Das Drama dieses Films zeigt sich schon daran, wie er es erzählt. Stealing Klimt ist ästhetisch gesehen: Konfektion oder was man heute für die adäquate Form einer historischen Dokumentation hält. Schrift und Grafik wirken billig und geschmacklos gerade in dem Versuch, sich mit den Mitteln des Computers, die jedermann zu Verfügung stehen, der Zeit anzuverwandeln, über die berichtet wird. Die Musik von Chris Elliot, die fast jede Szene besuppt, gibt sich kaum mehr Mühe: Klavier und Streicher und also Instrumente, an die jeder denken wird, wenn von der Würde, die klassischer Musik eignet, stumpfer Glanz abstrahlen soll. Das Klavier dynamisch-repetitiv, um den Zuschauer bei der Stange zu halten, die Streicher mal heller, mal getragener, um Akzente beim Gefühl zu setzen, und wenn der Name Hitler fällt, kippt alles ins Finsterste.
Das Drama von Stealing Klimt als Film besteht also darin, dass kein Mensch aus dem deutschsprachigen Raum, der den Dokumentarfilm als Kunstform ansieht, auf die Idee gekommen ist, diese Geschichte zu erzählen. So sitzt man vor Grafiken, deren pädagogischer Schlichtheit man zuletzt im Lehrbuch der dritten Klasse ansichtig wurde, und reibt sich die ästhetisch hochnäsigen Augen in Anbetracht der moralischen Schlichtheit, die Politiker deutscher Zunge im Bezug auf die Nazi-Zeit selbst 2006 noch an den Tag zu legen vermögen.
Stealing Klimt erzählt die Geschichte der Maria Altmann, einer hochbetagten Dame mit der Wachheit eines Kindes, in der die Ewigkeit des langen 19. Jahrhunderts, des grausamen 20. Jahrhunderts und des banalen 21. Jahrhunderts aufs Schillerndste ineinander gemischt sind. Maria Altmann wurde geboren als Wiener Jüdin der reichen Bloch-Bauer-Familie, die sich sowohl den Luxus der dilettierenden Kammermusik auf von Rothschilds geschenkten Stradivaris gönnte als auch die Emphase für moderne Kunst. Ihre Tante, Adele Bloch-Bauer, stand Modell für zwei Bilder Gustav Klimts, die bis vor siebzig Jahren im Wohnzimmer der Familie hingen wie private Grillen, die man sich leistet, wenn man die Muße hat, sich nur um sein gesellschaftliches Leben zu sorgen. Dass dieselben Bilder heute dreistellige Millionenbeträge auf einem wahnwitzigen Kunstmarkt erzielen, ist nur Episode in einer Geschichte, in der ein konkretes Leben zum exemplarischen Fall der Historie wird.
"Es ist ein anschaulicher Fall", sagt einer der Historiker im Film trocken, und fürwahr, die Geschichte scheint prominent in der Chronik von Maria Altmanns Familie auf. Das Bildnis ihrer Tante ist heute das teuerste Gemälde der Welt; im Haus der Familie in Wien residiert die österreichische Bahngesellschaft, die vor 1945 in die Logistik des Massenmords eingebunden war; das Schloss in Prag, auf das ihr Onkel zuerst flüchtete, wurde wenig später von SD-Chef Reinhard Heydrich bezogen, das Collier des Klimt-Bilds, Erbstück der Tante, von Emmy Göring getragen; ein Neffe Hitlers, den Altmanns Gatte im Winter 1934 auf der Zugspitze gerettet hatte, bot zwei Tage Schutz zur Flucht nach Amerika; und der Anwalt, der bis zum Supreme Court ging, um zu erklären, ob aus Amerika gegen Österreich verhandelt werden darf, ist ein Enkel Arnold Schönbergs.
2006 hat Maria Altmann die Klimt-Bilder zurückerhalten, für die ihre Tante in den zwanziger Jahren noch vorsah, dass sie nach dem Tod ihres Mannes in den Besitz Österreichs übergehen. Österreich, das sich so hartnäckig als erstes Opfer Hitlers begreift, hat dieser Bitte gern Folge geleistet und einem ersten Restitutionsanspruch aus der Nachkriegszeit die Klimt-Portraits als "Spende" abverlangt. Von der Möglichkeit des Vorkaufsrechts, das ein Vergleich vorschlug, wurde beleidigt Abstand genommen. Es ist beschämend zu sehen, wie ein Land, das ein golden glitzerndes Klimt-Bild als Teil seiner Identität versteht, die Geschichte der Frau abschneidet, die auf ihm zu sehen ist. Wie verlogen charmiert und um Geld gefeilscht wird, wo staatliche Noblesse die einzige Form von Wiedergutmachung wäre, die den Nachgeborenen der Schuldigen 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus bleibt. Maria Altmann, deren Englisch die deutlichsten Spuren eines fremden Akzents trägt - auch das beschämend: weder die zuständige Ministerin noch der Direktor des Wiener Museums wollten der britischen Filmemacherin Jane Chablani Auskunft geben -, Maria Altmann wollte die Bilder sich nicht ins Wohnzimmer ihres amerikanischen Mittelklassehauses hängen, sondern der Öffentlichkeit zugängig machen. Dass Wien dafür nicht in Frage kam, kann man ob des ernüchternden Verhaltens des heutigen Österreichs gut verstehen.
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