Deine Tat für deine Hauptstadt

PDS im Härte-Test In Berlin hat ein Wahlkampf begonnen, an dessen Ende es keine Sieger geben wird

Neulich war ich auf dem Fernsehturm. Berliner machen das im Allgemeinen, um dem aus der Provinz angereisten Besuch einen Überblick über die äußerlichen Veränderungen in der Stadt zu verschaffen: Soweit das Auge reicht. 200 Meter tiefer dreht sich immer noch das Logo der Landesbank, das aussieht wie drei Rechenstäbchen, obwohl die Landesbank es mit dem Rechnen nicht so genau nimmt. Kann nicht mal jemand diese Reklame ausmachen? Unter ihm auf dem Alexanderplatz trifft sich die Armut der Stadt, und während ein Notarztwagen der Feuerwehr einen dieser Gestrandeten ins Krankenhaus bringt, verlässt ein bronzener Mercedes das Gebäude. Den Alexanderplatz müssen die Banker nicht betreten. Es gibt einen Hinterausgang und - von oben gesehen - einen grünen Dachgarten. Von dort ist noch niemand aus Scham heruntergesprungen. Im Gegenteil.

Am 31. Mai schickte mir die Berliner Bank wie allen ihren Kunden einen Brief. "Jeden Tag", hieß es da, "müssen Sie in den Medien negative Schlagzeilen und Berichte über Ihre Bank, die Bankgesellschaft Berlin AG, die Landesbank Berlin und die Berlin Hyp lesen. Dies bedauern wir zutiefst. Um einer sich verstärkenden Unsicherheit den Boden zu entziehen, möchten wir Sie persönlich über die Situation in unserem Konzern unterrichten." Was dann folgte, ließ mich als gelernte DDR-Bürgerin nur laut lachen. Laut Botschaft der Berliner Bank war eigentlich alles in Ordnung. "Auch für das 2. Quartal erwarten wir eine ordentliche Ertragsentwicklung. Den besonderen Risiken aus dem gewerblichen Immobiliengeschäft und dem Immobilien-Fondsgeschäft wird im Jahresabschluss Rechnung getragen. Die Zukunft des Bankkonzerns wird daraus nicht mehr belastet. In diesem Zusammenhang ist die Erklärung des Landes Berlin zu sehen, dem Bankkonzern das benötigte Kapital zur Verfügung zu stellen."

Wieder einmal hatte sich Brechts Satz, dass die Gründung einer Bank weitaus lukrativer ist als der Überfall auf dieselbe, eindrucksvoll bestätigt. Während die Bankräuber in Tegel in der Teilanstalt für Langzeitinsassen sitzen, braucht es eine Menge politischen Druck, dass die Bankenvorstände, die das Desaster zu verantworten haben, nicht noch mit einer satten Abfindung in den Ruhestand geschickt werden. Dass Klaus-Rüdiger Landowsky eines Tages zurücktreten müsste und mit ihm gleich der ganze Senat, hatte mittlerweile kein Berliner mehr für möglich gehalten. Es war am Ende wie nach 40 Jahren DDR oder 16 Jahren Helmut Kohl - lass nach der Pest die Cholera oder Pocken kommen, wenn nur die Pest aufhört.

Trotzdem hält sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit hartnäckig die Auffassung, dass eine schwarze Regierung schwarze Zahlen schreibt und eine Rote rote.

Berlin wurde jahrelang von einer Vorstadt aus regiert, so als habe es einen Mauerfall nie gegeben, so als hinge man als Exklave mit Sonderstatus immer noch am Tropf der Bundesrepublik. Banker wurden auf entlegene Inseln geschickt, von denen man bis dato noch nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt, um mithilfe von ominösen Briefkastenfirmen aus Stroh Gold zu spinnen, was ihnen, wie wir wissen, nicht gelang. Ein Teil dieser Machenschaften waren längst bekannt. Konsequenzen hatten sie nie. Man denke nur an die gründlich misslungene Olympiabewerbung. Die Gegner wurden kriminalisiert, die Akten dagegen gingen in den Reißwolf, ehe sie als Beweismittel für die Gerichte benutzt werden konnten. All diese Geschichten wären wunderbare Filmstoffe für Autoren mit einem gewissen Hang zu Verschwörungstheorien, aber um solche Filme im Fernsehen zu zeigen, müsste dann auch noch der SFB von Grund auf reformiert werden, der unter Insidern bis heute Sender Freies Charlottenburg genannt wird. Der Filz ging bis in die entlegensten Teile der Gesellschaft, jeder Lottospieler war Teil der Geldverschwendungsmaschine der Großen Koalition.

Diese Konzentration von Macht war nur möglich, weil es zwar schon längst eine Mehrheit links der CDU gab, die aber durch die Koalitionsaussage der SPD von 1998, weder die Duldung noch die Zusammenarbeit mit der PDS zuzulassen, keine Bedeutung hatte. Aber die PDS ließ sich nicht so einfach wegzaubern, im Gegenteil, je lauter behauptet wurde, die Einheit sei längst vollendet, nur der Osten sei undankbar, desto zahlreicher wurde sie gewählt, und es bedurfte ausgeklügelter Raffinessen, um sie von der Macht fernzuhalten. So lässt das Berliner Wahlgesetz zu, Zählgemeinschaften in den Bezirken zu bilden, um PDS-Bürgermeister zu verhindern. Das war nicht gerade dazu angetan, ehemaligen DDR-Bürgern die Vorzüge der parlamentarischen Demokratie nahe zu bringen.

Dass es nichts Besseres gibt, als die PDS mitregieren zu lassen, um sie zu entzaubern, dagegen gibt es ideologische Scheuklappen und zwar die der Kalten Krieger West, nach dem Motto: Unsere Frontstadt darf nicht von Kommunisten regiert werden. Mit der Abwahl der Berliner Landesregierung, die nur mit den Stimmen der PDS möglich war, wurde ein Tabu gebrochen, das der CDU bis dato immer die Macht sicherte. Seitdem redet die CDU von Putsch, von Verrat an der Demokratie und agiert mit den Opfern der SED, die ihr doch sonst herzlich egal sind. Als Helmut Kohl im Fernsehen auftauchte und ich einen Augenblick dachte, jetzt tritt er an als Bürgermeisterkandidat der CDU, ging noch einmal mit lauten Brummen das Aggregat zur Aufrechterhaltung des Kalten Krieges an. Im Fernsehen trat Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform auf, und ich fragte mich einen Augenblick, von wem sie eigentlich dafür bezahlt wird, diese ideologischen Worthülsen von Vergesellschaftung und Umverteilung ohne jeden Anflug von Mimik im Gesicht zu verbreiten. Ist die Frau echt?

Unsäglich peinlich auch, wie der Spitzenkandidat Frank Steffel auftritt. Er tut so, als habe die CDU gar nichts, aber auch gar nichts mit der Senatskrise zu tun. Am letzten Wochenende ließ er die Berliner wissen, dass er heterosexuell ist und inszenierte sich mit Frau als Ehepaar Kennedy bei Mercedes. Hätte nur noch gefehlt, dass er mit amerikanischem Akzent "Ich bin ein Berliner", gerufen hätte. Stattdessen sagte er Sätze wie "Berlin ist der unbeugsame Glaube an die eigene Freiheit" oder "Ich werde aus Liebe zu Berlin bis zur letzten Sekunde kämpfen." Bis zum letzten Atemzug hieß es bei den alten Genossen. Und das traumhafte Ergebnis von 97 Porozent erinnert auch eher an die SED.

Bei den Diskussionen wird immer so getan als gäbe es keine Wahlen. Als entschieden die Parteien oder die Medien, wer Regierender Bürgermeister wird. Als hätten die Wähler ohnehin nichts zu sagen. Im Übrigen ist ein Teil der Berliner von vornherein von der Entscheidung ausgeschlossen, weil ihnen der richtige Pass fehlt.

Nur eines ist klar - Sieger wird es nicht geben bei der nächsten Wahl. Denn jede Regierung - egal welcher Couleur -, die nach den Wahlen kommt, kann nichts anderes machen als die Berliner Müllabfuhr - aufräumen. Sie kann sich vielleicht den überaus wirksamen Werbeslogan der BSR ausborgen: "We kehr for you". Sie kann wahrscheinlich nicht einmal verhindern, dass die schöne neue deutsche Hauptstadt jenseits des Regierungsviertels zum Armenhaus wird. Im Prinzip müssten ja eigentlich die den Dreck wegräumen, die ihn angerichtet haben. Aber im Moment geht es nur darum, ob die PDS regieren darf oder nicht. Die Frage ist nicht unberechtigt, ob es, fern jeder ideologischen Vorbehalte, überhaupt gut ist für die PDS, Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Die Partei macht seit Jahren einen schwierigen Transformationsprozess durch. Sie schleppt eine Vergangenheit mit sich herum, die sie nicht los wird. Auch nicht, wenn sie sich noch so oft für den 17. Juni 1953, Mauerbau und SED-Vereinigung entschuldigt. Gefordert ist eine gnadenlose Aufarbeitung der Geschichte der SED, auch gegen die eigenen Mitglieder. Und das ist im Moment das Problem der Führung. Sie kämpft an zwei Fronten - gegen die Basis und gegen die öffentliche Meinung.

Die Basis sind zum großen Teil die Leute mit den Lederolhütchen und den altmodischen Anzügen, die einem in der Pankower Kaufhalle den Einkaufswagen in die Hacken fahren, weil sie immer noch der Meinung sind, sie hätten ihr Leben lang Vorfahrt. Sie werden noch auf dem Sterbebett der Überzeugung sein, dass die Bauarbeiter am 17. Juni 1953 mit Arbeitsanzügen verkleidete Westberliner waren und die Mauer vor Faschisten schützte. So mancher hartgesottene PDS-Politiker hat nach dem Besuch einer Basisversammlung den Eindruck, er sei in einer SED-Veranstaltung gelandet, wo immer noch das alte Spiel von Kritik und Selbstkritik gespielt wird. Mit Vorliebe werden zu solchen Gelegenheiten die Kameras aufgebaut. Wirkliche Macht haben die Alten nicht mehr in der Partei. Sie war zwölf Jahre lang eine Wärmestube, aber auch diese Zeiten gehen dem Ende entgegen.

Im Übrigen bin ich dafür, dass die Berliner Geschichtswerkstatt einmal ein Erzählcafé organisiert, wo sich Westberliner Frontstadtkämpfer der CDU und Ostberliner SED-Funktionäre treffen und ihre gemeinsame Geschichte aufarbeiten. Ich fürchte, dass sie sich nach ein bis zwei Stunden wunderbar verstehen werden, vor allem, wenn es um Ordnung und Sicherheit im heutigen Berlin geht.

Die PDS ist eine extrem heterogene Partei. In ihr versammeln sich Hausbesetzer und ehemalige Hausbuchbeauftragte, Punks und Polizisten, Lehrer und Sozialhilfeempfänger, treffen jedoch selten aufeinander.

Gregor Gysi als Spitzenkandidat ist im Grunde genommen eine Niederlage für den Berliner Landesverband der PDS. Jahrelang hat er sich um Eigenständigkeit bemüht, oft im Streit mit dem damaligen Küchenkabinett der PDS, das parteiintern die Viererbande genannt wurde. Die Landesvorsitzende Petra Pau hatte vor der Bundestagswahl 1998 vehement darauf gedrungen, dass die Zeit vorbei sei, wo es ausreiche, Gregor Gysi in die Talkshows zu schicken. Die Anforderungen an die PDS seien einfach zu groß, als dass sie durch Einzelkämpfer bewältigt werden könnten. Die Politik im Medienzeitalter aber verlangt nach schillernden Personen, und Gysi ist ein Entertainer. Er ist schlagfertig und rhetorisch beschlagen, ohne je einen von der Partei bezahlten Rhetorikkurs besucht zu haben. Ein Kommunist zum Anfassen sozusagen. Dass er sich nicht als solcher versteht, ist da zweitrangig. Die Umfrageergebnisse steigen, seit er Kandidat ist. Erstaunlich, dass er nicht bei Big Brother aufgetreten ist, um den im Container Eingeschlossenen sozialistische Alternativen nahe zu bringen.

Als am vergangenen Wochenende auf dem Bebelplatz das Bücherfest eröffnet wurde, kam um die Mittagszeit fast niemand. Die Stadt brütete in der Sonne und die Leute waren alle im Umland. Nur an einer Stelle drängten sich die Leute. Es war das Lesezelt, in dem Gregor Gysi Rede und Antwort stand. "Ist die deutsche Einheit erreicht, wenn es die PDS nicht mehr gibt?", fragte der Moderator und Gysi bot als Alternative an, dass die Einheit vollendet sei, wenn im Westen genauso viel Menschen die PDS wählen wie im Westen. Das kam gut an, die Leute klatschten. Aber reicht das, die träge Berliner Verwaltung, die an DDR-Kombinate erinnert, ein Stück weiterzubewegen? Eine frühere Forderung der PDS hat sich indessen schon erfüllt, ohne dass die Partei nachgeholfen hätte: Die Zerschlagung der Großbanken. Die Berliner Landesbank wird es in dieser Größe in Zukunft nicht mehr geben.

Vor mehr als 30 Jahren, noch vor dem Umbau des Alexanderplatzes, stand auf der Mitte des Platzes ein Transparent. "Deine Tat für Deine Hauptstadt." Wir können gespannt sein, was uns die Kandidaten da anbieten.

Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, lebt seit 1983 als Historikerin und Schriftstellerin in Berlin. 1997 war sie Stadtschreiberin von Rheinsberg. 1999 erschien ihr Buch Durchgangszimmer Prenzlauer Berg, 2000 beim Gustav Kiepenheuer Verlag ihr erster Roman Moskauer Eis.

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