PORTRAIT Mengué M'Eya, Oppositionspolitikerin und Frauenrechtlerin aus Gabun, stammt aus einem matriarchalischen Stamm und führt dessen Tradition der Solidarität zwischen Frauen auf anderer Ebene fort
Mengué M'Eya lebt zwischen zwei Welten: zwischen Frankreich und Gabun, zwischen der Großstadt Paris und dem Heimatdorf Bitam im Norden von Gabun. Gabun galt wegen seiner Erdölschätze lange als kleines Eldorado Schwarzafrikas. Mengué M'Eyas perfektes Französisch lässt keinen Zweifel: Sie gehört zur gebildeten Elite ihres Heimatlandes, aber zu der rebellischen.
Auf ihrer Visitenkarte stehen die Initialen: P.G.P., das heißt Fortschrittspartei Gabuns und ist die Oppositionspartei zu der des Regierungschefs Omar Bongo, der sich seit 33 Jahren mit französischer Unterstützung und dank des Ölmultis Elf-Aquitaine an der Macht hält. Vereinnahmen läßt sie sich jedoch auch von ihrer Partei nicht. Ihr Einsatz gilt den afrikanisch
Einsatz gilt den afrikanischen Frauen, für die sie eine "Zivile Frauenbewegung" mit dem Untertitel Hier wie dort gründet. Der Name soll auch an das Civil Rights Movement von Martin Luther King und seinen Kampf gegen Diskriminierung erinnern."Aktionen zur Förderung der Menschenrechte sowie der Rechte der Frauen in Übereinstimmung mit den republikanischen Werten von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit", heißt es in Art. 2 der Statuten ihres internationalen Frauenverbandes, der nicht nur Frauen in Gabun und afrikanischen Nachbarländern, sondern auch Immigrantinnen in Frankreich erfassen will. Ein Standort im Internet soll eingerichtet, eine Radiostation geschaffen, Kolloquien organisiert werden. Ein gigantisches Vorhaben für die kleine Frau. Ihr verschmitztes Lachen und ihre Redekunst kommen ihr bei der Suche nach Partnern und Sponsoren sicher zugute, doch mehr noch ihr Netz von Beziehungen. Im Bistro am Opernplatz in Paris blättert sie in ihrem voluminösen Adressbuch. Ein paar Visitenkarten fallen heraus: die Bürgermeisterin von Port-Gentil (der zweitgrößten Stadt Gabuns), die Gesundheitsministerin in Bamako, eine Staatssekretärin in Conakry, der Verband "Solidarische Frauen" in Paris, die permanente Vertreterin von Gabun bei der UNO in Genf. Mengué will afrikanische Frauen in Schlüsselpositionen und französische Institutionen als Ansprechpartner für ihr Projekt gewinnen.Mengué M'Eya ist 47, Mutter von vier Kindern von drei verschiedenen Lebenspartnern. Ihr erster Mann, der Journalist Jean-Philippe Oyono, ist 1985 bei einem noch immer unaufgeklärten Hubschrauber"unfall" mit zehn anderen oppositionellen Journalisten ums Leben gekommen. Kennengelernt hatten sie sich in den siebziger Jahren bei den Studentenrevolten gegen den omnipotenten Präsidenten Omar Bongo.In den Neunzigern steht Mengué in der vordersten Linie der politischen Opposition, macht zusammen mit anderen politisch aktiven Frauen Wahlkampf gegen Bongo, der sich zum Islam bekehrt hat und die Polygamie in einem Land einführen will, in dem Teile der Bevölkerung nach matriarchalischer Tradition leben. Erst seit 1990 existiert ein Mehrparteiensystem. Der RNB, die Nationale Union der Holzfäller, scheint ihr als stärkste Oppositionspartei am besten geeignet, die Interessen der Frauen zu vertreten. Neben dem Erdöl ist Holz ein wichtiger Reichtum des kleinen Landes, und die Holzfäller sind zum großen Teil Frauen, die sich auch als Mitglieder des RNB wiederfinden. 1995 wird Mengué M'Eya stellvertretende Vorsitzende des RNB. Allerdings nur für zwei Jahre, dann verdrängt der Parteichef sie durch eine Frau seines Stammes. Ganz nach dem Vorbild von Omar Bongo, der ebenfalls alle wichtigen Regierungsposten mit Stammesbrüdern besetzt hat. Seitdem weiß Mengué, dass sie die Interessen der Frauen nur im Bündnis mit anderen Frauen durchsetzen kann, Frauen, die sich von Macht- und Parteiintrigen nicht vereinnahmen lassen.In dem relativ reichen Gabun haben 83 Prozent der Bevölkerung die Schule besucht. "Unsere Landwirtschaft wird von 'aufgeklärten Bäuerinnen' betrieben, die Verwaltung der Städte von hochgebildeten Frauen. In den Schulen bilden die Frauen den Großteil der Lehrerschaft", erklärt Mengué M'Eya. Die Macht aber liegt bei den Männern. Sie treffen die Entscheidungen. Nur wenige Frauen können Einfluss nehmen, wie zum Beispiel Marguerite Makaga, die 1995 "Radio Soleil", eine oppositionelle Radiostation in der Hauptstadt Libreville, ins Leben gerufen hat. Oder die Chefredakteurin von La cigale enchantée (Der entzückte Grashüpfer), einer satirischen Zeitschrift.Zwar gibt es vier oder fünf Ministerinnen in der Regierung Omar Bongos. "Doch das sind nur Vorzeigefrauen, die nichts für die Sache tun," meint Mengué abschätzend und denkt beim Wort "die Sache" selbstredend an Rechte und Chancen von Frauen. "Die anderen werden abgesägt." Als Yolande Bike, Ex-Ministerin für Jugend und Sport, ein Stadion und Freizeitzentrum für junge Mädchen einrichten will, wird sie durch sexistische Anschuldigungen aus der Regierung geekelt. Man bringt das Gerücht in Umlauf, sie habe ihren Ministersessel nur ihren weiblichen Verführungskünsten zu verdanken, sie sei die Mätresse von Bongo.Mengué M'Eya will Frauen, die Einfluss auf das öffentliche Leben nehmen, zu ihren Verbündeten machen, um jene zu fördern, die durch ihre Arbeit die Infrastruktur des Landes aufrechterhalten. Frauen bearbeiten das Land, treiben Handel mit ihren Erzeugnissen. Oft sind sie die Alleinernährer ihrer Familie. Die Wirtschaft des Landes ruht auf ihren Schultern. Aber Mengué M'Eya ist überzeugt: Nur wenn sie sich selbst organisieren, können sie ökonomische und politische Rechte erlangen." Sie erklärt die Effizienz dieser Selbstorganisation am Beispiel des Systems der "Tontine", einer Art Sparklub, in dem Frauen gemeinsam für ein Projekt Geld sparen, zum Beispiel für einen Bus oder Landrover, der sie schneller zum Markt der nächstgelegenen Ortschaft transportiert, wo sie ihre Erzeugnisse feilbieten. Mit der ersparten Summe gehen sie zur Bank, um einen Kredit aufzunehmen. Nie würden sie im Alleingang einen solchen Kredit bekommen. "Die Banken leihen ihr Geld nur an Leute, die der Partei Bongos angehören", bemerkt Mengué.Seit der Abwertung des Franc CFA um 50 Prozent durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Jahre 1994 verarmen große Teile der Bevölkerung. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Die Prostitution blüht. "In Libreville gibt es bereits den "Boulevard der Prostituierten", erzählt Mengué M'Eya. "Alles wird zu Geld gemacht, selbst die Klitoris. Junge Mädchen lassen sich beschneiden, weil Männer glauben, die Klitoris sei ein Fetisch der Macht.""Die Abwertung durch den IWF hat die Einkommen halbiert. Ein Gehalt reicht oft nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Darum gehen die Frauen oft zwei Tätigkeiten nach. Viele meiner Bekannten unterrichten von sieben bis 14 Uhr in der Schule und betreiben ab 16 Uhr noch einen Hähnchengrill neben einer Bar im nächstgelegenen Ort. Die Kinder sind dann sich selbst oder der Großmutter überlassen."Auch Mengué M'Eya wurde von ihrer Großmutter aufgezogen. Ihre Mutter war Lehrerin in der Dorfschule von Bitam, wo sie 1953 zur Welt kam. Auch der Vater war Dorflehrer, der Großvater das respektierte Oberhaupt seines Stammes. Im Norden Gabuns - wegen der vielen Doktortitel in der Bevölkerung das "lateinische Viertel" genannt - sind die Faong ansässig, ein Stamm mit matriarchalischer Tradition. So trägt Mengué M'Eya den Namen ihrer Mutter und hat als erstgeborene Tochter die Äcker ihrer Großmutter geerbt. Schon ihre Mutter war eine selbstbewusste Frau, die den Brautpreis ihres Mannes ablehnte, weil sie nicht wie eine Ware bezahlt werden wollte.Zur Schule musste Mengué fünf Kilometer durch den Urwald marschieren. Von ihren zwei Schwestern sagt sie stolz, die eine sei Doktor der Mathematik und habe das Zollsystem in Gabun informatisiert. Die andere, Patricia, nach Patrice Lumumba, dem ersten kongolesischen Premierminister nach der unabhängigkeit, benannt, sei Konsulin der Unesco in Paris.Nach der Unabhängigkeit Gabuns vom französischen Kolonialherren im Jahre 1960 haben ihr Vater, aber auch ihre Mutter Elite-Hochschulen in Paris absolviert. Ihr Vater zog als Botschafter durch Europa. So hat Mengué in England, Schottland, Spanien und Frankreich gelebt. Ein Vorteil bei ihrer Lobbyarbeit.Bildung ist für sie einer der wichtigsten Faktoren für die Emanzipation der Frauen. In ihrem Heimatdorf unterstützt sie zusammen mit Freunden ein Schulprojekt, damit die Kinder nicht mehr so weit wie sie selbst zur nächsten Schule laufen müssen. Dort wird alles unterrichtet, was für Frauen von Wichtigkeit ist: Von Schwangerschaftsverhütung über Schutz gegen Aids und Kinderkrankheiten bis zur Automechanik, "denn sie müssen imstande sein, Auto- und Buspannen zu beheben." Drei Ärzte unterrichten dort ehrenamtlich. Nur der Direktor und sein Stellvertreter werden bezahlt. Auch ihre Mutter unterstützt das Projekt mit einem Teil ihrer Rente.Mengué M'Eya hat Solidarität unter Frauen aus ihrer Familiengeschichte gelernt. Die gibt ihr die Kraft, sie überall da einzusetzen, wo sie gefragt ist. In Frankreich hat sie Frauen "ohne Papiere" vor der Ausweisung bewahrt., Frauen, die in den Vororten von Paris leben, wo viele ImmigrantInnen weder lesen noch schreiben können. Sie glaubt an Aufklärung und Information. Das Radio hält sie für das wichtigste Medium, um auch die einfachsten Frauen zu erreichen "Hier wie dort", jene in den Vororten von Paris wie jene in den abgelegenen Dörfern Gabuns.
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