Schon bevor der eigentliche Wahlkampf in Italien losging, dominierten wohlbekannte Bilder die italienischen Medien: Auf nahezu allen Fernsehkanälen präsentierte sich ein solariumgebräunter Berlusconi, der gegen die Linke polemisierte, das schwache Wirtschaftswachstum seines Landes herunterspielte, Steuersenkungen versprach und Italiens hervorragende Stellung in Europa betonte. Bereits zehn Tage vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfes trat der Premier in Sendungen auf, die nichts mit Politik zu tun hatten, womit er das Gesetz des "par condicio" ignorierte, das die Auftritte von Politikern in nichtpolitischen Sendungen verbietet, um Politikern von Regierung und Opposition gleiche Sendezeit zu garantieren. Romano Prodi kam jedoch noch lange nicht zum Zug. Allein vom 29. Janu
anuar bis zum 7. Februar wurden vier Radioprogramme und fünf Fernsehsendungen unterbrochen, um Berlusconi einen Auftritt zu ermöglichen. Es ist offenbar sehr schwer, Berlusconi von seiner medialen Dauerpräsenz in Italiens Wohnzimmern abzuhalten. Mit der personell durch Anhänger der rechtspopulistischen Regierungspartei Forza Italia besetzten RAI erweist sich die staatliche Konkurrenz als lediglich schwache Gegenkraft.Die wirksame Ausblendung von Berlusconi-kritischen Medieninhalten zeigt sich beispielsweise in der Weigerung der Nachrichtensendungen von sowohl dem staatlichen, auf Rai2 ausgestrahlten Tg2 (Telegiornali 2), als auch auf den Berlusconi-eigenen Mediaset-Sendern ausgestrahlten Tg4, Tg5 und Studio Aperto, den neuen Film von Nanni Moretti Il Caimano auch nur zu erwähnen: Über den mit Hochspannung erwarteten Film war bis zur Premiere am vergangenen Donnerstag nur eines bekannt: dass er sich kritisch mit Berlusconi auseinandersetzt. Berlusconi-nahe Zeitungen wie La Nazione aus Florenz unterstützten die ablehnende Haltung der Fernsehsender, indem sie die besorgten Äußerungen von Politikern aller Parteien zitierten, der Film könne die Wahlen beeinflussen, weil er Berlusconi dämonisiere.Die Medienmacht des Cavaliere scheint also ein weiteres Mal ihre Wirksamkeit zu zeigen und dafür zu sorgen, dass linke intellektuelle Stimmen an die mediale Peripherie gedrängt werden. Doch weite Teile der Printmedien tendieren in den letzten Wochen verstärkt dazu, die Peinlichkeiten und Fehltritte des Premiers zu entlarven und ins Lächerliche zu ziehen. Auch konservative Blätter wie La Stampa äußern Zweifel an Berlusconis Wahlkampfpraxis.Anlass dafür gab Berlusconi selber, der Journalisten der Zeitungen Corriere della Sera, La Repubblica, aber auch ihm sonst wohlgesonnenere Blätter wie Il Sole 24 ore und Il Messaggero beschuldigte, sie würden mit ihrer Kritik an Italiens stagnierender Wirtschaft die Demokratie gefährden. Die Reaktionen auf diesen Angriff reichen von gemäßigt klingenden Verteidigungen des Direktors von Sole 24 Ore De Bortoli, man habe sich im Wahlkampf stets neutral verhalten, bis zu heftigen Anschuldigungen der Turiner Stampa, Berlusconi setze "Kritik an der Macht" mit "Feind" gleich und stelle sich damit gegen den wichtigsten Pfeiler der Demokratie. Der Corriere della Sera merkte richtig an, dass Berlusconis aggressive Haltung gegen die vermeintlichen Feinde einen Bumerang-Effekt auslösen könnte.So scheint, mindestens in den Printmedien, zunehmend wieder die Verteidigung des journalistischen Ethos der objektiven Berichterstattung, die furchtlos die Mängel der italienischen Politik benennt, wieder die Priorität vor parteiproportionalen Tendenzen einzunehmen. Interessant ist dabei die sich ändernde Argumentationsstruktur: Wurde bisher je nachdem, wo die Zeitung sich politisch positionierte, ein Tatbestand auf unterschiedliche Weise dargestellt, scheint nun die nüchternere Betrachtung die bloße Polemik zu ersetzen.So schlugen Berlusconis Anschuldigungen gegen bedeutende Wirtschaftsunternehmer und ehemalige Unterstützer von Forza Italia in den letzten Wochen medial eher gegen ihn zurück - traditionell gehören die meisten italienischen Zeitungen großen Wirtschaftsunternehmen. Die enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Presse hat mit der späten industriellen Entwicklung in Italien zu tun, die nach 1890 als die eines late-comer stark vom Staat kontrolliert wurde und sich so über die Presse als Druckmittel Zugang zu politischen Entscheidungskanälen verschaffen musste.Diese bemühen sich nun, dem über das Fernsehen vermittelten Bild von Berlusconi ein anderes entgegenzusetzen: das des diktatorischen Berlusconi, dem jegliches unternehmerisches Gespür fehlt und der die Säulen der Demokratie wie Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung und mediale Vielfalt missachtet. Dabei wird immer wieder Bezug genommen auf Umberto Ecos apokalyptische Prognose, dass durch die ständige Missachtung der Verfassungsregeln, die sich Berlusconi im Gegensatz zur Regierungspraxis der Democrazia Cristiana leistete, ein demokratischer Erdrutsch kaum noch aufzuhalten sei.Eco merkte in Bezug auf die feindselige Haltung der Presse an, dass es Berlusconi egal sei, was die Zeitungen über ihn schrieben, weil seine Wähler sich sowieso nur über das Fernsehen informieren würden. Doch auch hier hat Berlusconi in den letzten Tagen an Popularität eingebüßt.In einem Interview mit der Journalistin und Ex-Chefin der Rai, Lucia Annunziata zog er es vor, die an ihn gestellten Fragen unbeantwortet zu lassen und sich statt dessen selber Fragen zu stellen und Antworten zu geben. Als Annunziata sein Verhalten kritisierte, brach Berlusconi das Gespräch ab, beschied der Journalistin höflich sich zu schämen und verließ das Studio. Als er in die Kulissen entschwand, war noch für alle Fernsehzuschauer sein letzter Satz deutlich zu hören: "Und da sagt man immer, ich würde die Rai kontrollieren!"Auch im ersten Fernsehduell gegen Romano Prodi, bei dem er den Oppositionsführer ein "Bulldoggengesicht" nannte, schnitt der Premier eher schlecht ab. Somit büßt er zunehmend seine Trümpfe Charme, Witz und Unterhaltungswert ein. In den Zeitungen wird dieses Verhalten als Unsicherheit und ungewolltes Eingeständnis seiner geschwächten Position gedeutet. Die Zeitschrift Internazionale interpretiert dagegen Berlusconis Polemiken gegen Parteien, Gewerkschaften, Industrie und Presse als bewusst populistischen Schachzug, mit dem der Cavaliere seine eigene Wählerschaft mobilisieren möchte - die letzten Umfragen sagten ihm einen wenn auch knappen Sieg voraus, wenn die Wahlbeteiligung entsprechend hoch sei.Berlusconi hat auch eine populistische Entschuldigung dafür parat, dass er seinem Volk nicht all das bieten konnte, was er ihm bei Amtsantritt versprochen hatte: Er habe einfach zuviel arbeiten müssen. Ob diese Erklärung ausreicht, die frustrierten Gemüter noch einmal dazu zu bewegen ihm zu vertrauen, wird sich am 9. April zeigen. Von der letzten Wahl ist bereits das Phänomen bekannt, dass man in Italien kaum jemanden trifft, der Berlusconi mag - und er dann doch gewählt wird. Die wahren Pessimisten vermuten, dass Berlusconi sich im Falle einer Niederlage mithilfe von Wahlbetrug an der Regierung halten wird. Damit würde er seinem Freund George Bush alle Ehre erweisen.
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