Vor zwei Jahren griff Arbeitsdirektor Hans-Peter Neumann durch. Nachdem der Koch eines jugoslawischen Restaurants in Eisenhüttenstadt von rechtsradikalen Jugendlichen misshandelt worden war, setzte er zwei Lehrlinge, die unter den Schlägern waren, vor die Tür. Im Stahlwerk EKO war es eine Gewalttat, aber auch schon fremdenfeindliche oder rassistische Äußerungen können zu fristlosen Entlassungen führen. Das zumindest teilte das Bundesarbeitsministerium vergangene Woche mit. Die Betriebsräte und Geschäftsführungen größerer Unternehmen allerdings muss man in dieser Frage nicht erst schlau machen. Es geht längst um mehr, als sich mit bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zu wehren. Die Frage ist vielmehr, unter welchen Bedingungen Entlassungen zulässig sind.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben »darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt«, heißt es im § 75 Betriebsverfassungsgesetz. Laut § 104 kann der Betriebsrat die Entlassung oder Versetzung eines Beschäftigten verlangen, der dagegen verstößt, und natürlich kann auch der Arbeitgeber von sich aus kündigen.
Hiermit ist nicht nur die mögliche Entlassung geregelt, sondern es gibt im Betrieb genau das, was auf der gesellschaftlichen Ebene fehlt, obwohl es Rot-Grün in der Koalitionsvereinbarung angekündigt hatte: ein Antidiskriminierungsgesetz bzw. ein gesetzliches Gebot zur Gleichstellung. In Betrieben besitzen alle ArbeitnehmerInnen, gleich welcher Nationalität, seit jeher das aktive und passive Wahlrecht. Das unterstreicht zunächst einmal die Gleichheit aller Beschäftigten. Daneben sind Ausländer mit der Möglichkeit, sich aktiv zu engagieren, nicht Objekt beim politischen Handeln oder in einer politischen Debatte - wie in der derzeitigen über Rechts -, sondern selbst auch Akteure. Ein Vorteil gegenüber der Gesellschaft. Ein Vorteil übrigens auch mit Blick auf Europa. In Österreich können beispielsweise Ausländer nicht Betriebsräte werden, in Deutschland schon. Die Möglichkeit der Sanktion gegenüber fremdenfeindlichen Taten ist also eingebettet in eine strukturelle Prävention.
Nun beschreibt das Vorhandensein einer vernünftigen gesetzlichen Regelung nicht schon die Realität. Deshalb wird von den Gewerkschaften und Betriebsräten versucht, in Betriebsvereinbarungen festzulegen, wie im jeweiligen Betrieb Fremdenfeindlichkeit bekämpft und Gleichstellung gefördert werden kann. Da gibt es durchaus Hindernisse in den eigenen Reihen zu überwinden. Der Leiter der Abteilung Ausländische Arbeitnehmer beim Vorstand der IG Metall, Manuel Campos, hat unlängst auf einer DGB-Tagung seine Erfahrungen geschildert. In der Regel lautet die spontane Antwort etwa so: »Fremden feindlichkeit?! Das gibt es bei uns nicht.« Identifikation mit dem Betrieb, Furcht vor Imageverlust, weil man als Betriebsrat Dinge hat schleifen lassen, und ähnliche Motive provozieren erst einmal eine Abwehrhaltung. Das Interessante dabei: In der Situation, die Campos beschrieb, bezog sich die Frage abstrakt auf eine Betriebsvereinbarung und nicht auf die konkrete Situation im Betrieb.
Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung
Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierung gibt es bisher vor allem in Großbetrieben. Ein Beispiel ist die 1996 unterschriebene Betriebsvereinbarung »Partner schaft liches Verhalten am Arbeitsplatz» bei VW. Abgedeckt werden die Bereiche sexuelle Belästigung, Mobbing und Diskriminierung »nach Herkunft und Hautfarbe und der Religion«. Die Vereinbarung verpflichtet das Unternehmen, Über griffe zu unterbinden und - dies das Wichtigere - ein partnerschaftliches Klima zu fördern und aufrechtzuerhalten.
Das Papier bezieht sich auf verschiedene Ebenen. Es geht erstens um Aufklärung und Information: Für alle Beschäftigten vom Azubi bis zum Top-Manager gibt es Pflicht-Seminare zum Thema Fremdenfeindlichkeit. Daneben wird das Thema in die bestehende Bildungsarbeit integriert und ist fester Bestandteil der betrieblichen Erstausbildung. Zusätzlich muss die Betriebsvereinbarung bis in die kleinsten Gruppengespräche behandelt werden. Wie weit diese Schritte umgesetzt sind, wird durch Controlling und verpflichtende Berichte der Verantwortlichen überprüft. Alles läuft dann bei Traudel Klitzke zusammen, die auf Management-Seite die verantwortliche Projektleiterin ist. Sie muss einen jährlichen Bericht an den Vorstand und den Gesamtbe triebsrat abgeben.
Neben dieser Prävention ist auf zweiter Ebene festgelegt, was in ei nem konkreten Fall von Diskriminierung geschieht. Hier gibt es exakte Festlegungen für ein Beschwerdeverfahren. Zwei Punkte sind dabei zentral: Die Opfer von Diskriminierung bleiben anonym und das Unternehmen ist verpflichtet, innerhalb einer Woche nach einer Beschwerde zu handeln.
Die meisten Fälle werden mit dem zu ständigen Be triebsrat vor Ort geregelt, da gibt es Gespräche oder auch Abmahnungen. Die harten Fälle fremdenfeindlicher (Verbal-) At tacken landen vor dem Personalaus schuss, und da ist in der Regel die Kündigung angesagt. In Wolfsburg zum Beispiel gab es in den letzten zwei Jahren keine Fälle von Ausländerfeindlichkeit im Personalausschuss. Ein Grund dürfte darin liegen, dass die Betriebsvereinbarung klar macht: Geschäftsführung wie Betriebsrat ziehen an einem Strang. Heimlichen oder gar offenen Beifall für fremdenfeindliche Ausfälle gibt es nicht. Klitzke: »Es muss klar sein: Ausländerfeindlichkeit darf es bei uns nicht geben. Wer sich da neben benimmt, fliegt raus.«
Den eigentlichen Erfolg der Betriebsvereinbarung sieht die Managerin aber in einer anderen Tatsache, was zunächst als Widerspruch erscheint. Bei einer gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat durchgeführten Auswertung im Oktober 1999 wurde festgestellt, dass die Zahl der offiziellen Beschwerdefälle auf Grund fremdenfeindlicher oder rassistischer Diskriminierung zuge nommen hat. Dadurch, so die Bewertung der Verantwortlichen, wurde etwas Licht in die Dunkelziffer der subtilen Diskriminierung gebracht.
Dennoch: Die Betriebe sind keine heile Welt. Diskriminierung findet statt, und zwar innerbetrieblich durch mangelnde Aufstiegs chancen und Weiterbildungsbeteiligung ausländischer Beschäftigter. Was schwerer wiegt: Ausländer, die nicht im Betrieb arbeiten, sind Opfer von Diskriminierung, nämlich durch eine selektierende Einstellungspraxis.
Kündigungen von fremdenfeindlichen Tätern
Was die Kündigungen angeht, hat sich in der Rechtsprechung herausgeschält, dass der Betriebsfrieden nicht nur »wiederholt« gestört werden muss. Ein Vorfall kann ausreichend sein. So hat das Bundesarbeitsgericht einem öffentlichen Arbeitgeber Recht gegeben, der einen Museumsangestellten durch Androhung einer fristlosen Entlassung zu einer Eigenkündigung veranlasst hatte. Der Betroffene hatte an einer dem Publikum unzugänglichen Stelle ein Gedicht ausgehängt, das Asyl bewerber verunglimpft (»Herr Asylbetrüger, na wie geht's«).
Und im Fall eines Berliner Jugendlichen hat das Bundesarbeitsgericht die fristlose Aufhebung des Ausbildungsverhältnisses wegen fremdenfeindlicher Handlungen bestätigt. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen. Ein Auszubildender der Berliner Stadtreinigung (BSR) hatte ein Blechschild mit der Aufschrift »Arbeit macht frei - Türkei schönes Land« hergestellt und einem türkischen Azubi an die Werkbank geschraubt. Der Vorstand der BSR, dem das zu Ohren gekommen war, reagierte prompt: Das Ausbildungsverhältnis wurde mit Zustimmung des Personalrates fristlos gekündigt.
Da der Betroffene Mitglied der ÖTV war, erhielt er Rechtsschutz. Gegenüber »Forum Migration« - einem DGB-Newsletter - erklärte die zuständige Rechtsschutzsekretärin Astrid Westhoff, dass eine nicht zu billigende Handlungsweise vorgelegen habe. Eine Abmahnung und ein Rausschmiss beim nächsten kleinen Vorfall wären sicher gerechtfertigt gewesen. Und das ist allerdings die Frage. Es gab keine Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit des Auszubildenden zur rechtsradikalen Szene, und kein entsprechendes Outfit wie Glatze oder Springerstiefel.
Die beiden ersten Instanzen - Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht - erklärten die fristlose Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses für unwirksam. Ihre Argumentation: In dem konkreten Einzelfall seien neben der angesprochenen Abmahnung zunächst pädagogische Maßnahmen gefordert gewesen, wie es im Berufsausbildungsgesetz vorgesehen ist, wonach der Ausbilder u. a. »für die charakterliche Förderung der Auszubildenden zu sorgen hat«.
Das Bundesarbeitsgericht kassierte das Urteil: Bei besonders schwer wiegenden Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit dem Auszubildenden erkennbar war und eine Hinnahme durch den Ausbildenden offensichtlich ausgeschlossen sei, bedürfe es keiner Abmahnung. Der Prozess wurde zurückverwiesen ans Landesarbeitsgericht, hier aber nicht mehr durchgeführt. Der Jugendliche hatte inzwischen seine Klage zurückgezogen.
Die Bilanz der zuständigen Rechtssekretärin Astrid Westhoff ist zwiespältig: Gesetze müssen angewendet werden, es sei auch richtig, deutliche Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit zu setzen. In jedem Einzelfall müssen aber die realen Personen gesehen werden, um die es geht und die richtigen Lösungen gefunden werden.
Einerseits hält wohl jeder es für richtig, dass der Jugendliche die Folgen seines Handelns zu tragen hat. Andererseits weiß jeder, dass er sich damit auch die Zukunft erheblich verbaut. Und jeder wünscht sich, dass die Prävention doch besser gewirkt hätte. Wenn das so ist, muss Prävention her. Und da kann die Gesellschaft von einigen Betrieben heftig lernen.
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