige interplanetare Beben erschütterten auch den Planeten Erde in den vergangenen 1050 Jahren, sodass kaum noch Sonnenlicht durch die aschgraue Atmosphäre dringen konnte. Mit pflanzlichem und tierischem wurde auch menschliches Leben unmöglich, nachdem die Verdunklung die Temperaturen auf der Erde dauerhaft unter Null sinken ließ. Erst zu Beginn des vierten Jahrtausends begannen Außerirdische, sich für das vergangene terrestrische Leben zu interessieren und planten, das Erbgut vereister oder mumifizierter menschlicher Leichen zu klonen.

Ein solches Fantasy-Szenario hat einen wahren Kern, denn es drängt uns die Frage auf, was passieren könnte, wenn zu Beginn des neuen Jahrtausends Arten, die vor zehntausenden oder wie die Dinosaurier bereits vor 65 Millionen Jahren ausgestorben sind, wiederbelebt werden soll(t)en.

Vermutlich waren es Naturkatastrophen, die diese Arten aussterben ließen. Heute würden die geklonten Mammute und Säbelzahntiger auf dem Planeten Erde keinen natürlichen Lebensraum mehr vorfinden. Und für den geklonten Menschen des Jahres 3050 hätten die Außerirdischen vielleicht auch nur noch einen Platz im klimatisierten, künstlich beleuchteten Zoo zu bieten, wenn er - allerdings im Reagenzglas und nicht so romantisch wie Dornröschen - wieder zum Leben erweckt würde. Aber noch ist die Menschheit nicht ausgestorben, und geklonte Mammute von morgen sind eher eine Ente von gestern. Was aber ist dran an den Visionen vom Klonen, an den Vorstellungen von Lebewesen, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen?

Am Anfang war Dolly

Im Februar 1997 wurde das erste Säugetier, das nicht aus der Verschmelzung von Ei und Spermium entstanden war, der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt. Zweifel über die Entstehung dieses Klonschafs aus einer Zelle seiner Mutter wurden mittlerweile widerlegt: Dolly ist kein Fake, sondern hat das gleiche Erbgut wie seine Mutter;wie seine genetische Mutter muss es der Genauigkeit wegen heißen. Denn das Mutterschaf, aus dem die Zelle mit dem Erbgut stammte, war schon seit Jahren tot, als Forscher im schottischen Edinburgh eine Gewebeprobe mit Euterzellen auftauten, 273 dieser Zellen mit je einer entkernten Eizelle verschmolzen und im Reagenzglas durch einen elektrischen Impuls zu embryonalem Wachstum stimulieren. Diese Embryonen wurden auf andere Mutterschafe übertragen, mit denen sie nicht verwandt waren. Ein Embryo überlebte die Prozedur: Dolly.

Die Entwicklung, die dieser Weltsensation vorausging, hatte knapp 15 Jahre zuvor begonnen. Bereits Mitte der achtziger Jahre war für zahlreiche Gentechniker absehbar, dass die katastrophal geringen Erfolgsquoten des Gentransfers kaum zu verbessern sein würden. In der Folge wurden private Firmen gegründet und Verträge mit großen Pharmakonzernen wie Sandoz (heute Novartis) abgeschlossen. Dollys Macher im schottischen Roslin Institut und die Firma Pharmaceutical Proteins Ltd. (PPL) manipulieren Tiere mit menschlichen Genen. Als lebende Bioreaktoren, so der Forscherjargon, sollen sie in ihrem Euter Eiweiße für die Herstellung von Medikamenten bilden. Das ist bislang ein riesiges Verlustgeschäft, weil nur wenige Tiere die gentechnischen Manipulationen überleben.

Doch bereits 1992 machte PPL kranken Menschen mit einem angeborenen Eiweiß-Mangel in der Lunge Hoffnungen mit dem genmanipulierten Schaf Tracy, das in seinem Euter ein Eiweiß bildete, das dem menschlichen ähnlich war. Mit 2.000 dieser Schafe könne man den Weltbedarf decken, meldete die Firma. Tracy indessen vererbte das menschliche Gen nur unregelmäßig auf ihre Nachkommen. Manche bildeten das menschliche Enzym in Bruchstücken, andere gar nicht.

Mittlerweile wollen Forscher zumindest Ausnahmen wie Tracy vervielfältigen, um die unbefriedigenden Ergebnisse der Genmanipulation zu kompensieren und mit der Dolly-Technik ihre eigenen Schäfchen doch noch ins Trockene zu bringen. Aber noch ist auch das Klonen kein Routineverfahren, und die sogenannte Erfolgsquote liegt auch beim Schaf deutlich unter ein Prozent. Im Dolly-Versuch überlebte nur einer von 273 Embryonen - Dolly. Bisher ist keines der tierisch-menschlichen Medikamente für den Markt zugelassen worden. So ist offen, wie sie je beim Menschen wirken werden und ob sie verträglich wären.

Seit Jahren wird nach Alternativen zur Allotransplantation gesucht - der Übertragung menschlicher Organe. Die Forschungsalternative zielt auf die Xenotransplantation, die Übertragung fremder, tierischer Organe. Denn während ein Plastik-Organ bestenfalls mechanisch die Pumpfunktion des Herzen ersetzen kann, erhofft man sich von Tieren auch andere Organe wie Nieren und Lebern, die Enzyme und Hormone - Wirkstoffe für den Körper - bilden und von diesen auch gesteuert werden.

Das größte medizinische Problem bei der Xenotransplantation liegt in den gefürchteten Abstoßungsreaktionen: Auch menschliche Organe werden nach einer Transplantation vom körpereigenen Immunsystem des Empfängers als fremd erkannt und abgestoßen. Deshalb muss die natürliche Immunabwehr lebenslang durch Medikamente unterdrückt werden. Der Markt für diese Immunsuppressiva boomt.

Astrid, das menschelnde Schwein

Versuche, artfremde Organe von Tieren als Transplantate für Menschen zu nutzen, sind bisher gescheitert. Sie endeten durch hyperakute Abstoßung: Die Organe zerfielen - häufig noch während der Operation unter der Hand der Chirurgen - durch die Abwehrmechanismen des menschlichen Immunsystems. Seit 1905 sind über 30 Fälle bekannt, in denen tierische Organe auf Menschen - wie das Herz eines Pavians auf "Baby Fea" - übertragen wurden. Die bisherigen Immunsuppressiva konnten den tödlichen Zerfall der Organe nicht verhindern.

Nach diesen Misserfolgen wächst jedoch seit einigen Jahren wieder die Hoffnung. Seit 1992 haben auch die tierischen Ersatzteilproduzenten einen Namen: Astrid, ein Schwein, das mit menschlichen Genen des Immunsystems manipuliert worden ist mit dem Ziel, dass seine vermenschlichten Organe (Forscherjargon: nachwachsende Rohstoffe) bei den menschlichen Empfängern keine tödlichen Abwehrreaktionen des Immunsystems mehr auslösen. Zudem wird an Immunsuppressiva mit höherer Wirksamkeit und geringer(er) Toxizität geforscht. Durchbrüche in der Klonforschung sollen letztlich auch bei der Xenotransplantation die schlechten Erfolgsquoten der Gentechnik aufbessern und Organe in relevanter Zahl liefern. Für die Zukunft lockt ein Milliardenmarkt: In einem Industrieszenario werden für die USA jährlich 100.000 Organtransplantationen prognostiziert - zu einem Einzelpreis von 10.000 Dollar.

Vor den Risiken der Xenotransplantationen warnen am lautesten Virulogen. Sie fordern wegen der möglichen Übertragung tierischer Krankheitserreger seit Jahren ein Stopp der Transplantationen von einer Art (Tier) auf eine andere (Mensch). Diese Gefahr ist um so größer, je näher entwicklungsbiologisch die betreffende Tierart dem Menschen steht.

Die meisten Befürworter der Xenotransplantation favorisieren Schweine, die sich zudem auch unter problematischen Haltungsbedingungen viel leichter und zahlreicher fortpflanzen als Affen. Außerdem ging man davon aus, dass jahrtausendelanger Verzehr von Schweinefleisch als Beweis dafür gelten kann, dass Erreger von typischen Schweinekrankheiten dem Menschen nicht gefährlich werden. Aber bei Versuchen mit Zellkulturen zeigte sich, dass sogenannte endogene Retro-Viren vom Typ der AIDS-Viren, die sich im Erbgut von Schweinezellen befinden, menschliche Zellen befallen und, soweit sie epidemisch wirken, die Spezies insgesamt bedrohen.

Und der Tierschutz? Auf Tausende von Schweineembryonen wurden bereits menschliche Gene übertragen, doch die meisten haben die Manipulationen nicht überlebt. Damit sich Xenotransplantationen dennoch kommerziell lohnen, sollen die wenigen Tiere, die die Genmanipulationen überstehen, durch Klonen vermehrt werden. Aber auch diese experimentelle Technik fordert einen riesigen Tierverbrauch.

Skrupel wären aber schon allein wegen der Haltungsbedingungen angebracht: Das so genannte Tiermaterial für Xenotransplantationen bedarf einer keimfreien Aufzucht unter Laborbedingungen. Das bedeutet: Geburt per Kaiserschnitt, künstliche Ernährung, die die Ausbildung einer gesunden Darmflora verhindert, und vor allem kein natürliches Licht, keine frische Luft und erst recht kein Toben auf der grünen Wiese ...

Aber ist es angesichts der Chance, mit tierischen Organen Leben zu retten, überhaupt legitim, über mögliche Tierschutzprobleme der Xenotransplantation nachzusinnen? Ich denke, ja. Wir verzehren allein in Deutschland jährlich über 40 Millionen Schweine, die zunehmend unter industriellen Verhältnissen gehalten werden; Licht, Luft und Grünzeug aus der Natur sind hier die Ausnahme. Aber die Schweine, die wir verspeisen, könnten im Freiland gehalten werden, wenn wir bereit wären, weniger Fleisch zu essen und mehr fürs Kotelett zu zahlen. Die Haltungsbedingungen unserer Fleischlieferanten sind somit kein Maßstab für die Aufzucht von Xeno-Schweinen, die unter extremen hygienischen Verhältnissen aufwachsen müssen.

Wie viel Schwein verträgt der Mensch - wieviel Mensch ein Schwein? Transplantierte Patienten entwickeln häufig in entfernten Körperregionen Tumoren aus dem fremden Gewebe, da ihr unterdrücktes Immunsystem die im Körper wandernden Zellen nicht abfängt. So wurden Zellen aus dem Nierengewebe von Organspendern selbst im Gehirn von Empfängern entdeckt. Welche Auswirkungen die Verschweinung des Menschen auf unsere Psyche haben kann, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Ignoriert wird derweil auch die gesellschaftspolitische Dimension: Würde der uralte Menschentraum verwirklicht und das eigene Leben immer weiter verlängert, stünden immer weniger junge Menschen immer mehr alten Menschen gegenüber. Nicht Denkverbote sind gefragt, sondern verantwortliches Handeln, denn die Folgen von Xenotransplantationen - die gesundheitlichen, die sozialen und die ethischen - tragen letztlich wir alle.

Den Menschen einen Traum schenken?

Geklonte Menschen - Horror der einen, Wunschtraum der anderen. Lange galten menschliche Klone als Stoff für die Feuilletonseiten, derweil in den Wissenschaftsredaktionen die Fortschritte der tierischen Forschung gefeiert wurden. Die Überschneidungen zwischen Tier und Mensch bei der biotechnischen Forschung in den letzten 20 Jahren könnten kaum größer sein: An der Tierärztlichen Hochschule in Hannover hatten die geistigen Väter des ersten so genannten Retortenbabies Mitte der siebziger Jahre den Embryotransfer beim Rind geübt. Später beschwor der tierärztliche Leiter seine KollegInnen bezüglich weiterer Manipulationen, es sei "absurd, an eine Verwendung beim Menschen zu denken". Aber die Forschungspraxis sieht ganz anders aus: "In der Tiermedizin alles schon Routine", lautet die verbreitete Beschwörungsformel gegen moralische Skrupel in der Humanmedizin. Machbarkeit ist das Gebot der Stunde nach dem Motto: "Was wir beim Tier im Griff haben, bekommen wir auch beim Menschen hin."

Der historische Dammbruch in der Geschichte der Fortpflanzungsmedizin ist die EiEntnahme, die Voraussetzung für die In-Vitro-Fertilisation (IVF). Denn seitdem es möglich ist, Frauen Eizellen zu entnehmen, sind diese im Reagenz-Glas technisch verfügbar für beliebige Veränderungen und Vervielfältigungen.

Das Klonen eines erwachsenen Säugetieres stellt einen weiteren Quantensprung auf dem Gebiet der Fortpflanzungstechniken dar. Zwar muss Mensch nicht bei jeder Errungenschaft in der tierischen Forschung den Homunkulus fürchten. Aber diesmal sind es die Macher selber, die an der Übertragbarkeit der neuen Klon-Technik auf den Menschen keinen Zweifel lassen. Die neuen Errungenschaften riskieren zwar öffentliches Entsetzen, aber die Begehrlichkeiten bis hin zum Nobelpreis überwiegen. Ironie des Schicksals - Name verpflichtet: Der lauteste Verfechter des Klonens von Menschen heißt Samen - der amerikanische Physiker Mr. Seed.

Was ist spektakulärer? Elefantenkühe, die Mammute gebären, oder Männer, die Kinder bekommen können? Jede Zeit produziert ihre eigenen Wünsche und Horrorvisionen. Bereits seit den sechziger Jahren verkauft eine Samenbank Spermien von Nobelpreisträgern und verspricht für die Nachkommen hohe IQ-Werte. Längst geht es also um Leistungssteigerung. Der in Deutschland bekannteste Verfechter dieser Enhancement- Strategie, Lee Silver, hält Eltern für ethisch verpflichtet, ihren Kindern das bestmögliche Verfahren zur Erbgutverbesserung angedeihen zu lassen.

Noch gibt es menschliche Klone nur als Science-fiction, derweil der erste Mammut-Klon schon mediengerecht angekündigt wurde. Aber der teuerste Eisklotz der Welt erwies sich als Fake, und Mammute werden wir weiterhin im Museum besuchen. "Ich wollte den Menschen einen Traum schenken", sagt nun der französische Mammutausgräber Bernhard Buiges. Die Wissenschaft arbeitet hart an diesem Traum. Aber wer beim Tier alles erlaubt und erst beim Menschen die Grenze ziehen will, darf sich nicht wundern, wenn ihm dereinst sein eigener Klon ins Gesicht schaut. Dann könnte es auch möglich sein, aus einem Hautrest oder einer Haarwurzel neues menschliches Leben herzustellen.

Schon 1997 meldeten sich bei den schottischen Schaf-Forschern Menschen zum sofortigen Klonen, und auch Mr. Seed klagt nicht über mangelnde Nachfrage. Neben Allmachtsphantasien ist es aber auch die Angst vor dem Tod, die die Menschen so umtreibt. Zurück in die Zukunft: Genial formulierte Stanislaw Lem in seinen Sterntagebüchern vor 40 Jahren (!) für das dritte - unser - Jahrtausend - Sterblichkeit würde als "Skandal und als eine Schande im kosmischen Maßstab" empfunden. Für Lems Sternenbewohner lag die Lösung in der völligen "Abkehr vom natürlichen Menschen".

Dr. Anita Idel ist Autorin, Tierärztin und Mitbegründerin des Genetischen Netzwerkes sowie der Gesellschaft für ökologische Tierhaltung.

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