Jenseits

Linksbündig Scheitern als Chance

Lieblose Plakate, ratlose Auftritte, eine glanzlose Berliner Regierungsbeteiligung, glücklose Kandidatinnen und Kandidaten, so könnte man das Bild, das die PDS in den letzten Wochen vermittelt hat, zusammenfassen. Am Sonntag gab es die Quittung dafür. Auch der wohlwollendste Wähler konnte die Plakate nur peinlich finden, mit denen die PDS warb. Was hatte ein sich küssendes juveniles Paar mit der Zukunft im Osten zu tun? Ließ sich damit die Abwanderung stoppen? Oder der Spruch: "Arbeit soll das Land regieren". Das klang nicht sympathischer als der Satz: "Stoiber soll das Land regieren". Es war, gelinde gesagt, mehr als platt und blieb noch hinter Marx zurück. Genauso gut hätte man jedem Arbeitslosen einen Lottogewinn versprechen können. Avantgardistisch wäre gewesen, wenn sich die PDS programmatisch um einen Beitrag zu den Diskussionen um das Ende der Arbeitsgesellschaft bemüht hätte. Aber das hätte bedeutet, dass die PDS etwas tut, was sie seit Jahren nicht mehr macht, nämlich Überlegungen anzustellen, die sich jenseits von Tagespolitik bewegen. Es müssen ja nicht gleich Utopien sein.

Die Plakate waren nur der äußerliche Eindruck einer tiefen Krise. Die Partei hatte mit dem spektakulären Abschneiden bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im letzten Jahr den Zenit ihres Erfolges überschritten. Sie verbuchte bis dahin immer größere Erfolge bei immer weniger Substanz, personell wie programmatisch. Nach Gregor Gysis Rücktritt als Berliner Wirtschaftssenator und Bürgermeister machte die Partei einen disparaten Eindruck, zumal die PDS Berlin genauso ratlos regiert wie die anderen Parteien vor oder neben ihr. Der Parteivorstand wehrte sich zwar vehement gegen den Vorwurf, die Partei lebe von den Außenkontakten Gregor Gysis, aber selbst am Abend der Niederlage gab er, der gar kein Amt mehr bekleidet, vor jeder Kamera ein Statement ab. Das hat nicht nur etwas mit seiner Eitelkeit, sondern auch mit der Ausstrahlung der jetzigen Parteispitze zu tun. Es gibt heutzutage nun mal Fernseher, auch wenn man vielleicht selber keinen braucht.

In den letzten drei Wahlperioden konnte die PDS immer damit rechnen, dass der politische Gegner die roten Socken aufhängen oder vor dem Gespenst des Kommunismus warnen würde. Ein Grund, die PDS zu wählen, war für viele, die etablierten Westparteien in ihrer grenzenlosen Selbstgerechtigkeit zu ärgern. Aber abgesehen davon, dass sich das Gespenst in der Realpolitik als eher hilflos herausstellte, gab es in diesem Jahr keine Diffamierungskampagnen, die der Partei bisher immer geholfen haben.

Der drohende Krieg gegen den Irak und die Elbeflut wären Anlässe gewesen, bei denen die PDS als den Ostdeutschen und dem Frieden zugewandte Partei ihr Profil hätte schärfen können. Sie hat sich beide Themen vom Kanzler wegnehmen lassen. Die Betroffenen hätten Repräsentanten der PDS sicherlich nicht verurteilt, wenn sie im Krisengebiet ein paar Sandsäcke geschleppt hätten. Stattdessen schien es so, als wäre die Partei abgetaucht im Wasser der Elbe, und mit der Friedenspartei war es auch nicht mehr weit her, seitdem Schröder lautstark verkündet hatte, eine Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak würde es unter seiner Führung nicht geben.

Die PDS ist diesmal am selben Phänomen gescheitert, das auch schon CDU, SPD und vor allem die FDP im Osten kennen. Die meisten Ostdeutschen wählen pragmatisch. Man könnte es auch anders formulieren: die Ostdeutschen haben die PDS geopfert, um Stoiber zu verhindern. Sie brauchten nicht viel von den Streitereien um den Länderfinanzausgleich zu verstehen, um zu ahnen, dass der Kandidat zu Hause am Abendbrottisch wahrscheinlich immer noch von Zone oder DDR in Anführungsstrichen spricht, wenn er den Osten Deutschlands meint. Stoiber verhindern ging nur durch Stärkung von Rot-Grün. Sicher ahnen die meisten der ostdeutschen Wählerinnen und Wähler, dass weder die SPD noch die Grünen sich ihrer Probleme in höherem Maße annehmen werden. Die Ost-SPD ist zu schwach und die Grünen haben längst vergessen, dass sie einen Doppelnamen haben. Man fragt sich, ob es außer Werner Schulz überhaupt noch jemanden gibt, der "Bündnis 90" repräsentiert.

Der Bundestag wird ohne PDS zweifelsfrei langweiliger sein. Weniger Pöbeleien, Pfiffe und demonstratives Verlassen des Parlaments. Alles drängelt sich in der Mitte, die Probleme sind größer als die Lösungsansätze, und der Westen ist endlich wieder unter sich. Aber im Scheitern liegen Chancen. Die PDS kann vier Jahre in aller Ruhe über ihre Zukunft und vielleicht auch die Zukunft Europas, der Welt, der Linken an sich und der Arbeitsgesellschaft im Besonderen nachdenken.

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