»Jung ungleich links« frohlockte die Wirtschaftswoche vor kurzem. Mit Bezug auf eine Studie des konservativen Allensbach-Instituts wurde das sehr vereinfachte Bild einer angeblich bürgerlich und wirtschaftsfreundlich gewordenen jungen Generation gezeichnet.
Ähnliche Überschriftenanalysen scheinen auch Bodo Hombach zu inspirieren, wenn er sich seine »Politik der Neuen Mitte« ausdenkt. Sein Dritter Weg zwischen Neoliberalismus und Wohlfahrtsstaat soll ein Modernisierungsprojekt für die Sozialdemokratie darstellen. Hinter den Formulierungen von der »Angebotspolitik von links« oder dem »aktivierenden Staat« stehen aber keineswegs schlüssige Reformkonzepte. Eher etwas wie politisches Pfadfindertum oder Politik nach Stimmungswetterl
ngswetterlage. Es geht Schröder und Hombach nicht um politische Reformprojekte, sondern vor allem darum, einen neuen gesellschaftlichen Kompromiß zwischen der Kapitalseite und einer dubiosen »Neuen Mitte« zu schmieden. Für den Rest bleibt der schöne neue Billiglohnsektor.Schon beim Begriff der »Neuen Mitte« fangen die Unklarheiten an. Bezeichnet sie WechselwählerInnen in der politischen Grauzone zwischen SPD und CDU? Oder steht sie für ein soziologisches Terrain, das auf Umbrüche in Arbeitswelt und Gesellschaft zurückzuführen ist? Fruchtbar für eine Diskussion über das sozialdemokratische Projekt für das 21. Jahrhundert ist nur der letztere Definitionsansatz - vor allem auch im Hinblick auf das Verhältnis von junger Generation und Sozialdemokratie. Selbst wenn die These stimmt, daß der Facharbeiter als wesentlicher Träger des sozialdemokratischen Projektes zunehmend durch flexible »Arbeitskraftunternehmer« vor allem im Dienstleistungsbereich abgelöst wird, heißt dies noch lange nicht, daß die Webdesignerin oder der Softwareingenieur Fans der Thesen von Hombach, Blair und Schröder sind.Sicherlich haben knapp zwei Jahrzehnte neoliberales Trommelfeuer und der Zwang zur Selbstbehauptung in der Ausbildung und auf der Suche nach Jobs in der Jugend ihre Spuren hinterlassen. Herausgebildet hat sich - quer zu Parteienpräferenzen von grün bis schwarz - eine Minderheit vor allem männlicher Hardliner, die für ein sozialdarwinistisches Gesellschaftsmodell stehen und dies auch individuell praktizieren. Dennoch kann nicht davon gesprochen werden, daß es einen allgemeinen Rechtstrend in der jungen Generation gibt.Hoch im Kurs stehen Begriffe wie Eigeninitiative, Leistung, Kompetenz und Flexibilität. Die fordistische Stellvertreterpolitik und die bürokratische Staatsorientierung der alten Sozialdemokratie hingegen stoßen auf Widerspruch. Der sich verstärkende Wunsch der jungen Generation, sich selbständig zu machen, bedeutet aber keineswegs die Verinnerlichung der Marktideologie, sondern ist vielmehr eine Reaktion auf die Arbeitsmarktlage und den Anspruch, keinen Chef über sich zu haben. Zudem hat die junge Generation durch Internet und Handy mehr qualitative Veränderungen ihres eigenen Lebens erfahren, als durch irgendeinen Gesetzentwurf der letzten Jahre, geschweige denn eine gesellschaftliche Leitidee. Technik- und Konsumkritik sowie ökologischer Moralismus werden folglich allenfalls noch belächelt. Auch der klassische Feminismus findet bei jungen selbstbewußten Frauen nur noch wenig Zuspruch. Dennoch sind das Gespür für soziale Ungerechtigkeiten und der Anspruch an Emanzipation und biographische Selbstbestimmung stark ausgeprägt. Kurzum: Die »Neue Mitte« ist fortschrittlicher als manche denken.Die sozialdemokratische Linke hat auf die sich vollziehenden gesellschaftlichen Modernisierungen gegenwärtig nur unzureichende Antworten. Zweifellos vorhandene Sachkompetenz in Einzelfragen kann kein gesellschaftliches Reformprojekt ersetzen. Die junge Generation in der SPD muß sich daher der Herausforderung stellen, einen eigenen generationsspezifischen Beitrag zur Erneuerung des sozialdemokratischen Projekts zu leisten, der nicht auf die Anpassung an den Main stream hinausläuft. Auch wenn es manche Sozialdemokraten nicht mehr akzeptieren wollen: Politische Gestaltung hat nun einmal etwas mit Macht- und Verteilungsfragen zu tun. Daher geht es darum, die Leitbegriffe des SPD-Bundestagswahlkampfes 1998 »Innovation und Gerechtigkeit« anhand der Felder Arbeit, Bildung, Wirtschaft und Sozialstaat wirklich konzeptionell zusammenzudenken.Da es »die Jugend« bekanntermaßen nicht gibt, existiert auch nicht der eine Weg, um die jüngere Generation wieder für ein neues sozialdemokratisches Projekt zu gewinnen. Den nicht geringen Teil der ausgegrenzten Jugendlichen, die der Politik vollends den Rücken zugekehrt haben, wird man nur durch konsequente Interessenvertretung und eine Verbesserung ihrer materiellen Lebenslage zurückgewinnen können. Mit dem Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit wurde von der Bundesregierung ein erster, jedoch keineswegs hinreichender Schritt geleistet.Seit Anfang der neunziger windet sich die Sozialdemokratie um eine Lösung der anhaltenden Ausbildungskrise herum. In den Bundesländern wird der »Dritte Weg« längst beschritten: wenn Konsenslösungen mit der Wirtschaft nicht greifen, wird das Problem umdefiniert. Schuld sind dann die angeblich nicht ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen oder die fehlende Flexibilität, einen Job anzunehmen, den man gar nicht will. Die Konsequenz lautet dann Arbeitszwang für Jugendliche. So gewinnt man aber niemanden für die Sozialdemokratie.Darüber hinaus ist es Aufgabe vor allem der jüngeren sozialistischen Linken, von links um die sogenannte »Neue Mitte« zu kämpfen. Die Linke wird ohne die modernen Dienstleistungsbeschäftigten nicht hegemoniefähig werden. Nötig ist daher ein klassenpolitisches Integrationsprojekt, daß der drohenden Spaltung der Arbeitsgesellschaft in »Neue Mitte« und Kombi-Löhner entgegensteht. Erforderlich sind Leitprinzipien für eine Modernisierung von links, die mit dem Schröder-Kurs brechen und somit Individualität auf der einen und einen starken (Sozial-) Staat auf der anderen Seite verbinden.Warum muß die Veränderung von Arbeitsbiographien eine Privatisierung des Wohlfahrtstaates zur Folge haben? Wäre es nicht sinnvoller, ihn so weiterzuentwickeln, daß flexible Erwerbslagen und der Anspruch beider Geschlechter, Arbeits- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, abgesichert werden? Die Umwandlung der Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitsversicherung könnte einen Beitrag dazu leisten, daß nicht nur Geld im Risikofall gezahlt wird, sondern auch während des Erwerbslebens Ansprüche auf Auszeiten und lebenslanges Lernen und somit auch neue Beschäftigung durch Arbeitszeitverkürzung realisiert werden können.Warum muß die Diskussion um Finanzen und Generationengerechtigkeit auf eine unsoziale Sparpolitik hinauslaufen, die Verteilungsfragen beziehungsweise die Reproduktion sozialer Ungleichheit vollkommen außer acht läßt? Jährlich werden rund 300 Milliarden DM vererbt und damit von der einen auf die andere Generation weitergegeben; die Erbschaftssteuer bringt dem Fiskus jedoch ungefähr soviel wie die Branntweinsteuer. Hier wäre ein das Leistungsprinzip erst zur Geltung bringender Eingriff erforderlich, der die nötigen Mittel für eine gerechte Ausbildungsförderung mobilisiert.Warum muß eine sozialdemokratische Angebotspolitik und die Förderung von Unternehmensgründungen mit einer Verschlankung des Staates einhergehen? Eine moderne und sozialdemokratische Wirtschaftspolitik muß Angebots- und Nachfragepolitik dort zusammendenken wo sozial und ökologisch sinnvolle Wachstumsbereiche vorhanden sind, die über den Markt nicht entstehen (Kultur, Stadtteilarbeit, soziale Dienste etc.). Hier wären die bisherigen Ansätze der Existenzgründungspolitik, der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und der regionalen Wirtschaftsförderung zusammenzuführen. Letztendlich geht es darum, staatliche Ressourcen für Eigeninitiative von unten bereitzustellen und so die wenig hilfreiche Entgegensetzung von Staat und Markt zu überwinden.Unser Autor ist Bundesvorsitzender der Jungsozialisten