Chance für die Utopie

Theaterpremiere In Bremen inszeniert Frank-Patrick Steckel ein Stück zur Stunde: "Plutos oder Wie der Reichtum sehend wurde". Das Besondere: er tut das mit arbeitssuchenden Schauspielern

Die gesellschaftliche Chance, die in der aktuellen Wirtschaftskrisen liegt, besteht darin, dass sie Fragen aufwirft nach der gerechten Verteilung von Besitz und der sozialen Verantwortung der Besitzenden. Im aktuellen Trubel mag man aus dem Blick verlieren, wie zeitlos diese Fragestellung ist. Theaterregisseur Frank-Patrick Steckel hat sich erinnert. Für seine aktuelle Produktion in Bremen hat er die letzte überlieferte Komödie des großen antiken Lustspieldichters Aristophanes wiederentdeckt, ein Stück also, das gut 2400 Jahre alt ist. In Versen lässt der Dichter unter dem Titel Plutos (Der Reichtum) seine Figuren die Frage beackern, ob Reichtum ohne Armut denkbar ist. Es geht um die Utopie einer gerechten Welt.

Steckel hat für seine Bremer Arbeit den Text neu übersetzt und aktualisiert und die nicht überlieferten Chorpassagen ergänzt. Entstanden ist eine Variation der Komödie voller Anspielungen auf bundesdeutsche Verhältnisse, wortwitzig und kraftvoll: Chremylos, ein rechtschaffener Athener Bauer lebt in Armut, während die Verbrecher mit Reichtum prassen. Das Wohl seines Sohnes im Sinn, befragt der brave Mann das Orakel, ob es nicht doch klug sei, vom Pfad der Tugend abzuweichen. Apollo arrangiert daraufhin die Begegnung mit Plutos, dem abgehalfterten und erblindeten Gott des Reichtums. Chremylos setzt alles daran, den Hoffnungsträger zu heilen und die Besitzverhältnisse umzukrempeln. Utopie hat endlich eine Chance.

Zum provokanten Inhalt und der radikalen sprachlichen Form ist das Bremer Projekt brisant, weil Altmeister Steckel nicht, wie üblich, am Stadttheater inszeniert. Diesmal probiert er mit den Schauspielern vom Theaterlabor Bremen, einer von der Agentur für Arbeit geförderten, relativ kleinen Bühne, an der arbeitslose Schauspieler jeweils sechs Monate lang unter der Leitung namhafter Regisseure professionell ihren Beruf ausüben können. Die Thematik des Plutos spiegelt sich also in den Produktionsbedingungen und so entsteht eine Mixtur, die unter der Leitung eines Künstlers von Steckels Format explosiv zu werden verspricht. Weil für seine Brechtproduktion Die Heilige Johanna der Schlachthöfe am Schauspiel Bremen noch Darsteller gefehlt hatten, war Steckel vor anderthalb Jahren auf das Theaterlabor zugekommen. Die Zusammenarbeit lief gut, Steckel interessierte sich für die Institution und ein gemeinsames Projekt wurde geplant.

Die arbeitslosen Schauspieler sehen sich in Steckel einem Theatermann gegenüber, der seine Kunst übrigens prinzipiell als politisches Tun auffasst. Das zeigt sich auch in seinem Werdegang. 1970 war er Gründungsmitglied der neuen Schaubühne am Halleschen Ufer unter Peter Stein. Von 1978 bis 1981 leitete er das Schauspiel in Bremen während der Intendanz von Arno Wüstenhöfer. 1986 wurde er zum Intendanten des Schauspielhauses Bochum berufen, das er – gemeinsam mit der Choreographin Reinhild Hoffmann und ihrer Compagnie – bis 1995 führte. Heute arbeitet Frank-Patrick Steckel als freier Regisseur.
Die Premiere von Aristophanes Plutos oder Wie der Reichtum sehend wurde geht am Donnerstag, 26. Februar, 20 Uhr im traditionsreichen Concordia Theater in Bremen über die Bühne. Weitere Aufführungen vom 27. Februar bis 1. März, 5. bis 8. und 12. bis 15. März.

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