Sie müssen seltsam geschaut haben, die Zollbeamten, als diese Box mit den Hämmern bei ihnen ankam. Eine Kunststoffbox mit Deckel, 100 lose Hämmer darin, das Gewicht unten, die blauen Griffe oben. „Box of loose hammers“ stand als Bezeichnung auf dem Zollpapier.
Es könnte einfach eine Box mit Hämmern sein. Oder ein Kunstwerk. Aber es ist ein Wohnzimmertisch. Ein Designobjekt. Eyal Burstein, der die Hammerkiste entwarf, ist irritierte Reaktionen gewohnt. Sein Steuerberater schaute auch verwirrt, als er bei ihm die Quittung für die Hämmer einreichte. Ob er sie weiterverkaufen wolle, fragte der Steuerberater. Davon hänge ab, ob statt des ermäßigten Steuersatzes für Kunstwerke doch 19 Prozent Umsatzsteuer und drei Prozent Handelssteuer fällig würden. Diese Ambiguität zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand reizt Eyal Burstein.
Kunst oder Kommerz?
„Normalerweise redet darüber keiner“, sagt Burstein und meint das Steuer-Labyrinth für Künstler. „Entweder man hat sich damit abgefunden oder die Galerie regelt das.“ Der Israeli konzipiert in Berlin unter seinem Label „Beta Tank“ nun seit zwei Jahren Objekte, deren Status als Kunstobjekt permanent in Frage gestellt wird. Im vergangenen Jahr schickte er ein paar Monate lang Werke um die Welt, um herauszufinden, als was sie wahrgenommen werden. Nirgends scheint die Identität solcher Objekte so eindeutig wie an der Ländergrenze, im Zwischenreich staatlicher Systeme: Der Zoll ist dafür da, Gegenstände zu klassifizieren, die aus dem einen System ins andere wechseln wollen. Problematisch wird es, wenn etwas aussieht, als sei es ein Gebrauchsgegenstand, es dem Wesen nach aber eher ein Kunstwerk wäre.
Als was würde der Tisch aus Hämmern ins Land kommen? Als kommerzielles Produkt – oder als Kunstwerk? Müsste er verzollt, besteuert werden? Burstein ließ seine Werke von Ausstellung zu Ausstellung reisen: von Berlin nach Basel und zurück, sie kamen von Barcelona und Istanbul nach Katar. Das Ergebnis dieser Kunstreise hat er in seinem Projektbuch Taxing Art veröffentlicht, eine Collage aus Fotos, gescannten Zollpapieren und Essays über das deutsche Steuersystem. Und ein hintersinniges Wortspiel: In „taxing“ steckt die kritische Begutachtung und gleichzeitig die Besteuerung seiner Kunst.
Bestürzt von der deutschen Bürokratie
Burstein ist 2009 von London nach Berlin gezogen und von der deutschen Bürokratie bestürzt. Dauernd habe er Kontakt zum Finanzamt gehabt. Doch die Frustration über das deutsche Steuersystem war auch der Anstoß, mal darüber nachzudenken, inwiefern Steuersysteme Ausdruck der jeweiligen Gesellschaft sind. Die deutsche Struktur erscheint Burstein vor allem exemplarisch für die Nähe zwischen Staat und Bürgern, „einen derart persönlichen Kontakt zu den Vertretern des Staates habe ich noch in keinem Land erlebt“, sagt er. Telefonate mit dem zuständigen Finanzbeamten kennt er nicht. Dass hier jeder Mehrwertsteuer zu zahlen habe, findet er gerecht. In London würden „kleine Fische wie ich“ mit einem so geringen Einkommen nicht zur Kasse gebeten.
Dass seine Werke schwer verortbar sind, sieht man bei seiner momentanen Ausstellung „Taxing Art“ in Berlin. Sie ist im Verkaufsraum seines Verlags aufgebaut, es gibt Designgegenstände und Bücher. Doch dann liegen da ein Stuhl und ein Tisch auf dem Boden, in einer Ecke steht ein Tisch mit Schreibmaschine, Barometer und einem alten schmiedeeisernen Bügeleisen. Lauter alltägliche Gegenstände, mit Nutzwert. Nichts Außergewöhnliches. Und dennoch: überall jene kleinen Schilder, die etwas als Kunst definieren. „Please don’t touch“, bitte nicht berühren.
Burstein hat die Objekte gezielt ausgewählt: „Es sollte etwas sein, das eindeutig wie ein normaler Gebrauchsgegenstand aussieht“, sagt er. „Bei Tisch und Stuhl muss ich nichts erklären, wir sind davon umgeben.“ Auf den ersten Blick sind sie als Möbel nutzbar – nur gehören seine Tische und Stühle zu seiner „Memory-Stück“-Serie: Sie haben einen integrierten USB-Stick, auf dem Bilder ihrer selbst abgespeichert sind.
An der Grenze wandelten die Objekte ihre Identität. Burstein musste Fotos einreichen: Fotos, die seine Werke in einem Kunstkontext zeigen, in einem Museum, einer Galerie – Hauptsache nicht kommerziell. Von Berlin nach Barcelona gab es keine Probleme, beide gehören zur EU. Auch die deutschen Papiere wurden nicht angezweifelt. Nur in Istanbul hakte es. „Es gab anscheinend hinter den Kulissen Verhandlungen“, erzählt Burstein. „Teile meiner Werke mussten als Teile einer Küche deklariert werden, um ins Land gelassen zu werden.“ Im reichen Katar, das Steuern überhaupt nicht nötig hat, lief alles glatt: Seine Objekte wurden als „privates Hab und Gut“ klassifiziert. „Als könnte es ihnen nicht egaler sein“, sagt Burstein.
Was Kunst ist, was nicht
Sein Buch ist auch eine Art Handbuch für Kunstschaffende in Deutschland geworden – selbst wenn er das anders sieht. In Deutschland ist streng geregelt, was Kunst ist und was nicht. Der Künstler muss eine künstlerische Ausbildung mit Zertifikat haben, in der Künstlersozialkasse sein, Zeitungsartikel über Ausstellungen vorweisen können, die Werke müssen handgemacht sein.
Bei moderner Konzeptkunst liegt es aber im Ermessen des Finanzbeamten, was Kunst ist und was nicht; die Übergänge sind fließend. „Mein Traum ist, dass man in Deutschland mal die Liste mit den Kategorien auf Vordermann bringt und neu bestimmt, was alles Kunst sein kann“, erklärt Burstein. Versteht man seine Werke als Neuinterpretation von Marcel Duchamps Readymades, übertragen aufs globalisierte 21. Jahrhundert, dann wäre es Zeit, dass Steuergesetze und überholte Kunst-Klassifizierungen überarbeitet werden. Duchamps „Bottle Rack“ oder sein „Pissoir“ hätten es heute bestimmt schwerer beim Zoll. Bursteins Werke verließen Deutschland als Gebrauchsgegenstand und kamen als Kunstobjekt wieder. Nur die Box mit den Hämmern kam zerstört zurück.
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