Ich hätte auch gern einen Körper gehabt

Kehrseite I Heute hatte er das schwierigste T-Shirt angezogen, das er besaß. Vor Jahren zu seinem Lieblingsfilm "Der Zynische Körper" herausgebracht, zeigte es ...

Heute hatte er das schwierigste T-Shirt angezogen, das er besaß. Vor Jahren zu seinem Lieblingsfilm "Der Zynische Körper" herausgebracht, zeigte es aber nicht diesen Titel, sondern einen Satz, der nicht auf den ersten Blick zu erfassen war. Durch diesen Intelligenztest hatte er schon so gut vorsortiert, dass er keine unliebsamen Überraschungen erleben würde.


Sie hatte wieder dieses dumme Gefühl, zu viel von der Hochzeitstorte gegessen zu haben und machte sich auf den Weg zur Apotheke. Im Schaufenster war ein riesiges Bonbonglas, das mit lauter lecker aussehenden Pillen gefüllt war.

Da sie auf ihrem Weg den Blick schleifen ließ, hätte sie beinah die Botschaft übersehen, die auf sie zukam, aber sie stolperte, fing sich und las dann: "Ich hätte auch gern einen Körper gehabt."

Sie brauchte einen Moment und war schon einige Schritte weiter, als sie sich umdrehte und dem schwarzen Shirt folgte.

"Warum?" rief sie.

Und als sie bei dem, der darin steckte, war: "Was hättest du damit gemacht?"

"Alles!" sagte jemand, der offenbar doch einen Körper besaß, und sah sie so an, als würde er es gerade bemerken und als wäre das ausnahmsweise mal angenehm.

Er hatte schon vergessen, wie das war.


"Zieh doch noch mal das T-Shirt an!"

"Aber ich hab es dir doch geschenkt!"

"Ich trag es nur, wenn ich dich nicht haben kann. Und nie auf der Straße. Ich möchte niemand Neues kennen lernen."

"Außer dir hat mich nie jemand angesprochen!"

"Das soll ich glauben?"

"Bitte zieh es noch mal an."


Wieder einmal lag das Hemd unleserlich in der Ecke. Warum hatte es auch nicht aufgehört, sich zu beschweren.

Bettina Klix lebt in Berlin und Kassel. Sie schreibt u.a. für die Junge Welt, "shomingeki" und an einem Manuskript namens Laufmaschen.


Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden