Igel oder Kompass? Für Moritz Jungeblodt ist das eine Frage von Rück- oder Fortschritt. Die Grüne Jugend führt einen grimmig schauenden Igel mit aufgestellten Stacheln als Logo. Jungeblodt findet dieses Motiv altbacken. Ein Kompass dagegen stehe für Modernität, glaubt der 25-Jährige. „Der Kompass führt zum Ziel“, sagt der junge Grüne. Deswegen hat er den Kompass auch zum Logo der „Grün.der*innen“ gemacht, einem neuen Sammelbecken für den Nachwuchs der Ökopartei. Am Jahresanfang hat Jungeblodt mit dem sechs Jahre jüngeren Lars Schellhas diese Konkurrenz zum Jugendverband der Grünen ins Leben gerufen. Hier sollen sich ökologisch orientierte junge Leute treffen, die auch über Reformalternat
treffen, die auch über Reformalternativen in schwarz-grünen Bündnissen nachdenken.Mit der neuen „Plattform“, wie die Initiatoren ihr Projekt nennen, bekommen die Realos ihren eigenen Rekrutierungsklub. Denn die Grüne Jugend steht dem rechten Parteiflügel traditionell skeptisch gegenüber. Deren Bundesvorsitzende Theresa Kalmer sagt, die Grüne Jugend sei „ein linker Verband“. Das werde von den Mitgliedern getragen. „Viele identifizieren sich mit den linken Grünen.“ Nach ihren Angaben hat die Nachwuchsorganisation rund 9.000 Mitglieder, von denen etwa die Hälfte ebenfalls in der Mutterpartei ist.Klare SprachregelungenDie beiden Initiatoren der „Grün.der*innen“ sind noch ziemlich jung, aber sie stehen den älteren Pragmatikern zumindest verbal in nichts nach. Jungeblodt und Schellhas sprechen gerne von Forderungen, die „die Lebensrealität der Menschen“ im Blick haben und nicht nur idealistisch sein sollten. Konstruktiv wollen sie sein, gestalten und sich „am Machbaren orientieren“. Sie haben klare Sprachregelungen, wie sie ihre Plattform nach außen verkaufen. „Wir sehen uns nicht als Alternative zum Grünen Jugendverband, sondern als eine Ergänzung“, sagt Lars Schellhas. Es gehe keineswegs darum, die Grüne Jugend zu ersetzen.Den beiden Jungrealos dürfte klar sein, dass sie damit zumindest in absehbarer Zeit auch keine Chance hätten. Die grüne Mutterpartei steht fest zu ihrem Jugendverband. „Jeder, der sich in Debatten der Grünen Jugend einbringen will, kann dies gerne tun, gern auch mit Onlineformaten“, sagt der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Das gehöre zu einer vielfältigen Partei. Klar sei aber auch: „Die Grüne Jugend ist und bleibt unsere Jugendorganisation.“Dass linke Jugendorganisationen Konkurrenz aus der eigenen Partei bekommen, ist keine grüne Besonderheit. Guido Westerwelle gründete 1980 die Jungen Liberalen gegen die traditionelle, den Parteioberen zu links gewordene FDP-Jugendorganisation, die Jungdemokraten. Als die Jungdemokraten den Liberalen nach dem Ende der sozial-liberalen Koalition 1982 den Rücken kehrten und parteiunabhängig wurden, konnte Westerwelle mit seiner Truppe in die Bresche springen.Viele parteipolitische ErfahrungenDie Grünen haben erst seit 1996 einen eigenen Jugendverband. Jungeblodt sagt, man wolle junge Grüne ansprechen, die sich dort nicht wiederfänden. Er selbst und sein Mitstreiter Schellhas haben bereits viel parteipolitische Erfahrung. Schellhas ist 2010 in die Grüne Jugend und ein Jahr später in die Partei eingetreten und war für die Jugendorganisation im Neusser Stadtverbandsvorstand tätig. Nach dem Abitur 2013 zog er erstmals in den Wahlkampf. Er trat in Neuss als Direktkandidat gegen den CDU-Politiker und jetzigen Gesundheitsminister Hermann Gröhe an. Jetzt studiert Schellhas in Aachen Maschinenbau.Sein Kollege Jungeblodt hat sein Bachelorstudium der Geschichte und Politik in Düsseldorf gerade abgeschlossen. Mit 18 Jahren ist er zum ersten Mal zu einer Fraktionssitzung der Grünen gegangen, mit 19 in die Partei eingetreten und mit 20 Jahren wurde er in den Rat der Stadt Pulheim gewählt. Vier Jahre lang war er stellvertretender Parteivorsitzender im Rhein-Erft-Kreis. 2013 hat Jungeblodt vergebens für den Bundesvorsitz der Grünen Jugend kandidiert. Das sei spontan gewesen, sagt er. „Es ging darum zu zeigen, wie viel Pluralität wir im Verband haben.“„So etwas vergrault Mitglieder“So etwas wie ein Programm haben die „Grün.der*innen“ noch nicht. Mehr als 100 Interessierte haben sich bislang in eine Mailing-Liste eingetragen. Die Initiatoren wollen nicht vorwegnehmen, welche Positionen ihre künftigen Mitstreiter entwickeln wollen, sagen sie. Dafür können sie sich jedoch erstaunlich gut abgrenzen. „Die Grüne Jugend hat Beschlusslagen, die kaum ein junger Grüner teilt“, glaubt Jungeblodt. Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Wahlalter Null. Oder mit der „Roten Hilfe“, dem Rechtshilfeverein für radikale Linke. Dass Teile des Verbands ihn unterstützen, regt Jungeblodt auf. „So etwas vergrault Mitglieder.“Auch dass Interessierte beim Eintritt in die Grüne Jugend beim Geschlecht nur „weiblich“ und „nicht weiblich“ ankreuzen können, geht ihm gegen den Strich. Dass es bei Konferenzen immer nur veganes Essen gibt, ebenso – obwohl er selbst Vegetarier ist. Während die Grüne Jugend nach ihrem Selbstverständnis antikapitalistische Positionen vertritt, setzen die ehrgeizigen jungen Männer auf die ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Sie suchen Mitstreiter, die nicht wie der Jugendverband auf Rot-Grün und Rot-Rot-Grün setzt, sondern unter Umständen auch auf Schwarz-Grün und Jamaika-Bündnisse.Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Theresa Kalmer, hätte sich trotz aller Differenzen gewünscht, dass die beiden ihr Projekt unter dem Verbandsdach begonnen hätten. „Wir gehen auch bei kontroversen Diskussionen immer respektvoll miteinander um“, sagt die 23-Jährige. Die Gründung einer Plattform außerhalb des Verbandes sei jedoch auch „kein Drama“. Sie sieht das gelassen: „Das ist keine Kampfansage.“