„Ihr Land braucht einen Richtungswechsel – Sie sehen keine Chance, ihn auf demokratischem Weg zu erreichen? Wir haben die Lösung für ihre Probleme, das Allerneueste in Sachen Demokratiebekämpfung: Den Dialog-Putsch“, beschreibt der spanische Kolumnist und Schriftsteller Isaac Rosas den Staatsstreich in Honduras vom 28. Juni als neue Mischung aus Militärputsch mit anschließendem Verhandlungswillen. Für Länder mit inneren Spannungen und starker politischer Polarisierung eine ideale Methode: Mittels kurzer militärischer Intervention, kollaborierenden Staatsinstitutionen und einer willigen Opposition schnappe man sich den Präsidenten und bringe ihn außer Landes. Den "internationalen Lärm" der ersten Tage warte man ruhig ab, um schließlich durch eine von Washington abgesegnete "Prestige-Mediation" als neue De-facto-Regierung anerkannt zu werden, kommentiert Rosas die seit dieser Woche laufenden "Gespräche“ zwischen dem rechtmäßigen Staatschef Manuel Zelaya und dem Putsch-Präsidenten Roberto Micheletti. Vermittler ist Oscar Arías, Präsident von Costa Rica und Friedensnobelpreisgewinner von 1987.
"Die erste Phase“ sei ohne Ergebnisse verlaufen, so Arías über die Begegnungen in seinem, Haus. "Beide Sichtweisen“ seien zu akzeptieren, nur das „Wort, nicht das Pulver“ bringe "Versöhnung", so Arías' jüngste Statements aus Costa Ricas Hauptstadt San José. In den kommenden Tagen werde es zu erneuten Einzelgesprächen kommen, um „der Krise in Honduras ein Ende zu bereiten.“
Kriminalisierung des Widerstandes
Scharfe Kritik am „sterilen und tauben Dialog“ kommt von Juan Barahona, Chef der hondureñischen Arbeitergewerkschaft CUTH und Organisator des „Volksblocks“, eines Bündnisses aus Gegnern der Putschisten. Man lasse die Putschisten nur Zeit gewinnen. Langwieriges Verhandeln mit Micheletti über eine mögliche Straffreiheit oder vorgezogene Neuwahlen im November, das spiele allein den Feinden der Demokratie in die Hände. „Das ist eine Strategie, die darauf zielt, dass sich der Widerstand zugunsten Zelayas langsam abnutzt.“ Bei alldem bleibt die Rolle der USA zwiespältig, zwar erkennen sie das Regime der Obristen nach wie vor nicht an, doch verschafft Außenministerin Clinton mit ihrem Wunsch nach einer Lösung am Verhandlungstisch den Umstürzlern eine De-facto-Legitimität.
Tatsächlich scheint weiterhin vieles im Sinne der Putschisten von Tegucigalpa zu laufen. Der Rückkehrversuch von Zelaya auf dem Airport Toncontín in Begleitung des Präsidenten der UN-Generalsammlung D'Escoto Brockmann vor einer Woche ist gescheitert. Mit speziell für die Aufstandsbekämpfung trainierten Einheiten war es der Armee gelungen, Pro-Zelaya-Demonstranten in Schach zu halten. Ein Jugendlicher kam durch Gewehrkugeln ums Leben. Stunden zuvor explodierten vor regimetreuen TV- und Radiostationen kleinere Sprengsätze, wofür prompt die Zelaya-Fraktion verantwortlich wurde. Es folgten die Kriminalisierung des Widerstandes und die Verhaftung Hunderter Regimegegner. In die gleiche Kerbe schlägt das Oberhaupt der katholischen Kirche von Honduras, Óscar Kardinal Rodríguez Maradiaga. „Bis heute gab es nicht einen Toten, mäßige dich, bevor es zu spät ist“, warnte er Zelaya vor einer Rückkehr. Am gleichen Tag hatte der Präsident der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, wegen des „Bruchs der demokratischen Ordnung“ Honduras als zweite Nation nach Kuba (1962) aus dem Bündnis ausgeschlossen. Ein vom OAS-Chef persönlich überbrachtes Ultimatum zur Wiedereinsetzung Zelayas hatte die Micheletti-Junta mit einem Schulterzucken quittiert.
Nachahmungseffekt befürchtet
Auch der Abzug sämtlicher Botschafter von OAS und EU, eine den Staatsstreich verurteilende UN-Resolution, der Stopp von Öllieferungen zum Vorzugspreis aus Venezuela, Kreditblockaden durch Weltbank und Interamerikanische Bank sowie eine vorläufige Aussetzung der US-Militärhilfe lassen die neuen Machthaber von Tegucigalpa ungerührt über sich ergehen. Dabei wissen Militärs und Oligarchie genau, was sie tun. "Wir haben das Gesetz gebrochen“, gesteht Herberth Bayardo Inestroza, juristischer Vertreter der Streitkräfte. “Wir sind Männer mit Prinzipien und Ehre, und es war eine schmerzhafte Entscheidung, diesen Schritt zu gehen.” Nutzen und Kosten für das Land habe man genau abgewogen und befunden, dass nur die Absetzung Zelayas Honduras vor einem “Blutbad” retten konnte.
Viele Lateinamerikaner befürchtet jetzt, es könnte einen Nachahmungseffekt geben. Roberto Quesada, ein in New York lebender hondureñischer Schriftsteller, empfindet die Ankündigung von Präsident Obama, nunmehr partnerschaftliche Beziehung zum Hinterhof des Imperiums pflegen zu wollen, wie sie auf dem Amerika-Gipfel in Trinida und Tobago Ende April abgegeben wurde, als unrealistisch und „romantisch“. Der Staatsstreich in Honduras sei eine „Art Laboratorium“ – ein Testfall –, wovon „weitere Aktionen abhängen gegen Länder, die zu stark an ihre Freiheit denken“.
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