Meine Art zu arbeiten ist in Wahrheit eigentlich uralt. Es ist nicht sinnvoll, dass Menschen in festem Takt vorgegebene Sachen tun. Arbeiten, so wie ich es verstehe, bedeutet, in der Welt tätig zu sein, den eigenen Kräften und Wünschen entsprechend, im Austausch mit anderen und mit Aufmerksamkeit für das, was notwendig ist und zum Wohlergehen aller beiträgt. Man kann es auch einfach Leben nennen. Ich schreibe Ihnen so eine Lebenswoche einfach mal auf:
Montag fängt gut an: mit Regen. Ich muss einen Text fertig schreiben, und nichts finde ich schlimmer, als bei Sonne am Schreibtisch zu hocken. Eigentlich arbeite ich nicht gerne so auf den letzten Drücker, denn je näher eine Deadline rückt, desto unflexibler macht mich das. Ich muss dann, ob ich will oder nicht, etwas Bestimmtes tun. Viel lieber warte ich auf jenen Moment, in dem ich Lust auf eine bestimmte Arbeit habe.
Weil ich mich bei prasselndem Regen so schön an meinem Schreibtisch eingerichtet habe und auch mittags um zwölf – der Text ist inzwischen fertig – immer noch im Nachthemd bin, beschließe ich, das Haus heute nicht mehr zu verlassen. Stattdessen koche ich mir Kaffee, esse ein Croissant von gestern und logge mich in meine Büromails ein. Ich habe zusätzlich zu meinem Dasein als Freiberuflerin noch einen Bürojob von 20 Wochenstunden, aber zum Glück muss ich nicht immer vor Ort sein. Ich beantworte die Mails und sehe, dass ein paar Leute versucht haben, mich anzurufen. Einige rufe ich zurück.
Am frühen Nachmittag wird der Sog des Bettes immer größer, fünf Stunden konzentrierter Arbeit machen müde. Bevor ich mich hinlege, stecke ich noch dreckige Wäsche in die Maschine. Ich spiele eine Runde Angry Birds und unternehme dann einen Streifzug zu Twitter, Facebook und zum Feedreader: Viele interessante Links, ich denke über dieses und jenes nach, Ideen fangen an, in meinem Kopf zu kreisen.
Darüber nicke ich ein, bis das Telefon klingelt. Eine Veranstalterin, die mich für übermorgen zu einem Vortrag eingeladen hat, will Details besprechen. Bei der Gelegenheit fallen mir ein paar Dinge ein, die ich dort noch sagen könnte. Ich notiere sie auf Karteikarten und sortiere sie zwischen die anderen Karten, aus denen sich der Vortrag zusammensetzt.
Inzwischen ist die Wäsche fertig, ich hänge sie auf und werfe einen Blick in den Kühlschrank. Nach kurzer Kalkulation der vorhandenen Lebensmittel beschließe ich zu kochen und gebe meinen Mitbewohnern und Nachbarinnen per SMS Bescheid. Vielleicht wollen sie ja mitessen. Während der Auflauf köchelt, gehe ich nochmal an den Schreibtisch. Ein längerer Text, den ich zugesagt habe, liegt mir schwer im Magen. Ich öffne die Datei, merke aber, dass das heute nichts wird. Deadline ist zum Glück erst in drei Wochen. Nach dem Abendessen sehen wir ein paar Serien-Folgen, gegen elf gehen die anderen ins Bett. Ich kehre zurück an den Schreibtisch und schreibe noch einige Gedanken auf. Um eins gehe dann auch ich schlafen.
Dienstag beginnt schlecht, ich habe Kopfschmerzen, vermutlich vom Rotwein. Zum Glück muss ich nicht nachdenken, ob ich mich „krankmelde“ oder ins Büro schleppe. Ganz krank oder ganz gesund bin ich sowieso fast nie, meistens habe ich irgendeine Schnittmenge von Gesundheiten und Krankheiten.
Heute bleibe ich erstmal im Bett, checke meine Mails und moderiere die Kommentare vom gestrigen Blogpost. Am späten Vormittag stehe ich doch noch auf, denn ich will zum Mittagessen in die Kantine. Dienstags ist nämlich eine meiner Lieblingskolleginnen dort, und wir tauschen Tratsch aus. Anschließend suche ich einen Kollegen auf, mit dem ich etwas besprechen muss, das per Mail oder Telefon zu kompliziert wäre.
Da mein Kopf noch nicht besser geworden ist, erledige ich nur noch ein bisschen Orga-Kram. Als ich nach Hause komme, fahre ich den Computer gar nicht mehr hoch. Ich weiß, dass nichts dabei rauskommt. Stattdessen packe ich mein Köfferchen für morgen und gehe früh schlafen.
Früher haben mich solche „unproduktiven“ Tage unzufrieden gemacht, weil so vieles unerledigt blieb. Inzwischen denke ich, dass das Konzept des „Unerledigten“ ein Phänomen der alten industriellen Arbeitsstrukturen ist: Um fünf Uhr fiel der Hammer, und weitere eingehende Anliegen hatten bis zum nächsten Morgen um neun zu warten. Aber von der ungeheuren Fülle der Dinge im Universum, die auf ihre „Erledigung“ warten, schaffe ich sowieso immer nur einen winzigen Bruchteil.
Mittwoch ist auch alles wieder gut, sogar viel besser: Es ist warm, und die Sonne scheint. Ich packe meinen E-Book-Reader ein und schwinge mich aufs Fahrrad. Bei meiner Lieblingsbank stoppe ich und lese ein paar Texte. Gegen Mittag bin ich wieder zu Hause, stelle mich unter die Dusche und überlege, was ich zu meinem Vortrag wohl anziehen soll. Das empfinde ich übrigens auch als Arbeit, sogar als unangenehme.
Mein Zug fährt um halb drei, erst um sechs bin ich in der Stadt, wo ich vortragen soll. Das sind drei Stunden Zeit für konzentriertes Redigieren. Nach dem Vortrag lädt mich die Veranstalterin in einer kleinen Runde zum Essen ein. Wir lästern über den aktuellen Stand der Politik, tauschen Beobachtungen aus, schmieden Ideen für zukünftige Projekte und haben Spaß.
War das jetzt Arbeit oder Freizeit? Die Unterscheidung wird für mich immer obsoleter. Vielleicht verläuft die Grenze gar nicht zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“, sondern zwischen „Tätigsein in der Welt“ und „Zurückgezogenheit von der Welt“. Die Welt ist ja immer da und bietet unendlich viele Gelegenheiten, etwas Nützliches oder Notwendiges zu tun. Aber ich bin nicht ständig aktiv. Ich bin manchmal einfach „offline“. Weil das Wetter schön ist, weil ich Kopfschmerzen habe, weil eine Freundin zu Besuch kommt oder weil nichts Dringendes anliegt. Dann ist die Welt natürlich trotzdem da, und ich verpasse für eine Weile, was dort geschieht. Aber ist doch egal. Die Welt dreht sich auch ohne mich weiter.
Donnerstag fahre ich zurück und verpasse beim Umsteigen den Anschluss. Früher war ich bei so etwas immer genervt: eine Stunde geklaute Lebenszeit, in der ich dumm herumstehe. Jetzt setze ich mich einfach ins Café, klappe das Notebook auf und mache meine Arbeit, so what?
Wieder zu Hause hätte ich eigentlich Lust, ein gutes Abendessen zu kochen, aber dafür müsste ich noch einkaufen, und als ich kurz mit dem Smartphone meine Mails checke, sind da drei, die dringend klingen. Seufzend fahre ich den Computer hoch und kümmere mich darum. Selbstbestimmt zu arbeiten bedeutet ja nicht, nur nach Lust und Laune vorzugehen. Wenn ich sehe, dass etwas notwendig ist, erledige ich das.
Freitag bin ich aus unerfindlichen Gründen um sechs Uhr morgens hellwach. Also mache ich es mir im Bett gemütlich und fahre mein Notebook hoch. Eigentlich will ich nur ein bisschen im Internet herumdaddeln, aber dann fällt mir der schwierige Text ein. Und tatsächlich: Heute läuft es wie geschmiert. Ich muss mich fast schon davon losreißen, als um halb neun der Wecker klingelt. Um zehn Uhr habe ich nämlich ein Meeting im Büro. Auch gut, denn ganz alleine vor sich hinarbeiten, ist auch nicht mein Ding.
Antje Schrupp arbeitet als Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Sie beschäftigt sich vor allem mit weiblicher politischer Ideengeschichte
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